Kohle-Heizkraftwerk Wedel statt Klimaschutz: Hamburgs grüner Senator spekuliert über Laufzeitverlängerung
Hamburgs grüner Energie-Senator Jens Kerstan sinniert über längere Laufzeiten für das kohlebefeuerte und extrem klimaschädliche Heizkraftwerk in Wedel, mit dem für den Hamburger Westen die Fernwärme (und Strom) erzeugt wird. Spätestens im Dezember, zur nächsten Aufsichtsratssitzung der Wärme-Gesellschaft, an der Hamburg derzeit noch als Minderheitspartner mit 25,1 Prozent beteiligt ist, müssen endlich Entscheidungen für den Ersatz des alten Heizkraftwerks getroffen werden. Die will der Senator offenbar vertagen. Der BUND reagiert mit Widerspruch auf diese Planspiele: „Die jüngsten Äußerungen der Behörde für Umwelt und Energie zur Laufzeitverlängerung des Kohlekraftwerkes in Wedel werden vom BUND Hamburg zurückgewiesen“, heißt es in einer PM.
Dem NDR sagte Kerstan: „“Es ist schon fast nicht mehr möglich, bis 2019 eine neue Anlage zu errichten. Deshalb werden wir wahrscheinlich um eine Ertüchtigung des Kohlekraftwerks Wedel für wenige Jahre nicht drumherumkommen.“ Es gebe Szenarien, wonach das Kraftwerk mit neuen Investitionen so ertüchtigt wird, dass es bis 2021 noch betrieben werden kann.“
Dem widerspricht Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg: „Schon jetzt eine längere Laufzeit für das alte Kraftwerk hoffähig zu machen, zäumt das Pferd von hinten auf. Jeder Monat, den das alte Kohlekraftwerk länger läuft, ist schlecht für den Klimaschutz. Es braucht jetzt eine klare Ansage des Senats, wie das Kraftwerk Wedel ersetzt werden soll. Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch.“
- Die Debatte um den Ersatz des kohlebefeuerten Heizkraftwerks in Wedel stehen auch im Zusammenhang mit dem Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“, nachdem die Rekommunalisierung auch der Fernwärme umgesetzt werden muss. Der damalige SPD-Senat hatte auf Basis seiner Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent nach dem Volksentscheid im September 2013 eine Kaufoption erst für 2018/19 mit Vattenfall vereinbart. Der Grund für diese verzögerte Übernahme durch die Stadt war das Ansinnen von Bürgermeister Olaf Scholz, Vattenfall solle noch ein Ersatzheizkraft in Wedel errichten. Ohne dieses Ansinnen von Scholz wäre eine vollständige Übernahme der Fernwärme von Vattenfall bereits für das Jahr 2017 möglich gewesen. Volksentscheid Unser Netz: SPD-Senat verzögerte Fernwärme-Übernahme von Vattenfall
- Eine Verzögerung beim Bau einer Ersatzanlage für das alte Heizkraftwerk in Wedel könnte auch Folgen für die Umsetzung des Volksentscheids haben. In den Verträgen, die die Rückkaufoption der Stadt regeln, ist das Heizkraftwerk und dessen Ersatz von maßgeblicher Bedeutung, auch hinsichtlich des Rückkaufpreises und zeitlicher Regelungen. Daher drängen die Äußerungen von Kerstan die Frage auf: Was passiert mit der Rekommunalisierung der Fernwärme?
Weiter heißt es in der PM des BUND: „Der Umweltverband favorisiert insbesondere die Nutzung industrieller Abwärme und die Entwicklung des Standortes Stellingen (ehemals MVA Stellinger Moor) für die Fernwärmeversorgung. Diese Optionen sind auch in dem erst vor kurzem veröffentlichen BET-Gutachten als machbar benannt worden. Da das Unternehmen Vattenfall nun nach jahrelanger Verweigerung endlich die Netzdaten herausgeben hat, können zudem die Optimierungspotenziale des Fernwärmenetzes beurteilt werden. Vor diesem Hintergrund hält der BUND eine grundlegende Entscheidung bis Ende des Jahres 2015 für erforderlich. Dies sehen übrigens auch die Verträge zwischen Vattenfall und der Stadt so vor.
Dem Neubau großer fossiler KWK-Anlagen wie noch in der letzten Legislaturperiode vom Senat favorisiert, erteilt der BUND eine klare Absage. Die Investition in große Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wäre ökonomisch nur durch langjährige Subventionen auf Kosten der Steuerzahler darstellbar. Darüber hinaus wäre ein Neubau aufgrund der kontinuierlich wachsenden Windstrommengen in Norddeutschland auch ökologisch unsinnig.“
Die auf dem Tisch liegenden CO2-verringernden Alternativen wurden allesamt von den NGOs im Wedel-Nachfolgebeteiligungsverfahren eingebracht und vom Vorgängersenat weitgehend ignoriert. Der beauftragte Gutachter dürfte im Verfahren immer nur dann ein bisschen sich mit den NGO Vorschlägen beschäftigen, wenn der öffentliche und mediale Druck zu groß wurde.
Das ändert sich nun langsam und das ist gut so. Daher brauchen wir Zeit um z.B. die bislang von Vattenfall verweigerten Daten ( ein Unding! ) auszuwerten und die Alternativen neu zu bewerten und vor allem drei Punkte erstmals substantiell zu überprüfen:
1. welche Netzverstärkungen und Netzoptimierungen können dazu führen, dass der verbleibende Fernwärmebedarf im Westen der Stadt von weiter östlich gelegenen Erzeugungseinheiten gedeckt werden?
2. Wie hoch ist der tatsächliche Wärmebedarf in 2015 und in 2020? (Man glaubt es kaum. Diese Frage hat das Gutachten nicht beantwortet. Es beziffert lediglich einen selbst geschätzten „KWK Bedarf“. Ob KWK Anlagen aber überhaupt die Lösung sind ist mehr als fraglich, auch nach der kommenden KWK Novelle)
3. Welche CO2-Reduktionen sind sofort ab 2016 möglich und zu welchen Kosten, die den Gewinn von ca. 60 Mio p.a. etwas reduzieren würden? Dazu wäre bei den existierenden und gerade im Bau (z.B. Im Haferweg)befindlichen Wärmeerzeugungsanlagen lediglich die Einsatzreihenfolge zu ändern.
Und ebenso muss der Senat nun neue Kaufverhandlungen mit Vattenfall Europe aufnehmen mit dem Ziel, die Fernwärme bereits zum 1.7.2015 zu 100% zu übernehmen.
Das Übernahmedatum muss natürlich 1.7.2017 lauten im letzten Satz meines letzten Kommentars. Es werden auch dann keine Gewinnsteuern durch die vom Senat in 2012 verursachte Aufspaltung der VWH fällig. Immerhin eine mittlere 3stellige Mio.Summe. Daraus lässt sich ableiten, dass die Gewinne der Fernwärme im letzten Jahrzehnt noch deutlich höher waren und nach und nach erhebliche Stille Reserven angehäuft wurden.