Atomare Neubauten Standort Lubmin: Heiße Zelle als Option – Neue Atommüll-Lagerhallen in Planung und Bau

Atomare Neubauten Standort Lubmin: Heiße Zelle als Option – Neue Atommüll-Lagerhallen in Planung und Bau

Mit Atommüll lassen sich Geschäfte machen – vor allem auf Kosten der SteuerzahlerInnen. Auch in Lubmin an der Ostsee, in der Nähe von Greifswald. Das „EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH“ ist dort für den Rückbau der alten DDR-Reaktoren im Auftrag des Bundesfinanzministeriums zuständig, hantiert mit jeder Art Atommüll und betreibt für hochradioaktiven und anderen Strahlenmüll die Lagerung. Im Frühjahr 2019 soll nun im zweiten Anlauf der Antrag für den erforderlichen Neubau eines Castor-Atommülllagers für hochradioaktiven Abfall mit einer möglichen Option auch für eine Heiße Zelle gestellt werden. Die derzeitige Castor-Halle erfüllt nicht mehr die Sicherheitsanforderungen. Noch im Dezember 2018 haben außerdem die Bauarbeiten für eine Zerlegehalle für leicht- und mittelradioaktiven Atommüll begonnen. Darüber berichten unter anderem die Ostsee-Zeitung, die SVZ und die dpa bzw. Wallstreet-online in nahezu identischen Artikeln. Auch an den vielen anderen AKW-Standorten werden derzeit bundesweit neue Atommülllager für leicht- und mittelradioaktiven Atommüll geplant und gebaut. (Foto EWN mit Montage, weitere Bearbeitung umweltFAIRaendern: Standort neue Castor-Halle)

  • Alles zum Thema Atommüll, Sicherheitsrisiken in Lubmin und dem Thema Heiße Zelle auf umweltFAIRaendern.de

Mit Bezug auf einen dpa-Bericht ist bei Wallstreet online über den Baubeginn der neuen Zerlagehalle zu lesen: „In dem Gebäude, dessen Kosten das EWN mit 43 Millionen Euro beziffert, sollen schwach- und mittelradioaktive Kraftwerks-Großteile zerkleinert und für die Entsorgung beziehungsweise Endlagerung vorbereitet werden. Die Halle in Nähe des bestehenden Zwischenlagers soll mit technischen Bereichen für Trocken- und Nasszerlegung ausgestattet sein und Ende 2021 in Betrieb gehen, sagte EWN-Geschäftsführer Henry Cordes.“
Genehmigt wurde die erste Teilgenehmigung von den Baubehörden des Kreises Vorpommern-Greifswald. Eine weitere – vermutlich die atomrechtliche – Genehmigung erwartet EWN, Rechtsnachfolger der DDR-Atommeiler Lubmin und Rheinsberg, vom Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die OZ weiter: „Rückbau und Entsorgung von Nuklearanlagen werden sich bei uns wie auch in Deutschland insgesamt bis weit in die 30er Jahre hinziehen“, sagte Cordes. In den nächsten Jahren werde sich das Unternehmen auf das Zerlegen von Reaktordruckgefäßen, das Verpacken radioaktiver Abfälle, die Zwischenlagerung und die Vorbereitung der Endlagerlogistik konzentrieren. Das EWN beschäftigt an seinen Standorten in Lubmin und Rheinsberg rund 900 Mitarbeiter, rund zwölf Prozent mehr als 2014.“
Atomausstieg? Der Müll bleibt noch für ein wenig Ewigkeit und damit auch als Geschäft. Für die Demontage der DDR-Kraftwerke in Lubmin und Rheinsberg zahlt der Bund rund 6,6 Milliarden Euro. In Lubmin richten sich die EWN laut SVZ auf einen wachsenden Atommüllmarkt ein: „In der ersten Ausbaustufe, die sich über die 2020er Jahre erstreckt, würden in der Halle Dampferzeuger, später auch Reaktordruckbehälter zerlegt, um sie für die Endlagerung im „Schacht Konrad“ vorzubereiten. Aufträge von Dritten lägen zurzeit nicht vor, doch schließt das bundeseigene Unternehmen solche Arbeiten nicht aus. Die Auslegung der Halle sei bundesweit einzigartig, sagte Cordes. Aus der Landespolitik hat es immer wieder Befürchtungen gegeben, dass das EWN nach dem Rückbau der DDR-Kernkraftwerke Lubmin und Rheinsberg das Drittgeschäft mit fremdem Atommüll am Standort Lubmin ausweitet.“
Seit längerem ist klar, dass die bestehende Zwischenlagerung von hochradiaktivem Atommüll in Castor-Behältern am Standort Lubmin angesichts gewachsener Terrorgefahren nicht mehr ausreichend sicher ist. AtomkraftgegnerInnen betonen zusätzlich, dass es Handlungsbedarf gibt, nachdem das Oberverwaltungsgericht Schleswig per Urteil die Genehmigung für das Castor-Zwischenlager in Brunsbüttel kassiert hat. Versuche, Sicherheit in der bestehenden Konstruktion nachzurüsten, blieben erfolglos. Auf Basis einer gemeinsamen Lagerhallen-Konstruktion werden in Lubmin leicht- und mittelaktive sowie die hochradioaktiven Castoren zwar räumlich getrennt, aber im Grunde in einer Halle gelagert.

