Atommüll bei Vattenfall soll besser geprüft werden
Das haut um: Atommülllager sollen besser gesichert werden. Z.B. indem die Lagerplätze künftig genehmigt werden und die Fässer alle vier Jahre mal hochgehoben werden! Im Vattenfall AKW Brunsbüttel (oder anderen AKW oder Atommülllagern) hatte man das bislang nicht gemacht. Dort hatte Vattenfall vor etwas über zwei Jahren beim Aufräumen im Keller ziemlich marode Atommüllfässer mit leicht- und mittleradioaktivem Inhalt gefunden, der seit den 70er Jahren dort vor sich hingestrahlt hatte. Weil die Strahlung für Menschen zu hoch war, mussten robotergesteuere Verfahren zur Untersuchung der unterirdischen Räume entwickelt werden. Fazit: 145 von 573 geprüften (!) Fässern waren stark beschädigt. Einige der insgesamt 632 Fässer konnten bislang gar nicht geprüft werden.
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„Stärkere Kontrollen durch die Atomaufsicht. Mit strengeren Vorgaben für die Betreiber will Schleswig-Holstein die Sicherheit bei der Zwischenlagerung von schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen erhöhen. Die Überwachung durch die Atomaufsicht setze künftig bereits beim Befüllen der Behälter ein, sagte Energieminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung des Berichts zu Rostschäden an Atommüllfässern in Brunsbüttel. Die Lagerstätten sollen zudem künftig jährlich inspiziert, und alle vier Jahre sollen die Behälter auch von unten kontrolliert werden. Rostschäden ließen sich nach Einschätzung der Experten aber nie ganz verhindern“. So lautet die Zusammenfassung auf RTL.
Eine Expertengruppe – unter anderem mit Beteiligung von Michael Sailer vom Öko-Institut – wurde von der Atomaufsicht in Kiel eingesetzt, die jetzt einen rund 140 Seiten starken Bericht vorgelegt hat, in dem auch beschrieben wird, um welche Arten von Atommüll es sich handelt: „Bericht zu Rostschäden an Atommüllfässern: Energiewendeminister Habeck erweitert Kontrollmechanismen“ (Der Bericht ist hier direkt zum download als PDF).
Der NDR berichtet: „Habeck machte deutlich, auch eine mangelnde Sicherheitskultur beim Betreiber Vattenfall habe zu den Mängeln bei Lagerung und Überwachung geführt. Um die neuen Regeln umzusetzen, muss Vattenfall nach Einschätzung von Jan Backmann, dem Leiter der Atomaufsicht, mit Kosten im Millionenbereich rechnen. Der Generalbevollmächtigte für Norddeutschland bei Vattenfall, Pieter Wasmuth, hofft darauf, dass sich die technischen Mittel zur besseren Kontrolle weiterentwickeln, um die Kosten so gering wie möglich zu halten.“
Dass es verbesserte Maßnahmen im Umgang mit dem Atommüll in den Atomreaktoren gibt, ist natürlich gut und richtig. Dennoch kann man im Grunde nur den Kopf schütteln. Braucht man wirklich eine vermutlich hochdotierte Arbeitsgruppe mit insgesamt neun Mitgliedern (siehe im Bericht), nur um festzustellen, dass man hin und wieder mal ein Atommüllfass hochheben sollte, um nachzusehen, ob vielleicht der Boden durchgerostet ist? Da hätte so ein Chef von einer Atomabteilung eigentlich auch selbst drauf kommen können. Da lässt sich irgendwie schon die Kritik aus der Opposition in Schleswig-Holstein ein wenig nachvollziehen. Der NDR berichtet u.a. von der Kritik an dem relativ geringen Erkenntnisgewinn. Allerdings: Bei der Sicherheit im Umgang mit Atommüll sollte es keine Abstriche geben. Und wenn man sich die „Handlungsempfehlungen“ ansieht, die ab Seite 105 – 118 gegeben werden, dann drängt sich auch die Frage auf: Wie kann so viel Regelungsbedarf übrig sein, wenn dieser Atommüll bereits seit 40 Jahren gelagert wird?
