Atommüll-Kommission, ein Umweltverband und unverantwortliche Kommentare
Noch letzte Woche schreibt die Tagesspiegel-Journalistin Dagmar Dehmer, wie „die Atomkonzerne Kompromisse in der Endlagerkommission blockieren“ und nennt das Kollisionskurs. Nach der Pressekonferenz des BUND am letzten Freitag zum Stand der Dinge in der Kommission kommentiert die ehemalige Vorstandssprecherin der Grünen Baden-Württemberg nun, „warum der BUND verantwortungslos handelt„. Mit Maximalforderungen gehe der ins Rennen, und „der Mut zum Kompromiss“ würde dem Verband abhanden kommen, meint Dehmer. Ja, was ist denn da los? (*)
Dehmer verweist in dem Kommentar darauf, dass viele Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen ihre Mitarbeit in der Kommission verweigerten, während der BUND „Klaus Brunsmeier, den Vize-Präsidenten des Umweltverbands in die Kommission“ schickte.
„Doch nun pfeift ihn sein Verband zurück“, schreibt sie, ohne zu erwähnen, dass die damalige Entscheidung auch im BUND heftig umstritten war. Vor allem aber: Der BUND hatte Ziele formuliert, die er in der Kommission erreichen wollte und dafür hat er Brunsmeier ein Mandat erteilt. „Am Freitag stellte der BUND sieben ultimative Forderungen auf, ohne deren Umsetzung im Abschlussbericht Brunsmeier seine Zustimmung verweigern soll. Der Ausschluss von Gorleben und die Verankerung des Atomausstiegs im Grundgesetz gehören dazu.“
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom BUND genannten (sieben) Punkten erfolgt nicht. Auch nicht in einem nebenstehenden Artikel (jedenfalls ist online nichts dazu verfügbar). Es geht der Journalistin in ihrem Kommentar offenbar lediglich um eine vermeintliche „Verhandlungs-Logik“, die da lautet: Irgendwie müssen ja Kompromisse herauskommen. Ob das am Ende irgendwie weiterhilft oder gar der Sache gerecht wird, scheint da keine sonderliche Rolle zu spielen.
„Zwei Wochen vor Toresschluss die Geschäftsgrundlage in Frage zu stellen, ist politisch verantwortungslos. Und zeigt wohl vor allem eines: Im aktuellen politischen Klima lassen sich nicht einmal Eine-Million-Jahres-Fragen wie die sichere Lagerung des Atommülls kurzfristigen politischen Spielchen entziehen. Schade drum.“
Durchatmen: Hatte der BUND nicht immer betont, dass er das StandAG – in dem Partei- und Fraktionsspitzen diesen Deal mit Gorleben reingeschrieben hatten – nicht akzeptiert? War nicht allen Beteiligten klar, dass nur die Möglichkeit, dass gesamte StandAG zu evaluieren, für den BUND eine Möglichkeit bot, sich zu beteiligen? Es ging dem BUND – und einigen anderen – ja genau darum, diese Geschäftsgrundlage zu verändern – nicht nur an diesem Punkt. Und wie war das noch: Hatten nicht Grüne vor allem damit gelockt, dass die Kommission mit Kriterien für die Suche dafür sorgen werde, dass Gorleben aus dem Verfahren ausscheiden würde?
Und: Nicht erst das „aktuelle politische Klima“ verhindert ein Vorwärtskommen in dieser „Eine-Million-Jahres-Frage“. Schon seit 40 Jahren ist diese Frage mit der Antwort Gorleben von Konzernen und Politik mit massiver Polizeigewalt gegen breiten Widerstand versucht worden, durchzusetzen. Gerade deshalb ist das ja so ein großes Thema.
Es soll einen gesellschaftlichen Konsens bei der Suche nach einem „Endlager“ geben. Wie aber stellt sich die Journalistin des Tagesspiegels denn vor, dass es diesen mit Gorleben im weiteren Verfahren geben kann? Ein bisschen Gorleben gibt es ebensowenig wie ein bisschen schwanger.
Wie kann Vertrauen hergestellt werden in einem Konflikt, in dem Atomkonzerne Anfang der 2000er Jahre einen „Konsens“ mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung zum Atomausstieg unterschreiben, um nur wenige Jahre danach die Laufzeitverlängerung zu fordern (und sie zunächst auch zu bekommen)?
„Nur“ Fukushima sorgte für einen Wandel und für den jetzigen Ausstieg. Ist es da nicht nur logisch, wenn eine Anti-Atom-Bewegung, zu der der BUND nun mal gehört, eine Verfassungs-Regelung, die machbar wäre, verlangt?
So könnte ein Wiedereinstieg in die Atomenergie nur per Zweidrittel-Mehrheit wieder möglich werden. Eine solche Regelung könnte in der Tat bringen, was es braucht: Vertrauen. Aber genau hier verweigern sich in der Kommission zum großen Teil diejenigen, die vor Fukushima noch für eine Laufzeitverlängerung stritten. Es fehlt in der Kommission das, was nicht nur der BUND immer wieder verlangt hatte: Eine Aufarbeitung der Fehler der Vergangenheit.
Der BUND hat klare Zeile und Forderungen in der Frage der Atommülllagerung, die jeder im Vorfeld nachlesen konnte. Genau für diese hat Klaus Brunsmeier mit seinem Mandat einer basisdemokratischen Umweltorganisation in der Kommission gestritten und viele, viele wichtige Punkte eingebracht.
Das Ergebnis der Kommission muss nun bilanziert werden, inhaltlich und in den Gremien, die Klaus Brunsmeier mit dem Mandat ausgestattet haben. Ein verdammt demokratischer Vorgang eigentlich.
- Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der aktuellen Bilanz und Bewertung des bisherigen Stands der Kommission, die der BUND während der PK vorgelegt hat, ist hier als PDF.
Vor einigen Wochen hatte Dehmer sich der „Gorleben-Debatte“ in der Kommission angenommen, nachdem ein Michael Müller, dem Co-Vorsitzenden, zugeschriebenes Papier zu dem Vorschlag kam: „Gorleben ist politisch nicht durchsetzbar“. Siehe dazu auch diese beiden Texte:
- Atommüll-Kommission: „Intensive Debatte über Gorleben“
- BUND über Gorleben-Debatte, andere „Kleinigkeiten“ mit Atommüll und der Tagesspiegel entdeckt Eitelkeiten
(*) Der Autor dieses Textes ist Mitglied im BUND und arbeitet für den MdB Hubertus Zdebel!
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