Haltet den Dieb – Atomrückstellungen sicherstellen
Die Atomkonzerne wollen ihr atomares Erbe loswerden. Nach jahrelangen hohen Gewinnen, haben E.on, RWE und EnBW der Bundesregierung angeboten, eine Bundes-Stiftung solle das gesamte Atomgeschäft inkl. des Strahlenmülls übernehmen. Dafür würden sie die 36 Mrd. Euro, die sie für den Rückbau der Atommeiler und für die Entsorgung des angefallenen Atommülls steuerfrei zurückgestellt haben, an diese Stiftung übertragen. Außerdem würden sie die Schadensersatzklagen wegen des Atomausstiegs nach Fukushima zurückstellen. Das würde – so die Konzerne – noch einmal 15 Mrd. Euro bedeuten, die die Konzerne bei einem gerichtlichen Erfolg bekämen – und auf die sie dann verzichten würden. Bedingung: Danach hätten sie mit dem Atommüll, den sie gewinnbringend verursacht haben, absolut nichts mehr zu tun.
- Zu Vattenfall siehe hier: Vattenfalls Atom-Rückstellungen versenkt in Braunkohlegruben
- Katastrophenkurs von Vattenfall – wer zahlt die Zeche?
Der Grund ist naheliegend: Die Unternehmen sind wirtschaftlich schwer angeschlagen. Viel Geld haben sie in der Finanz- und Wirtschaftskrise verloren, in der ihre Expansionsstrategien an der Wirklichkeit zerschellten. Hinzu kam die Kehrtwende der Merkel-Regierung nach Fukushima, die ihnen mit einem Schlag die erwarteten Gewinne aus mindestens acht Jahren nahm, die der weitere Betrieb der Atommeiler bringen sollte (Laufzeitverlängerung). Gewinne, die für eine Neuausrichtung der Konzerne eingeplant waren und die plötzlich nicht mehr zur Verfügung standen. Und dann erst wirkt sich die Entwicklung der Erneuerbaren Energien aus, deren Zuwachs und dessen Auswirkungen am Strommarkt derart furios verlief, dass sie die ohnehin schon gebeutelten Konzerne noch tiefer in die Krise rammten. Der jetzige Vorschlag zur Gründung einer – wie manche es nennen – Bad Bank für die Atommüllentsorgung ist vor diesem Hintergrund der Versuch eines Befreiungsschlags. Denn die enormen Kostenrisiken bei der Atommüllentsorgung stellen eine enorme Zukunftsbelastung im ohnehin schwierigen Wirtschaftsfeld Strommarkt dar.
Grüne und Linke (Drs 18/01959, PDF) im Bundestag haben jetzt mit Anträgen auf diesen Vorschlag reagiert. Zwei Dinge stehen im Focus: Einmal soll am Verursacherprinzip festgehalten werden, also die Atomwirtschaft soll nicht aus der Verantwortung für die Kosten der Atommüllentsorgung entlassen werden. Und: Angesichts des hohen Risikos, dass die Atomkonzerne möglicherweise durch rechtliche Tricks (Vattenfall) und/oder durch tatsächliche wirtschaftliche Katastrophen in die Insolvenz rauschen und damit die gebildeten Rückstellungen für die Entsorgung vollständig verloren gehen könnten, müssen diese durch staatliche Vorgaben und Regelungen jetzt gesichert werden.
Auch einige Landesregierungen gehen jetzt mit dieser Intention vor und haben einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat eingebracht. Offenbar auf Initiative der rot-grün-dänischen Landesregierung in Schleswig-Holstein, die vor allem mit den Betreibern Vattenfall und E.on zu tun hat. Vattenfall ist federführend bei Krümmel (Anteil 50 Prozent) und Brunsbüttel (Anteil 66 Prozent) – beide stillgelegt. Und in Brokdorf, noch bis 2021 am Netz, hat E.on das Sagen (80 Prozent) (jeweils den Rest hält das andere Unternehmen).
Hier als Dokumentation die Presseerklärung der Landesregierung in Schleswig-Holstein zur Bundesratsinitiative in Sachen Sicherstellung der Kosten für die Atommüllentsorgung und die dazu gebildeten Rückstellungen.