  • Alles zum Urteil des OVG Schleswig auf umweltFAIRaendern.de
  • Siehe unter dem Text oder hier als PDF: Im November haben EWN mitgeteilt, dass ein konkreter Standort für den Neubau des Castor-Zwischenlagers in Lubmin untersucht wird.

Auch diese Problematik wird in dem Bericht der OZ aufgegriffen: „Als Schutz vor Terrorangriffen plant das EWN zudem den Bau eines neuen Lagers für die im Zwischenlager Nord (ZLN) deponierten 74 Castoren mit hochradioaktivem Abfall. Im Frühsommer will das EWN nach den Worten Cordes den Bauantrag für die etwa 135 Meter lange Halle stellen.“ Der Antrag geht dann an das unter der Führung des Bundesumweltministeriums stehende Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit. Als Generalplaner wird von der EWN die Steag beauftragt, wie das Unternehmen bereits im Juli per PM (PDF) mitteilte. (Siehe auch hier.)

  • Hinweis: Ab Jahreswechsel 2019 ist der gesamte Atommüll in Deutschland nicht mehr Sache der Atomkonzerne Marke E.on/PreussenElektra, Vattenfall, RWE und EnBW, sondern wird komplett verstaatlicht. Gegen eine eher geringe Einmalzahlung von rund 24 Mrd. Euro haben im Bundestag CDU/CSU, SPD und GRÜNE (!) mit einem Entsorgungsfonds die Atomkonzerne „enthaftet“ und der Übertragung aller künftigen finanziellen Risiken bei der Atommülllagerung auf die SteuerzahlerInnen zugestimmt. Der Bundestag folgte damit weitgehend den Empfehlungen einer als „Trittin-Kommission“ vom Bundeswirtschaftsministerium eingesetzten Gruppe, an der die Linksfraktion nicht beteiligt wurde. Alles zum Thema Entsorgungsfonds auf umweltFAIRaendern und: Atom-Deal: Grüne, SPD, CDU, CSU zum Vorteil der Konzerne.

Interessant, wie man in Lubmin laut Wallstreet online mit dem Thema Reparatur defekter Castor-Behälter /  Heiße Zelle umgehen will: „Für den als Ersatzlager geplanten Neubau will das EWN zunächst keine sogenannte Heiße Zelle zur Umverpackung von Castoren beantragen, behält sich aber dafür eine Raumreserve vor, wie Cordes sagte. Diese könnte notwendig werden, sollten sich die Anforderungen an die Zwischenlagerung verändern. Bislang ist die Castoren-Lagerung in Lubmin bis zum Jahr 2039 genehmigt. Alle Bestrebungen, ein zentrales Endlager für den hochradioaktiven Abfall aus deutschen Atommeilern zu finden, sind bislang gescheitert. Im Frühjahr 2017 beschloss der Bundestag dafür das Standortauswahlgesetz.“
Das Standortauswahlgesetz spricht von einem Endlager ab 2050, aber kaum ein Experte hält diesen Termin für realistisch. Vielfach wird das Jahr 2080 genannt, aber auch das Jahr 2100 könnte möglich sein. Doch bereits in den 2035ern und dann so gegen 2045 werden die vorhandenen Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll ihre bisherige Genehmigung verlieren. Wie es dann weiter geht, ist unklar oder auch strittig. Klar ist: Bevor ein Endlager in Betrieb geht, muss die bislang auf 40 Jahre befristete Zwischenlagerung verlängert werden. An vielen Standorten von Atomkraftwerken, wo sich solche Standortzwischenlager befinden und auch in Gorleben und Ahaus, macht man sich daher Sorgen, zum faktischen Endlager zu werden.

