AKWs stilllegen – Atommüllentsorgung auf der Hausmülldeponie

Es war die letzte rot-grüne Bundesregierung, die im Jahr 2001 durch die Novellierung der Strahlenschutzverordnung den Weg freigemacht hat, den bei der Stilllegung von Atomanlagen anfallenden radioaktiven Bauschutt leichter zu entsorgen. Sebastian Pflugbeil von der internationalen Ärzteorganisation IPPNW fasste das damals so zusammen:  „Die Änderungen führen zu einer Verschlechterung des Strahlenschutzes für Schwangere, Jugendliche und die allgemeine Bevölkerung. Sie ist die Voraussetzung für eine preiswerte Unterbringung von Atommüll zu Lasten des Strahlenschutzes. Die neue Verordnung erlaubt die unbegrenzte Freisetzung radioaktiver Abfälle in die Umwelt. Alte stillgelegte Atommeiler können abgerissen und der strahlende Bauschutt schlichtweg auf der nächsten Hausmülldeponie abgeladen werden.“
Zuvor hatten zahlreiche Umweltorganisationen die Bundesregierung weitgehend erfolglos davor gewarnt, mit der Novellierung den Strahlenschutz derart zu verschlechtern: „Gemeinsam wenden sich die Gesellschaft für Strahlenschutz, der IPPNW, das Otto-Hug-Strahleninstitut und die Umweltschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Robin Wood gegen eine weitere Verwässerung des ohnehin schon ungenügenden Entwurfs zur Novelle der Strahlenschutzverordnung. Die Verbände und Institute appellieren stattdessen an den Bundesrat und die Wirtschafts- und Umweltminister der Länder, die jetzige Novelle zu Gunsten schärferer Regelungen und eines wirksamen Strahlenschutzes zurückzuziehen. Die Novelle und die von einigen Bundesländern eingebrachten Verwässerungswünsche seien vollkommen inakzeptabel und würden so etwas wie Strahlenschutz nur vortäuschen.“
Renate Backhaus vom BUND kritisierte in dieser Stellungnahme, dass mit der Novelierung „das Schutzniveau der beruflich strahlenbelasteten Arbeitnehmer und der Bevölkerung in wesentlichen Punkten verschlechtert“ würde und: „Mit der Freigaberegelung wird es der Atomindustrie möglich, den größten Teil des Atommülls, der beim Abriss der Atomkraftwerke in den kommenden Jahrzehnten anfällt, auf normalen Deponien, in Baumaterial, im Straßenbelag oder im Metallrecycling unterzubringen.“
Ein Jahr später, im Juni 2002, konkretisiert Pflugbeil: „Der gefährlichste Punkt in der am 1. August 2001 in Kraft getretenen neuen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) regelt die „Freigrenzen“ und die „unbegrenzte Freigabe“ gering kontaminierter Stoffe (§§ 8 und 29).“
Würde man die großen Mengen radioaktiv kontaminierten Mülls für die Endlagergung bereitstellen, bräuchte dies nicht nur erheblich größere Lagerkapazitäten, sondern vor allem würde das die Rückbaukosten enorm in die Höhe treiben.
„Also hat man sich verschiedene Wege einfallen lassen, billiger davonzukommen. Sie führen auf verschiedene Weise dazu, den Atommüll per Definition zu „nicht mehr Atommüll“ zu erklären, den man billig auf normalen Deponien verscharren, in Baustoffen, im Straßenbelag, auf Kinderspielplätzen und in Zahnspangen unterbringen und dann womöglich vergessen kann.“
Pflugbeil setzt sich detailliert mit den Berechnungs- und Genehmigungsgrundlagen auseinander und zeigt dabei auf, dass mit den Regelungen der Strahlenschutzverordnung letztlich der Schutz für die Bevölkerung vor Radioaktiviät deutlich abgesenkt wird (siehe angegebenen Link und auch hier).
Schon der Abriss der vor Jahren stillgelegten Atomreaktoren in Stade, Obrigheim und auch des 1997 stillgelegten AKW Würgassen findet weitgehend unter diesen seit 2001 geltenden Regelungen statt. Auf Basis dieser Strahlenverordnung wird nun in den nächsten Jahren in großem Maßstab der Abriss der Atomreaktoren stattfinden.
Eine Liste mit weiterführenden Informationen findet sich auf der Seite 100 Gute Gründe gegen Atomkraft

http://www.ippnw.de/print/atomenergie/atom-gesundheit/verborgene-texte… IPPNW: Deklaration von Lesbos zu den mangelhaften Grenzwerten der Internationalen Strahlenschutz-Kommission (ICRP) (engl.)

http://www.strahlentelex.de/_E1_Das_30-Millirem-Konzept_Scholz_R_Seite…pdf Wissenschaftliche und politische Grundlagen des 30-Millirem-Konzepts der Strahlenschutzverordnung
http://web.uni-marburg.de/isem//themen/docs/icrp.pdf „Strahlenschutz: Schutz der Strahlen oder Schutz vor Strahlen?“, Vortrag von Prof. Dr. Wolfgang Köhnlein, Uni Marburg und Otto-Hug-Strahleninstitut
http://www.strahlentelex.de/Stx_05_442_S01-06.pdf „Wie verlässlich sind die Grenzwerte? Neue Erkenntnisse über die Wirkung inkorporierter Radioaktivität“, Vortrag von Prof. Dr. Inge Schmitz-Feuerhake (Uni Bremen und Otto-Hug-Strahleninstitut) auf dem 2. Fachgespräch zur Situation im Atommüll-Endlager Asse II in Wolfenbüttel am 23. April 2005
http://www.aerzteblatt.de/archiv/64886/ Deutsches Kinderkrebsregister erkennt Mängel in den Rechenmodellen zur Abschätzung der Strahlenbelastung an
http://www.ippnw.de/presse/presse-2009/artikel/6e7535c132/deutsches-ki… Pressemitteilung der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) dazu
http://www.gfstrahlenschutz.de/bremen.htm Bremer Erklärung der Gesellschaft für Strahlenschutz (GfS) zur Novelle der Strahlenschutzverordnung 2000/2001
http://www.ippnw.de/presse/presse-2009/artikel/3399e7bc0c/vertrag-zwis… Pressemitteilung der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) zum Knebelvertrag zwischen Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Internationaler Atomenergieorganisation (IAEO) sowie zu den mangelhaften internationalen Strahlenschutzgrenzwerten
http://ausgestrahlt.de/fileadmin/user_upload/Broschueren/atomkraftwerk…pdf Broschüre von den Ärzten gegen Atomkrieg (IPPNW) und .ausgestrahlt mit Fragen und Antworten zum Krebsrisiko rings um Atomanlagen
 

Dirk Seifert

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