Bohrschlammskandal in NRW ohne Ende
Der Giftmülltourismus von Bohrschlämmen aus der Erdöl- und Erdgasindustrie Niedersachsens nach NRW nimmt kein Ende. Und jetzt zeigt sich: Umweltminister Remmels Moratoriums-Ankündigung ist wie eine Seifenblase geplatzt.
Bereits im April 2016 wurde bekannt, dass gefährliche Bohrschlämme aus der niedersächsischen Öl- und Gasindustrie in Hünxe und in Altenberge bei Münster in NRW deponiert wurden. Das ganze Ausmaß des Giftmülltourismus wurde jedoch nicht offengelegt.
Im April kündigte NRW-Umweltminister Remmel aber immerhin auch an, er wolle den Import von Bohrschlämmen aus Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen vorläufig stoppen. Zweifel an dieser Ankündigung waren damals schon angebracht: Denn statt Klarheit zu schaffen, kündigte die NRW-Landesregierung zeitgleich in einem Bericht zur Entsorgung der Bohrschlämme aus der niedersächsischen Öl- und Gasindustrie weiteren Giftmülltourismus an. Die NRW-Landesregierung stellt darin die Annahme weiterer 200.000 Tonnen an gefährlichen Bohrschlämmen aus der niedersächsischen Öl- und Gasindustrie auf der Deponie Hünxe-Schermbeck nach einer Schamfrist in Aussicht. Demgegenüber stehen jedoch keine konkreten Zusagen der niedersächsischen Landesregierung für eine zukünftige standortnahe Entsorgung. Das ist eine Bankrotterklärung. Über die Fehler der Vergangenheit wird wie selbstverständlich hinweggegangen. So wurden lediglich aufgrund der Berichterstattung des WDR und in anderen Medien intensivere Kontrollanalysen der Bohrschlämme, die auf die Deponie Hünxe-Schermbeck gelangt sind, vorgenommen. Hier hätte bereits mit der ersten Anlieferung konsequent gehandelt werden müssen. Gleiches gilt für die radiologischen Untersuchungen. Spätestens seit Beginn der Debatte um Fracking ist bekannt, dass Bohrschlämme radioaktiv belastet sein können und ein Untersuchungsbedarf besteht. Aus diesen Defiziten wurden im Bericht jedoch keine Schlussfolgerungen gezogen. Der Bericht machte zudem deutlich, dass der Landesregierung der Giftmülltourismus nach Nordrhein-Westfalen egal war. Obwohl das Kabinett Kraft seit 2010 im Amt ist, gab es immer wieder Transporte von Bohrschlämmen nach NRW. Aktivitäten, dies zu unterbinden, existierten nicht.
Neuester Bericht von Remmel zeigt: Bohrschlamm-Moratorium geplatzt
Inzwischen ist klar: Die Ankündigung Remmels, er wolle den Import von Bohrschlämmen aus Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen vorläufig stoppen, ist wie eine Seifenblase geplatzt. Das von ihm angekündigte Moratorium wird es nicht geben, stattdessen soll jetzt noch zusätzlicher Bohrschlamm in NRW abgelagert werden.
Das geht aus dem jüngsten Schreiben von Remmel vom 9.5.2016 an den Umweltausschuss des Landtags in NRW hervor, dem eine Gemeinsame Erklärung von Umweltministerium NRW mit den Unternehmen ENGIE E&P Deutschland GmbH (einem Nachfolger von GDF Suez), Arge K * R BBD Erika und der Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH angefügt ist.
Diese nun veröffentlichte Bohrschlamm-Erklärung hat es in sich: Sie dokumentiert eine Unterwerfung unter Konzerninteressen, die bereits durch die Form des Dokuments (gemeinsame Erklärung) deutlich wird. Damit hat Remmel seine Rolle als Kontrollinstanz der Gaskonzerne aufgegeben und ist ihr williger Partner geworden. Dies wird auch inhaltlich deutlich. Statt die weitere Verbringung von Schlämmen aus der Grube „Erika“ zu verhindern, stellt das NRW-Umweltministerium nun die Verbringung von gefährlichen Abfällen aus mindestens zehn weiteren Bohrschlammgruben in Aussicht. Dies ist genau das Gegenteil eines Importstopps. Die Transporte nach Hünxe sollen zudem lediglich um bis zu 25 % wöchentlich gesenkt werden. Da die Gesamtmenge gleich bleiben wird, wird lediglich die Dauer der Anlieferung zeitlich gestreckt.
Zu den Gesprächen mit Niedersachsen berichtet das NRW-Umweltministerium nichts Neues. Der Politik der niedersächsischen Landesregierung aus SPD und Grünen, ihre Entsorgungsproblematik auf Nordrhein-Westfalen abzuwälzen, setzt Remmel keinen Widerstand entgegen.
Und als wäre dies nicht genug, versucht das NRW-Umweltministerium in der gemeinsamen Erklärung, den Giftmüllimport als „alltägliches Geschäft“ zu bagatellisieren. Es ist skandalös, dass in dem Papier der Sorge um die „Akzeptanz von Sonderabfalldeponien in NRW“ Ausdruck gegeben wird, während die Sorge um die Gesundheit der Menschen und der Schutz der Umwelt keinerlei Erwähnung finden.
Die Bundesregierung und die NRW-Landesregierung versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die Entsorgung gefährlicher Bohrschlämme geordnet auf Giftmülldeponien erfolgt. Doch allein schon das Beispiel in Altenberge zeigt, dass dies nicht so ist. Wenn eine Haus- und Gewerbemülldeponie der Bohrschlammentsorgung dient, kann von einem umweltverträglichen Umgang mit Abfällen nicht mehr die Rede sein. Die Fakten müssen endlich auf den Tisch. Die Landesregierung ist aufgefordert, die Kumpanei mit Öl- und Gasförderunternehmen sowie Entsorgern aufzukündigen und einen Annahmestopp von Bohrschlämmen in NRW durchzusetzen. Den Gefahren der Öl- und Gasförderung im Bereich der Entsorgung muss endlich Rechnung getragen werden.
Thema Fracking wird komplett ausgeblendet
Einen zentralen Bereich der Bohrschlammproblematik hat die NRW-Landesregierung zudem ganz ausgeblendet. Die Landesregierung schweigt zum Thema Fracking. Aber gerade Niedersachsen ist eines der Bundesländer, die am stärksten auf die Verabschiedung des Pro-Fracking-Rechts der Bundesregierung drängen. Die geschätzten 25 bis 35 Millionen Tonnen gefährlicher Bohrschlämme, die beim Fracking anfallen, könnten dann alle Restkapazitäten der NRW-Deponien füllen und damit zu einem Entsorgungsnotstand in NRW führen. Bevor Niedersachsen auf Unterstützung bei der Entsorgung von bisher angefallenen Bohrschlämmen setzen kann, muss die dortige Landesregierung daher einen ausnahmslosen Verzicht auf Fracking erklären.
Dieser Artikel erschien zuerst im Linksletter der LINKEN. NRW