In Hamburg sagt man Tschüss Kohle – Volksinitiative startet nächste Woche

In Hamburg sagt man Tschüss Kohle – Volksinitiative startet nächste Woche

Klimaschutz in Hamburg? Mehr als 60 Prozent der Hamburger Fernwärme wird immer noch mit klimaschädlicher Kohle erzeugt. Das soll sich jetzt durch eine Volksinitiative (VI) ändern, die in der nächsten Woche für den Kohle-Ausstieg an den Start gehen will. (Siehe dazu „Bild“.) Bislang fast 30 Initiativen und Organisationen streben an, dass Hamburg in der Wärmeversorgung ab 2025 keine Kohle mehr einsetzt. (Foto: Vattenfalls Kohlekraftwerk Moorburg)
Dazu wird die VI Tschüss Kohle einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zur Abstimmung stellen. Ist der erste Schritt der VI mit 10.000 Unterschriften (innerhalb von max. sechs Monaten) erfolgreich, könnte der rot-grüne Senat bzw. die Bürgerschaft sich mit der Volksinitiative verständigen, dieses Gesetz zu übernehmen. Hamburgs Grüner Umweltsenator Jens Kerstan hatte jüngst entsprechende Pläne für den Kohleausstieg in der Fernwärmeversorgung bis 2025 vorgestellt, die aber auf massiven Widerstand beim noch Fernwärme-Mehrheitseigentümer Vattenfall stoßen. Vattenfall will erzwingen, dass das Kohlekraftwerk Moorburg in die Fernwärme einspeisen soll. Damit würden erneuerbare Energien und der Klimaschutz langfristig ausgebremst.
Im rot-grünen Koalitionsvertrag (PDF) für den Senat der Hansestadt ist klar geregelt: „Ein Neuanschluss kohlegefeuerter Erzeugungsanlagen an städtische oder andere Wärmenetze wird von der Koalition weder angestrebt noch unterstützt. Dies gilt insbesondere für die sogenannte Moorburgtrasse.“ (S. 67, der Vertrag ist hier auch auf diesem Server zum download)

Die genauen Pläne will das Bündnis von „Tschüss Kohle“ in der nächsten Woche präsentieren und mit der Unterschriften-Sammlung beginnen. Gegenüber „Bild“ erklärte die Sprecherin des VI-Bündnisses: „Die Ini „Tschüss Kohle“ will durch einen Gesetzentwurf absichern, dass der Senat bis 2025 die Kraftwerke Wedel und Tiefstack abschaltet, das Werk in Moorburg nicht an die Fernwärme anschließt.“
Auch der NDR Hamburg meldet heute: „Neue Volksinitiative gegen Kraftwerk Moorburg“ und berichtet kurz: „Die Kohlekraftwerke in Wedel und Tiefstack sollen bis 2025 vom Netz genommen und das Kraftwerk Moorburg nicht an das Fernwärmenetz angeschlossen werden. Das sind die Forderungen einer neuen Volksinitiative, die für Hamburgs Ausstieg aus der Kohleindustrie kämpft. Unterstützt wird die Initiative „Tschüss Kohle“ von verschiedenen Umweltverbänden. Ihr Ziel ist, den Kohle-Ausstieg gesetzlich festzuschreiben. Dafür will die Initiative zunächst 10.000 Unterschriften sammeln. (Sendedatum NDR 90,3: 14.02.2018 11:00)
Energienetzbeirat Hamburg für Kohleausstieg und gegen Vattenfalls Moorburg-Wärme
Auch der nach dem Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ etablierte Energienetzbeirat (ENB) hatte sich im Dezember in einer Stellungnahme hinter die Pläne der Umweltbehörde gestellt und sich gegen einen Einsatz von Moorburg ausgesprochen: „Der ENB rät dem Hamburger Senat, auf Grundlage der bestehenden Planungen dafür Sorge zu tragen, dass eine Einbindung des Kohlekraftwerks Moorburg an das Hamburger Fernwärmesystem nicht erfolgt und die klimapolitischen Zielsetzungen erfüllt werden.“
Diese Stellungnahme hatten die Vertreterinnen der Bürgerschafts-Fraktionen von SPD und Grünen unterstützt, außerdem zwei der drei Gewerkschaftsvertreter von der IG Metall und Verdi. Ebenso unterstützten diese Stellungnahme die Vertreter der Verbraucherzentrale, der Handwerkskammer, die beiden Wissenschaftsvertreter sowie die beiden BUND-VertreterInnen. Der Vertreter der Handelskammer sowie der Vertreter der Links-Fraktion enthielten sich. Während sich der CDU-Fraktionsvertreter bei der Abstimmung ebenfalls enthielt, sprach sich der Vertreter der FDP-Bürgerschaftsfraktion gegen diese Stellungnahme aus. (Alle Unterlagen zur entsprechende ENB-Sitzung sind hier online. Die Mitglieder des ENB sind hier nachzulesen.)
Kohleausstieg und Rückkauf der Fernwärme von Vattenfall durch die Stadt
Parallel zu dieser neuen Volksinitiative läuft derzeit auch das Verfahren zur Umsetzung des in 2013 erfolgreichen Volksentscheids „Unser Hamburg – Unser Netz“ weiter. Während das Strom- und das Gasnetz inzwischen bereits wieder vollständig der Stadt Hamburg gehören, muss die Übernahme der Fernwärme gegen den Widerstand von Vattenfall noch durchgesetzt werden.
Aufgrund der noch bestehenden Eigentums-Verhältnisse bei der Fernwärmegesellschaft, an denen Vattenfall rund 75 Prozent und die Stadt Hamburg lediglich 25 Prozent halten, konnte der Plan der Umweltbehörde, das Kohle-Heizkraftwerk in Wedel durch den Ausbau erneuerbarer Wärmeenergie bislang nicht beschlossen werden.
Umweltsenator Kerstan erklärte dazu im Dezember: „Wir haben einen Koalitionsvertrag, Klimaziele und einen bindenden Volksentscheid, und wir wollen den schnellstmöglichen Kohleausstieg in der Wärme. Das wäre mit unserem Konzept möglich – passt aber mit der Vattenfall-Planung nicht zusammen. Solange Vattenfall auf den Moorburg-Plänen beharrt, können wir das Gesamtkonzept für den Wedel-Ersatz nicht beschließen.“