Dokumentation der PM der Atomaufsicht SH:
„KIEL. Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Robert Habeck zieht aus den starken Rostschäden an Atommüllfässern weitere Konsequenzen. So sollen künftig zusätzliche Kontrollmechanismen eingeführt werden. „Das ist für die sichere Zwischenlagerung von schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen erforderlich“ sagte Habeck heute (29. April 2015) in Kiel, wo er den Abschlussbericht einer Arbeitsgruppe zur Vermeidung von Korrosionsschäden vorstellte.
Habeck hatte die Arbeitsgruppe im Oktober 2014 im Zuge der von der Atomaufsicht angeordneten Inspektion der Kavernen des Kernkraftwerks Brunsbüttel eingesetzt. Dabei waren schwere Korrosionsschäden an Fässern mit Verdampfer- und Filterkonzentraten festgestellt worden. In den Fässern werden Abfälle aus dem Betrieb der Kernkraftwerke gelagert.
Habeck: „Zwischenlagerung ist noch Aufgabe für Jahrzehnte“
„Die Zwischenlagerung von schwach –bis mittelradioaktiven Abfällen ist in Schleswig-Holstein eine langfristige Aufgabe für die Betreiber und für das Land. Denn auch wenn das dafür vorgesehene Endlager Schacht Konrad wie vorgesehen 2022 in Betrieb geht, wird die Einlagerung dort sich noch über einen längeren Zeitraum hinziehen. Durch den Rückbau der Atommeiler wird zudem weiterer Abfall hinzukommen“, sagte Minister Habeck. „Korrosion wird sich zwar nie ganz verhindern lassen, aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass solche erschreckenden Schäden wie in den Kavernen in Brunsbüttel nicht noch einmal auftreten.“
Die aus unabhängigen Sachverständigen vom Öko-Institut und dem TÜV Nord sowie aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht zusammengesetzte Arbeitsgruppe hat bis zum März 2015 geprüft und beraten. Dabei hatte sie die Lagerung der Abfälle der drei Kernkraftwerke Brunsbüttel, Krümmel und Brokdorf sowie die Landessammelstelle in Geesthacht unter die Lupe genommen.
„Eine zentrale Ursache der Probleme war: Keiner hat die Zwischenlagerung der schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle als eine langfristige Aufgabe wahrgenommen, weder die Betreiber noch der Staat. Vielmehr gingen alle davon aus, dass bald ein Endlager vorhanden sein würde. Nur, dass dieses „bald“ noch immer nicht da ist“, sagte Habeck. „Diese vermeintliche Perspektive auf ein baldiges Endlager führte zu Fehleinschätzungen. Zudem waren die Regularien für den Umgang mit den Rohabfällen auch nicht auf die zeitliche Dimension von Jahrzehnten ausgerichtet. Die Abfälle blieben länger in den Lager- und Aufbewahrungsstätten als geplant. Es fehlte an einer klaren Zäsur für eine Neubewertung.“
Sonderfall Brunsbüttel: In- und externe Kontrollmechanismen fehlten
Der knapp 140 Seiten starke Bericht weist auf, dass Korrosion als Alterungserscheinung bereits früh auftauchte. Der erste für Schleswig-Holstein bislang ermittelte Fall, bei dem Konzentrat austrat, datiert von 1979 in Brunsbüttel. Auch an anderen Standorten gab es Fässer mit Korrosionserscheinungen. Das Kernkraftwerk Brunsbüttel war aber ein Sonderfall. „Die 2012 bis 2014 vorgefundenen Schäden heben sich von allen sonst anzutreffenden Korrosionserscheinungen quantitativ und qualitativ klar ab. 145 von 573 Fässern waren stark beschädigt“, sagte Habeck.
„Hier kamen eine Reihe von Faktoren zusammen. Nach dem abrupten Einlagerungsstopp für die Asse 1978 wurden die Kavernen kurzerhand zur Lagerstätte umfunktioniert. Eine Zustimmung der Atomaufsicht dazu war den Regularien entsprechend nicht notwendig und wurde nicht erteilt. Dass die Kavernen wegen der schlechten Zugänglichkeit schlecht zu kontrollieren und damit für eine langfristige Lagerung nicht gut geeignet waren, hat man nicht bedacht. Es gab keine regelmäßigen Inspektionen, sie waren auch gar nicht vorgesehen. Es gab auch von Anfang an praktische Probleme mit der Trocknung der Konzentrate, denen technisch nicht begegnet wurde. Hier kann man von Mängeln in der Sicherheitskultur bei den Betreibern des Kernkraftwerks Brunsbüttel sprechen.“, sagte Habeck.
