Atomkonzerne trotz Klagen gestärkt in der Atommüll-Kommission – AG5 durch die Hintertür

Sommer-Jaeger-2015
Gemeinsame Vorsitzende einer Ex-Ad-hoc-AG und nun AG5 der Atommüll-Kommission: Jörg Sommer (Deutsche Umwelt-Stiftung) und Gerd Jäger, RWE, Deutsches Atomfortum (© Andrè Laaks, RWE AG)

Für die Vertreter der Atomunternehmen haben sich die Arbeitsbedingungen in der vom Bundestag eingesetzten Atommüll-Kommission in den letzten Monaten verbessert. Das ist das Ergebnis eines Antrags der Deutschen Umwelt-Stiftung bzw. ihres Vertreters Jörg Sommer. Fulminant hatte er im Frühjahr beantragt, die Vertreter von RWE und E.on sollten sich aus der Kommission verabschieden, wenn diese ihre Klagen gegen das Standortauswahlgesetz, Arbeitsgrundlage der Kommission, nicht zurückziehen würden. (Pressetext der Kommission) Das Ergebnis bis heute: Gerd Jäger von RWE und auch Sommer sind zu Vorsitzenden einer als Ad-hoc-AG „EVU-Klagen“ bezeichneten Gruppe aufgestiegen, die nunmehr sogar als AG5 läuft. Nun dürfen sie auch in der von Sommer ehemals als Geheimkreis außerhalb der Geschäftsordnung bezeichneten Runde der AG-Vorsitzenden mitspielen.

Man darf es wohl ohne jede Übertreibung als mindestens kurios bezeichnen, wie dieses Kunststück für die Atomvertreter in der Kommission gelungen ist. Aus der breiten Empörung über die Klagen gegen die das Zwischenlager in Gorleben und die WAA-Rücktransporte betreffenden Passagen der Atomunternehmen wird im Ergebnis eine Stärkung der Atom-Konzerne, mit der sie durch die Einrichtung einer zunächst Ad-hoc-AG und inzwischen als AG5 bezeichneten Gruppe einen Vorsitz erhalten und damit in die Runde der AG-Vorsitzenden aufrücken.

Noch im Februar hatte Jörg Sommer diese Runde der Vorsitzenden in seinem Blog als „Neues Geheimgremium der Kommission“ bezeichnet und drastisch gefragt: „Ende der Transparenz?“ Heftig kritisierte er dort: „Denn so ganz nebenbei hat man in der Kommission, ohne jede Grundlage im Gesetz oder der Geschäftsordnung ein neues unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagendes Gremium etabliert: Die so genannte Vorsitzendenrunde, willkürlich gebildet aus den Vorsitzenden der Kommission und der Arbeitsgruppen (und möglicherweise, aber nicht überprüfbaren weiteren Beteiligten) soll konkrete Absprachen treffen. Zum Beispiel zur konkreten Umsetzung von Beteiligungsmaßnahmen, aber nun wohl auch (da es kein Mandat gibt, gibt es auch keine belegbaren Aufgaben) zum „Umgang mit den Klagen der Energieversorger“.“
Nicht, dass sich an den vorgetragenen Kritikpunkten bzw. den Rahmenbedingungen oder der geübten Praxis irgendwas geändert hätte, seit Sommer und Jäger Mitglieder dieser Runde sind. Dabei hatte Jörg Sommer, als er noch nicht Mitglied der Runde war, hammerharte Vorwürfe:

  • „Welche Tagesordnung diese „Vorsitzendenrunde“ genau hat? Wir wissen es nicht. 
  • Wann sie wo tagt? Wir wissen es nicht. 
  • Mit wem sie über was diskutiert? Wir wissen es nicht. 
  • Ob sie gar mit den Vertretern der Atomlobby direkt einen Kompromiss aushandelt? Wir wissen es nicht. 
  • Ob es Protokolle der geheimen Treffen gibt? Wir wissen es nicht.

