Statt Menschenrechte: Uran-Bank in Kasachstan
Ausgerechnet in Kasachstan geht jetzt mit Unterstützung der Bundesregierung die Einrichtung einer ersten „Uran-Bank“ durch die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) über die Bühne. Etwa 150 Millionen US-Dollar, davon 115 Mio Dollar für die Beschaffung von 90 Tonnen Uran mit einem Anreicherungsgrad von bis zu 4,95 Uran235, kostet dieses Projekt. Die EU ist mit insgesamt 25 Mio. Euro beteiligt. Aus der Uran-Bank sollen sich künftig Staaten mit dem Brennstoff für Atomkraftwerke bedienen. Das teilt die Bundesregierung jetzt auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (PDF) mit. Angeblich würde eine solche internationale Uran-Bank dazu beitragen, dass der nationale Bau von Urananreicherungsanlagen – wie im Iran – minimiert werde. In derartigen Anlagen könnte nicht nur Uran für den Einsatz in Atommeilern, sondern auch für atomwaffenfähiges Uran erfolgen.
„Menschenrechte und Demokratie spielen offenbar für die IAEA als auch für die Bundesregierung bei der jetzt vor der Gründung stehenden Uran-Bank in Kasachstan keine besondere Rolle. Der Sinn einer solchen Uran-Bank ist ebenso zweifelhaft, wie der Standort in Kasachstan. Es wird endlich Zeit, dass die Bundesregierung sich weltweit für das Ende von Atomwaffen und das Ende der Atomenergienutzung einsetzt“, so Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomausstieg der Fraktion DIE LINKE.
Die Bundesregierung erklärt in ihrer Antwort, dass mit der Uran-Bank der Bau weiterer Urananreicherungsanlagen – wie im Iran – verhindert werden könnte. In derartigen Anlagen kann nämlich auch atomwaffenfähiges Uran hergestellt werden. Wenn Staaten über die Uran-Bank an den Brennstoff für ihre Reaktoren kommen, würden sie keine solche Anlagen benötigen: „Das Proliferationsrisiko wird dadurch begrenzt, dass die Kenntnis über Technologien zur Urananreicherung auf möglichst wenige Staaten beschränkt bleibt und gleichzeitig der Zugang zu nuklearem Brennstoff für alle IAEO-Mitgliedstaaten gewährleistet ist“, meint die Regierung.
Uranfabriken der URENCO nicht verkaufen!
„Es ist mehr als fraglich, ob Staaten, die unter dem Vorwand der atomaren Stromerzeugung militärische Ambitionen verfolgen, von dem Bau solcher Urananreicherungsanlagen durch diese Uran-Bank abgehalten werden könnten“, stellt Zdebel dazu fest. „Allerdings: Wer die weitere Verbreitung von Kenntnissen über die Urananreicherungstechnik verhindern will, der sollte nicht wie geplant derartige Anlagen wie z.B. der URENCO in Gronau auf dem Weltmarkt verkaufen. E.on und RWE wollen wie auch die weiteren Eigentümer England und die Niederlande die URENCO und ihre Urananlagen in Gronau, Almelo (NL) und Capenhurst (GB) auf dem Weltmarkt verkaufen. Damit werden die Risiken einer Weiterverbreitung dieser Technik begünstigt.“
- Verkauf der Uranfabriken von URENCO – Urananreicherung als „Schlüssel zu Atomwaffen“ (Außenminister Steinmeier, 2007)
- URENCO Uranfabriken: Informiertes Schweigen, ein MoU und eine Uran-Bank
Statt Menschenrechte – Uranbank in Kasachstan
„Die Bundesregierung befürwortet die Wahl Kasachstans als Standort für die internationale IAEO LEU- Bank“, heißt es Lapidar in der Antwort auf die Kleine Anfrage von Zdebel. (LEU, low enrichde Uranium, niedrig angereichertes Uran.) Dabei räumt selbst die Bundesregierung durchaus an anderer Stelle ein, dass es mit Pressefreiheit, Versammlungsrecht und anderen demokratischen Grundrechten in Kasachstan nicht sonderlich gut bestellt ist. Auch der „Umwelt- und Energie-Report“ problematisiert die Ansiedlung ausgerechnet in Kasachstan: „Aber auch die Mitgliedsländer der IEAO, die wie Deutschland dafür gestimmt haben, dass die Atom-„Bank“ in Kasachstan angesiedelt wird, müssen sich zentrale Fragen gefallen lassen. Staatspräsident Nursultan Nasarbajew werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.“ Human Rights Watch kritisiert immer wieder die Lage der Menschenrechte in Kasachstan.
Kasachstan wäre das einzige Bewerberland für diese Uran-Bank gewesen, teilt die Bundesregierung weiter mit. Offiziell habe der IAEA-Gouverneursrat im Dezember 2010 eine solche LEU-Bank beschlossen und bis Ende Mai 2011 hätten Bewerbungsangebote abgegeben werden können.
Uran-Bank soll Weiterverbreitung von Atomwaffen-Technik begrenzen
Die Einrichtung einer solchen Uran-Bank soll angeblich dabei helfen, die millitärischen Risiken bei der Atomenergienutzung zu reduzieren. Für den Betrieb von Atommeilern muss bei nahezu allen Reaktoren das spaltbare Uran 235 im Brennstoff auf bis zu knapp fünf Prozent angereichert werden. Dies erfolgt in Urananreicherungsanlagen, wie sie z.B. die URENCO im westfälischen Gronau betreibt. Natürliches Uran wird solange in Zentrifungen bearbeitet, bis es den gewünschten Anreicherungsgrad erreicht hat. Technisch ist es daher möglich, eine Anreicherung auf über 80 Prozent Uran 235 zu erreichen und damit atomwaffenfähiges Uran zu erzeugen. Daher unterliegen diese Urananreicherungsanlagen besonders strengen Auflagen und gelten als „Dual-Use“-Techniken, die also sowohl für die zivile Stromerzeugung als auch für Atomwaffen genutzt werden können.