Die Atomaufsicht wurde erst beteiligt, wenn die Abfälle in förmlichen Verfahren endlagergerecht konditioniert – also für ein erwartetes Endlager entsprechend verpackt – wurden. Bis dahin war der Umgang mit den Rohabfällen allein der Betreibersphäre zugeordnet. „Insgesamt fehlten in Brunsbüttel in- und externe Kontrollmechanismen.“,
Habeck machte deutlich, dass von den korrodierten Fässern in den Kavernen keine Gefahr für die Bevölkerung und die Umwelt ausging und ausgeht. „Allerdings gebietet es das Strahlenminimierungsgebot, den Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen auch für die Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten. Verrostete Behälter, bei denen Inhalt austritt, der aufwändig geborgen werden muss, sind unter diesem Aspekt sicherheitstechnisch nicht zu tolerieren.“
Überwachung der Atomaufsicht wird erweitert
Als eine Konsequenz kündigte der Minister an, die Überwachung durch die Atomaufsicht systematisch und umfassend zu erweitern. Den Handlungsempfehlungen des Berichtes entsprechend müsste die Kontrolle künftig bereits beim Befüllen der Behälter einsetzen. Es bedürfe zudem der jährlichen visuellen Inspektion in allen Lagerstätten, die Behälter müssten alle vier Jahre auch von unten kontrolliert werden. Bei der Nutzung oder Umnutzung von Räumlichkeiten für die Lagerung innerhalb des Kontrollbereichs soll künftig die Zustimmungspflicht der Aufsicht erforderlich sein. „Diese Maßnahmen werden wir mit den Betreibern erörtern und dann entsprechend umsetzen.“
Wie viel Zeit zwischen dem Abfüllen der Fässer und der endlagergerechten Konditionierung in Langzeitbehälter vergeht, soll künftig nicht mehr im Belieben des Betreibers stehen. Vielmehr soll eine Höchstlagerdauer in Abstimmung mit der Atomaufsicht, abhängig von Abfallart, -behälter und Lagerort, festgelegt werden.
Ein Lagerstättenkataster, das alle Abfälle erfasst, ist bereits im Zuge des Berichtes entwickelt worden. „Damit ist klar, was wo liegt und in welchem Zustand es ist. Das Kataster wird künftig fortgeschrieben und ausdifferenziert, damit wir als Aufsicht in der Lage sind, bei sich ändernden Randbedingungen – etwa bei weiteren Verzögerungen in der Endlagerfrage – schnell maßgeschneiderte Konsequenzen zu ziehen“, sagte der Leiter der Atomaufsicht, Jan Backmann.
Der Bericht empfiehlt zudem neben einer Reihe von weiteren Maßnahmen eine Stärkung der Rolle der im Auftrage der Atomaufsicht agierenden Sachverständigen. Zudem regt er an, unter anderem eine bundesweit einheitliche Atommülldatenbank zu schaffen und auf Bundesebene eine Informationspflicht der Betreiber festzuschreiben, die sicherstellt, dass bei Auftreten von Schäden die Aufsicht informiert werden muss. „Das werden wir im Bund in den entsprechenden Gremien anstoßen“, sagte Habeck.
Habeck bedankte sich bei den in- und externen Mitgliedern der Arbeitsgruppe. Sie habe unter großem Einsatz 40 Jahre Lagerungspraxis auf den Prüfstand gestellt. „In verhältnismäßig kurzer Zeit, neben allen fortbestehenden Aufsichtsaufgaben und mit einer gesunden Portion Selbstkritik. Es geht dabei nicht um individuelle Fehler und Schuldzuweisungen, sondern darum, das System zu verbessern. Schließlich müssen wir die sichere Zwischenlagerung noch für Jahrzehnte sicherstellen.
Bericht der Arbeitsgruppe „Vermeidung von Schäden bei der Lagerung von Atomabfällen“ bei der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht (PDF, 2 MB, Datei ist nicht barrierefrei)
Kurzfassung des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe „Vermeidung von Schäden bei der Lagerung von Atomabfällen“ bei der schleswig-holsteinischen Atomaufsicht (PDF, 620 KB, Datei ist nicht barrierefrei)
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Ein Gedanke zu “Atommüll bei Vattenfall soll besser geprüft werden”