Schleswig-Holstein will Rückstellungen für Atomendlagerung und Abbau der Kernkraftwerke insolvenzfest machen, 01.07.2014
KIEL. Mit einer Bundesratsinitiative will Schleswig-Holstein gemeinsam mit Hessen und Rheinland-Pfalz die Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber langfristig sichern lassen. „Es kann nicht sein, dass diejenigen, die Jahrzehnte lang von der Atomkraft profitiert haben, sich eines Tages aus der Verantwortung für Abbau und Endlagerung stehlen. Deshalb muss der Bund für eine entsprechende Sicherung sorgen
„, sagte Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck. Der Antrag wurde unter Federführung Schleswig-Holsteins erarbeitet und soll zum 11. Juli in den Bundesrat eingebracht werden.
„Zurzeit ist die Endlagersuchkommission damit befasst, für eine Million Jahre den besten Ort für eine sichere Verwahrung der atomaren Last zu finden. Die Zeiträume sind bei dieser Aufgabe so weit gefasst, dass es dringend erforderlich ist, die Haftung der Kernkraftwerksbetreiber für ihre Altlasten abzusichern. Nach dem Atomrecht gilt zwar eindeutig das Verursacherprinzip. Aber für die Verwendung der Rückstellungen gibt es bislang keine gesetzlichen Anforderungen. Wenn es bei dieser Praxis bleibt müssen wir befürchten, dass die Kernkraftwerksbetreiber nicht für die Folgen ihrer Technologie gerade stehen. Das Geld muss sicher angelegt werden, damit es zur Verfügung steht, wenn es gebraucht wird
„, betonte Habeck und fügte hinzu: „Ich freue mich, dass diese Initiative Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg findet. Der Konsens zum Atomausstieg muss sich auch hier bewähren.
“
Zur Sicherung der Rückstellungen für den Abbau der Kernkraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle soll der Bund rechtsverbindliche Regelungen schaffen. Die Maßnahmen beziehen sich auf die Mithaftung der Muttergesellschaften der Betreiber und reichen bis hin zu Sicherheitsleistungen oder Einzahlungen der Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds. „Es muss gewährleistet sein, dass bei Insolvenz einer Betreibergesellschaft der jeweilige Mutterkonzern voll und zeitlich unbegrenzt für alle Verbindlichkeiten oder Verluste einsteht
„, sagte Habeck.
Außerdem sollen die Kernkraftwerksbetreiber zu mehr Transparenz verpflichtet werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Höhe der Rückstellungen für jedes einzelne Kernkraftwerk zu überprüfen. Sollten sich die Rückstellungen als unzureichend erweisen, soll der Bund dafür Sorge tragen, dass sie auf das angemessene Maß erhöht werden und gegebenenfalls ergänzende Kriterien zur Bewertung der Kostenrisiken aufstellen.
Hintergrund:
Nach dem geltenden Atomrecht gilt das Verursacherprinzip. Danach haben die Kernkraftwerksbetreiber uneingeschränkt sämtliche Kosten für Stilllegung und Abbau der Kernkraftwerke wie auch der Entsorgung radioaktiver Abfälle zu tragen. Das gilt auch, wenn die nuklearen Endlager vom Bund errichtet werden. Im Hinblick auf diese Verpflichtung haben die Energiekonzerne Rückstellungen in Höhe von derzeit rund 35 Milliarden Euro gebildet, die steuerbefreit sind. Für die Verwendung der Rückstellungen gibt es allerdings keine gesetzlichen Anforderungen. Die Rückstellungen stehen demzufolge nicht kurzfristig bereit, sondern sind in Unternehmen oder Kapitalgeschäften gebunden. Daher ist fraglich, ob die Gelder jeweils zeitgerecht zur Verfügung stehen, sobald sie benötigt werden. Durch den gesetzlich beschlossenen Atomausstieg bis Ende 2022 haben sich die Gewinnerwartungen der Energiekonzerne aus dem Betrieb von Kernkraftwerken deutlich reduziert. Da sich die gesetzlichen Verpflichtungen auf einen nicht absehbaren Zeitraum erstrecken, ist eine langfristige Sicherung der Rückstellungen vor möglichen Insolvenzen der Kernkraftwerksbetreiber unabdingbar.“