Das Auswärtige Amt schreibt auf seiner Homepage unter der Überschrift „Gesicherte Brennstoffversorgung und Multilateralisierung des nuklearen Brennstoffkreislaufs“ zum Thema LEU-Bank: „Die Anreicherung von Uran und die Wiederaufbereitung abgebrannter Brennstäbe sind „dual use“-Technologien: Sie sind wichtig für die Produktion von Brennstäben für zivile Kernkraftwerke, aber auch von großer Bedeutung für den Bau von Kernwaffen. Betreiber von Kernkraftwerken benötigen eine verlässliche Versorgung mit Brennstäben. Die internationale Staatengemeinschaft hat andererseits ein großes Interesse daran, dass dieser zivile Zweck keinen Deckmantel für militärische Absichten bietet. Eine Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufes könnte zu einer noch sichereren Brennstoffversorgung beitragen und gleichzeitig Proliferationsrisiken vermindern, da eine gemeinsame Verantwortung mehrerer Staaten Missbräuchen vorbeugen dürfte.
Die IAEO arbeitet daher derzeit am Aufbau einer „internationalen Brennstoffbank“ („IAEA-LEU-Bank“). Die „LEU-Bank“ soll künftig über eigene Bestände an leicht angereichertem Uran (LEU) verfügen und dieses dann an interessierte IAEO-Mitgliedsstaaten verkaufen können, falls die Brennstoffversorgung nicht in anderer Form gewährleistet kann. Sitz dieser Einrichtung wird Kasachstan. Nach Abschluss der notwendigen Verträge zwischen der IAEO und Kasachstan beginnen nun die konkreten Planungen für die Errichtung dieser „LEU-Bank“.“
Im Mai 2015 hat Kasachstan nun ein „Host State Agreement“ mit der IAEA gebilligt. Am 27. August sollen die Verträge unterzeichnet werden.
In der Antwort auf die Anfrage von Zdebel teilt die Bundesregierung mit: „Die LEU-Reserve der IAEO LEU-Bank steht Mitgliedstaaten der IAEO nur dann zur Verfügung, wenn die Brennstoffversorgung für Kernkraftwerke durch außerordentliche Umstände unterbrochen ist und diese nicht unter Nutzung des kommerziellen Marktes (z. B. Kauf bei URENCO, AREVA o. a.) wieder aufgenommen werden kann. Mit dieser garantierten Zugriffsmöglichkeit auf nuklearen Brennstoff soll Mitgliedstaaten der IAEO Versorgungssicherheit gewährleistet und der Anreiz genommen werden, eigene nationale Anreicherungsfähigkeiten zu entwickeln und aufzubauen.“
Weiter erklärt die Bundesregierung: „Die LEU-Bank steht unter den vereinbarten Voraussetzungen (Unterbrechung der Brennstoffversorgung, Abschluss eines Safeguards-Abkommens mit der IAEO und Erfüllung der diesbezüglichen Verpflichtungen) allen IAEO-Mitgliedstaaten zur Verfügung. Von tatsächlicher Relevanz ist das Angebot der garantierten Versorgungssicherheit für nuklearen Brennstoff für die zivile Nutzung vorwiegend für Länder ohne eigene Anreicherungskapazitäten – das ist die Mehrzahl der IAEO-Mitgliedstaaten. Das Proliferationsrisiko wird dadurch begrenzt, dass die Kenntnis über Technologien zur Urananreicherung auf möglichst wenige Staaten beschränkt bleibt und gleichzeitig der Zugang zu nuklearem Brennstoff für alle IAEO-Mitgliedstaaten gewährleistet ist.“
Auch EU ist an Finanzierung der Uran-Bank beteiligt
Zu den Kosten der Uran-Bank erklärt die Bundesregierung: „Die Errichtung und der Betrieb der IAEO LEU-Bank wird mit freiwilligen finanziellen Beiträgen der IAEO- Mitgliedstaaten realisiert. Für den Aufbau der IAEO LEU- Bank in Kasachstan werden ca. 150 Mio. USD veranschlagt. Die Verwendung ist wie folgt geplant: 15 Mio. USD für Vorbereitungsarbeiten und die Errichtung des Lagerkomplexes, 115 Mio. USD für den Ankauf des LEU auf dem internationalen Markt und ca. 20 Mio. USD für den laufenden Betrieb der LEU-Bank. Am 1. April 20 15 berichtete die IAEO über einen bisherigen Zahlungseingang von 124,9 Mio. USD und 20,1 Mio. Euro. Über weitere 5 Mio. Euro liegt eine Zahlungszusage vor.“
Zum Anteil der EU heißt es in der Antwort: „Die EU hat der IAEO insgesamt 25 Mio. Euro für die IAEO LEU-Bank zugesagt. Davon wurden bisher 20 Mio. Euro aus dem lcSP (Instrument contributing to Stability and Peace; Instrument, das zu Stabilität und Frieden beiträgt) für den Ankauf von LEU an die IAEO überwiesen. Weiterhin wurde eine Zahlungszusage über 5 Mio. Euro für Maßnahmen zur Sicherung der LEU- Bank gegeben. Diese Finanzierung wird aus dem Haushalt für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erfolgen.“