Wie Energiewende in Hamburg nicht gehen kann: Klimaschutz-Fiasko im Modellquartier „Mitte Altona“
Hamburg und die Energiewende. Das geht nicht wirklich immer zusammen und immer wieder taucht da der Klimakiller-Konzern Vattenfall an Stellen auf, wo man ihn nicht braucht. Jetzt zum Beispiel in dem neuen Wohnquartier „Mitte Altona“. Behilflich ist ihm dabei immer noch zumindest die Spitze der SPD, die sich als Minderheitspartner mit Vattenfall bei der Fernwärme (und dem Stromnetz) verbunden hatte, um eine vollständige Rekommunalisierung wie vom schließlich erfolgreichen Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ gefordert, zu verhindern. Jetzt hat der frühere grüne Umwelt-Staatsrat Christian Maaß im Auftrag von „BZE-Ökoplan“ in einem Gutachten dem Hamburger Senat Rechtsverstöße bei den Verträgen mit Vattenfall zur Wärmeversorgung der „Mitte Altona“ nachgewiesen.
- Das Rechtsgutachten ist hier als PDF beim Hamburg Institut zum download (PDF). Siehe auch beim Hamburger Energietisch.
- Eine weitere Studie unter dem Titel „Mitte Altona – Bei einem der größten Städtebau-Projekte Europas, einem Klima-Modellquartier in Hamburg, bleibt der Klimaschutz auf der Strecke“ von Prof. Dr. Dietrich Rabenstein ist hier zum download.
In einer Pressemeldung nimmt der Hamburger Energietisch zu dem Rechtsgutachten und den Vorwürfen gegen die Stadt Hamburg (und Vattenfall) Stellung: „2011 hatte die Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) angekündigt, die Wärmeversorgung im geplanten großen Klima-Modellquartier „Mitte Altona“ solle möglichst vollständig klimaneutral und regenerativ erfolgen. Mit der Vergabe der kompletten Wärmeversorgung an Vattenfall geschieht nun das Gegenteil. Besonders brisant ist, dass es bei der von Vattenfall geplanten „bilanziellen“ Lieferung von erneuerbarer Wärme in einem großen Fernwärmenetz um einen bundesweiten Präzedenzfall geht.
Vattenfall will die 1600 Wohnungen in der „Mitte Altona“ zu 60 % mit Fernwärme aus einer Anlage in der Müllverwertung Borsigstraße (MVB) versorgen, die seit Kurzem der Stadtreinigung Hamburg gehört, und zu 40 % mit normaler Fernwärme, die überwiegend mit Steinkohle erzeugt wird und daher als klimaschädlich einzustufen ist. Der Arbeitspreis für „Fernwärme Natur Mix“ soll aufgrund der „grünen Eigenschaft“ um 42 % höher sein als der reguläre Fernwärme-Arbeitspreis der Vattenfall Wärme Hamburg (VWH). Die mit der Altholzverbrennung in der Borsigstraße erzeugte Fernwärme wird bereits bisher in das Fernwärmenetz der VWH eingespeist. Eine erhöhte Produktion von Fernwärme aus regenerativen Energien ab dem Bezug der Wohnungen in der „Mitte Altona“ ist laut Auskunft des Senats nicht vorgesehen.
Die beabsichtigte Versorgung des kompletten ersten Bauabschnitts des großen städtebaulichen Projekts „Mitte Altona“ mit dem von Vattenfall vorgesehenen bilanziellen Fernwärme-Mix verstößt gegen den geltenden Bebauungsplan. Das ist eines der Ergebnisse eines umfangreichen Rechts¬gutachtens des früheren grünen Umwelt-Staatsrats Christian Maaß, der heute einer der Partner des Hamburg Instituts ist.
Der Hamburger Senat hat dagegen noch am 2. Juni 2015 in seiner Ant¬wort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Stephan Jersch (LINKE) behauptet, mit der anteiligen Beimischung seines Produkts „Fernwärme Natur Mix“ könne vom Versorger Vattenfall die im Bebauungsplan und im städtebaulichen Vertrag festgesetzte überwiegende Versorgung mit regenerativen Energien erfüllt werden.
Gutachter Maaß stellt einen Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot in Art. 15 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU fest: „Das in Art. 15 EE-Richtlinie statuierte Doppelvermarktungsverbot, das daneben auch aus § 5 UWG folgt, verbietet die doppelte Inanspruchnahme der „grünen Eigenschaft“ von Erneuerbaren Energien.“
Bernd Schwarzfeld, Geschäftsführer des Planungsbüros BZE-Ökoplan, der das Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hat, ergänzt: „Ich erwarte nun vom neuen Senat, dass in Zukunft Vorgänge wie in der „Mitte Altona“, wo die Wärmeversorgung in völlig undurchsichtiger Weise dem Konzern Vattenfall zugeschanzt wurde, verhindert werden.“
Hanne Harder vom Hamburger Wärmedialog: „Das Ergebnis des Rechtsgutachtens des Hamburg Instituts bestätigt die Einschätzung des Hamburger Wärmedialogs. Der Klimaschutz der „Mitte Altona“ wurde wirtschaftlichen Interessen geopfert. Außerdem werden die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner für die Mogelpackung des werbewirksam, aber irreführend betitelten Vattenfall Produkts „Fernwärme Natur Mix“ erheblich zur Kasse gebeten.“
Gilbert Siegler, der Sprecher des Hamburger Energietischs (HET), von dem die zukünftigen BewohnerInnen der „Mitte Altona“ unterstützt werden, weist auf die „9 Forderungen des HET“ an den Hamburger Senat vom 7. Mai 2015 hin. In diesen wird vom neuen Senat gefordert, den Vertrag mit Vattenfall zu annullieren und entsprechend des Volksentscheids eine klimaverträgliche, regenerative und sozial gerechte Wärmeversorgung in der „Mitte Altona“ zu verwirklichen.“
Ein Gedanke zu “Wie Energiewende in Hamburg nicht gehen kann: Klimaschutz-Fiasko im Modellquartier „Mitte Altona“”