Wir wissen aber: Weder die Öffentlichkeit noch bestimmte Kommissionsmitglieder, wie zum Beispiel ich als Bürgervertreter in der Kommission, sind eingeladen.“ Schnee von gestern, offenbar.
EVU-Klagen? War das was?
Zur eigentlichen Frage, wie denn nun mit den EVUs und ihren Klagen gegen das Standortauswahlgesetz in der Kommission künftig umgegangen werden soll, hat die ehemalige Ad-hoc-AG unter dem Vorsitz von Sommer und Jäger bislang nichts abgeliefert.

  • Update: Wie es um die Frage einer gemeinsamen Bewertung der EVU-Klagen durch die Kommission derzeit steht, wird auch an diesem Beispiel deutlich: In einer gemeinsamen Beschlussvorlage (Drs 115, PDF) der AG2-Vorsitzenden (Evaluation) hatten Klaus Brunsmeier und Hubert Steinkemper zur Rückführung des Atommülls aus der WAA der Kommission für die Sitzung am 3. Juli u.a. folgendes vorgelegt. Zunächst sollte anerkannt werden: „Die Kommission begrüßt, dass die EVUs dieses Konzept grundsätzlich unterstützen und ein Ruhendstellen der Klagen im Hinblick auf § 9a Absatz 2a Atomgesetz beantragen.“ Dennoch aber sollte der Beschluss festhalten: „Die Kommission fordert die EVUs auf, so schnell wie möglich diese Klagen und auch die parallel eingereichte Verfassungsbeschwerde zurückzunehmen“. Mit den Stimmen der Atomvertreter wurde dieser zweite Satz mehrheitlich gestrichen! Berücksichtigt man dies und die bisher völlig fehlenden Vorschläge aus der ehemaligen ad-hoc-AG lässt sich leicht ausmalen, wohin die Reise in dieser Frage geht. Dies wird um so klarer, wenn man das folgende zur Kenntnis nimmt….

Was sie aber geliefert haben, ist das bereits erwähnte Papier mit dem „Beschlussvorschlag der AG 5 zum Umgang mit Konflikten im Endlagersuchverfahren„. Das – so hatte Jäger jüngst in der Kommissionssitzung bester Laune vorgestellt – sei wesentlich von Sommer verfasst und hat inzwischen mehrheitlich die beschlossene Kenntnisnahme durch die Kommission erlangt. Mit diesem Papier verbunden ist, dass es nun auch Einfluss auf die Formulierung des Leitbilds der Kommission (dafür ist eine andere Ad-hoc-AG zuständig) haben soll.
Nicht nur Klaus Brunsmeier vom BUND ist über dieses Papier stinksauer. Auch Hubertus Zdebel (*) kritisierte das Werk scharf. Denn darin ist Eingangs zu lesen: „Der breite gesellschaftliche Konsens wird nur möglich sein, wenn alle Beteiligten im
Verlauf des Prozesses Positionen und Verhaltensweisen überdenken. So stellt sich
für die Gegner der Atomenergie die schwierige Herausforderung eines
Kulturwandels vom Kampf um den Atomausstieg zur Wahrnehmung von
Mitverantwortung beim Umgang mit den Hinterlassenschaften. Die bisherigen
Befürworter sind gefordert, ihrem Bekenntnis zum definitiven Atomausstieg ein
entsprechend glaubhaftes Handeln, auch im Ringen um einen gesellschaftlichen
Konsens im Umgang mit den Hinterlassenschaften des Atomzeitalters folgen zu
lassen.“
Aha! Da ist die Anti-Atom-Bewegung, die da irgendwas machen muss. Da sind die Konzerne, die auch irgendwas machen sollen. Die einen auf der gleichen Ebene wie die anderen. So trägt jeder sein Schärflein bei – oder auch nicht. Und so sind alle irgendwie doch gleich in dem Konflikt, irgendwie.
Auch ein weiterer Satz dürfte bei den Anti-Atom-Initiativen für richtig gute Laune sorgen. Darin werden die Klagen von Atomkonzernen für Schadensersatz und gegen das Standortauswahlgesetz in einer sehr einfachen Formel mit Klagen von Umweltorganisationen für mehr Sicherheit bei AKWs oder dem Umgang mit Atommüll in einem Satz auf die gleiche Ebene gestellt: „Anhängige Klagen von Akteuren wie Energieversorger und Umweltorganisationen“, heißt es da ganz einfach.
In der Auflistung zu den Problemen einer „Debatte in einem historisch und aktuell sehr konfliktbeladenen Umfeld“ findet sich „Uneinigkeit in der Umweltbewegung über die Beteiligung am Endlagersuchprozess“ auf gleicher Ebene wie die „Sorge um die Krisenfestigkeit und den ausreichenden Umfang der Rückstellungen“ für die Kosten der Atommülllagerung. Da braucht man nicht mehr viel Fantasie, wo die ehemalige Ad-hoc-AG  als neue AG5 unter den Vorsitzenden Sommer/Jäger in der eigentlichen Frage der EVU-Klagen landen dürfte. Jeder hat ja so seine Probleme!
(*) Der Autor dieses Textes ist wissenschaftlicher Mitarbeit im Büro des Abgeordneten Hubertus Zdebel.
Nochmal zum BUND. Dort ist zu diesem Papier zu lesen: „Beschlussvorlage der Ad-hoc-AG „EVU-Klagen“