Zu den bisher bekannten Planungen der EWN in Lubmin und der bislang offenen „Endlagerfrage“ stellt die Grüne-Landesvorsitzende Ulrike Berger laut dpa fest: „Eine „Heiße Zelle“ müsse zu den notwendigen Sicherheitsstandards in Zwischenlagern gehören. „Die gültigen Nachweise attestieren den Transport- und Lagerbehältern eine Sicherheit für 40 Jahre“, sagte sie und verwies auf ein Positionspapier zur Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle, das von mittlerweile von mehr als 70 Anti-Atom-Initiativen und Verbänden mitgetragen werde.“

Die Gründe für eine Heiße Zelle sind: „Für die absehbare Verlängerung der Lagerdauer gebe es keine zuverlässigen Sicherheitsnachweise für Zustandsänderungen an den Behältern, sagte Berger. Die Transportfähigkeit der Behälter wie auch deren Reparatur und die Überprüfung des Inventars müssten über den gesamten Zeitraum der Zwischenlagerung gewährleistet sein. Die einzige „Heiße Zelle“ für den Austausch von Primärdeckeldichtungen der Behälter sowie das Umladen von Behälterinventaren sei in Deutschland die Pilotkonditionierungsanlage (PKA) in Gorleben. Diese entspreche schon heute nicht mehr dem Stand der Technik und werde zudem nach Angaben des Betreibers in absehbarer Zeit stillgelegt.“
 
Dokumentation PM EWN
PRESSEMITTEILUNG
Lubmin, 11. Juli 2018 – Ersatzlager für die Halle 8 des ZLN – EWN beauftragt die STEAG als Generalplaner
Die EWN GmbH hat die STEAG Energy Services GmbH, Essen, als Generalplaner für den Bau des Ersatzlagers für die Halle 8 des Zwischenlagers Nord (ZLN) gebunden und mit der gemeinsamen Planungsarbeit begonnen.
„Der Beginn der Arbeiten mit der STEAG verlief planmäßig“, so Henry Cordes, der Vorsitzende der Geschäftsführung der EWN GmbH. „Wir gehen davon aus, dass wir im Frühjahr 2019 den Genehmigungsantrag stellen werden. 2024 sollen die Bauarbeiten dann abgeschlossen werden.“
Im Dezember letzten Jahres hatte die EWN GmbH die Öffentlichkeit darüber informiert, dass sie aufgrund der geänderten bundesrechtlichen Vorgaben die Errichtung eines Ersatzlagers für die bislang in Halle 8 des ZLN aufbewahrten
Castor-Behälter plant.
Die Anzahl der 74 bisher in Halle 8 des ZLN gelagerten Castor-Behälter bleibt dabei jetzt und in Zukunft unverändert. Die Castoren werden nur umgelagert. Das Vorhaben bezieht sich allein auf den Ersatz der Halle 8. Die Hallen 1-7 des ZLN sind von dem geplanten Vorhaben nicht berührt.
 
Dokumentation PM EWN:
PRESSEMITTEILUNG
Lubmin, 28. November 2018 – Bauplatz für das Ersatzlager für die Halle 8 des ZLN steht fest  (PDF, mit Foto)
Nachdem die EWN GmbH im Dezember 2017 den Bau eines Ersatzlagers für die 74 Castoren aus Halle 8 beschlossen hatte, haben wir uns nach sorgfältiger Prüfung für den Standort des Ersatzlagers (ESTRAL) entschieden.
Das vorgesehene Baufeld für das ESTRAL befindet sich auf dem Gelände der EWN GmbH, nordöstlich vom ZLN. Das Gebäude wird mit der Längsseite in Nord-Südrichtung ausgerichtet. Für die gewählte Variante spricht vor allem eine optimale Raumaufteilung innerhalb des Gebäudes. Die Außenmaße des Ersatzlagers können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht exakt angegeben werden; wir gehen von etwa 135 m Länge, ca. 65 m Breite und ca. 25 m Höhe aus.
Foto: EWN-Gelände mit Gebäudeanimation des ESTRAL im Osten.
Vor diesem Hintergrund finden aktuell vorlaufende Baugrundsondierungen auf dem späteren Baufeld statt. Die Baugrund Stralsund Ingenieurgesellschaft mbH wird sowohl Trockenbohrungen als auch Drucksondierungen ausführen. Beide Aufschlussverfahren werden mit entsprechender Technik auf normalen LKW ausgeführt.

Dirk Seifert