Die Ad-hoc AG „EVU-Klagen“ (EVU = Energieversorgungsunternehmen) war von der Kommission eingerichtet worden, um einen Vorschlag zum Umgang mit den von den AKW-Betreibern eingereichten Klagen gegen den Atomausstieg und gegen Regelungen des Standortauswahlgesetzes vorzuschlagen. Dieser Vorschlag liegt leider immer noch nicht vor. Stattdessen legte die AG ein allgemeines Papier zum „Umgang mit Konflikten im Endlagersuchverfahren“ vor.

Es wurde von mehreren Kommissionmitgliedern angemahnt, dass die AG schnell auch einen Vorschlag zu ihrer eigentlichen Aufgabe vorlegen muss. Der Nutzen des nun vorgelegten Papiers bleibt etwas unklar. Es wurde von einigen Kommissionsmitgliedern, auch vom BUND, vor allem wegen einzelner Formulierungen scharf kritisiert. So wird in dem Papier gesagt, dass „sich für die Gegner der Atomenergie die schwierige Herausforderung eines Kulturwandels vom Kampf um den Atomausstieg zur Wahrnehmung von Mitverantwortung beim Umgang mit den Hinterlassenschaften“ stellt. Der BUND sieht die Verantwortung für den Atommüll klar bei den Abfallverursachern. Und für einen verantwortlichen Umgang mit dem Atommüll ist die Anti-Atom-Bewegung schon immer eingetreten, dies muss sie nicht lernen.

Auch wird in dem Papier gesagt, dass „anhängige Klagen von Akteuren wie Energieversorgern und Umweltorganisationen zu einem aktuell sehr konfliktbeladenen Umfeld gehören“. Diese Gleichsetzung weist der BUND zurück. Wenn es Klagen von Umweltverbänden gibt, dann geht es um das Sicherheitsinteresse der Bevölkerung. Dies darf nicht mit den Klagen der AKW-Betreiber gleichgesetzt werden, deren Notwendigkeit die EVUs mit aktienrechtlichen Vorschriften rechtfertigen.

Trotz dieser Kritik des BUND konnte das Papier nicht erneut in die AG verwiesen werden, sondern wurde von der Kommission in einer etwas unübersichtlichen Abstimmung dann auf einmal mit großer Mehrheit (2 Gegenstimmen) „zur Kenntnis genommen“.“

Dirk Seifert

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