Dirk Seifert

3 Gedanken zu “In Hamburg sagt man Tschüss Kohle – Volksinitiative startet nächste Woche

  1. Wennn wie hier über „Energienetzbeirat Hamburg für Kohleausstieg und gegen Vattenfalls Moorburg-Wärme“ berichtet wird, dann wäre es für eine ausgewogene Berichterstattung durchaus wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder des Hamburger Energietischs und des Bundesverbands Erneuerbare Energien nicht für die auch sachlich recht unausgegorene „Empfehlung“ stimmten, der nur zehn von zwanzig ENB-Mitgliedern ihre Zustimmung geben wollten. Das „Minderheitsvotum“ wendet sich entschieden gegen den Versuch einer neuen Moorburgtrasse und gegen die von der BUE vorgeschlagene „Südvariante“. Bei dieser sollen nämlich mindestens 40 Prozent der Wärme aus dem alten Heizkraftwerk Wedel durch dreckige Kohlewärme aus dem HKW Moorburg ersetzt werden. Ist das „KOHLEAUSSTIEG“? Diese sog. „MVR-Rochade“, die die BUE vorschlägt, wird in der Öffentlichkeit verheimlicht und vertuscht.
    Die Umweltgruppe Elbvororte lädt für den 23.Februar 2018 zu einer Veranstaltung ein: Information über die Planung der neuen Moorburgtrasse – 19 Uhr in der Aula der Volkshochschule-West, Waitzstraße 31 (Nähe S-Bahn Othmarschen)

    1. Hallo Herr Rabenstein.
      Vorweg: Ich habe den Link zur Stellungnahme des ENB gerade in der Weise geändert, dass nicht mehr auf die PM dazu, sondern direkt auf die Stellungnahme des ENB gelinkt wird.
      Die von ihnen gewünschten Hinweise zu den Minderheitenvoten hatte ich bereits in diesem Text angeführt und dabei auch direkt auf das HET-Votum verlinkt: http://umweltfairaendern.de/2017/12/vattenfall-setzt-auf-klimakatastrophe-moorburg-kohle-statt-erneuerbarer-energien-fuer-fernwaerme-hamburg/. Außerdem verweise ich im aktuellen Text per Link auf die Dokumente dazu beim ENB. Wenn sie mit „Rochade“ den Fall Schindler meinen: Auch dazu enthält die ENB-Stellungnahme einen klaren Hinweis: „Die zukünftig geplante Versorgung der Ölwerke Schindler durch das Kohlekraftwerk Moorburg sieht der ENB aus klimapolitischer Sicht kritisch und bittet die BUE, entsprechende Versorgungsalternativen zu prüfen und dem Unternehmen vorzuschlagen.“ Das ist ihnen wie auch mir sicherlich nicht weitreichend genug, aber „verheimlicht und vertuscht“ ist das nicht. In diesem Blog hatte ich dazu auch berichtet. Z.B. hier: http://umweltfairaendern.de/2017/11/klimaschutz-hamburg-bund-fordert-mehr-erneuerbare-waerme-statt-kohle-waerme-auch-bei-schindler/ und auch hier: http://umweltfairaendern.de/2017/12/vattenfall-setzt-auf-klimakatastrophe-moorburg-kohle-statt-erneuerbarer-energien-fuer-fernwaerme-hamburg/
      Eines noch: Man kann sicher gut über die Planungen der BUE streiten und sich auch fragen, wie klug die Konzepte vor dem Hintergrund der derzeitigen Eigentumsverhältnisse bei der Fernwärme sind. Aber klar sollte auch sein: Noch ist Vattenfall mit 75 Prozent bei der Fernwärme mächtig im Rennen und der Handlungsspielraum für die Stadt mit ihren derzeit 25 Prozent also einigermassen begrenzt. Es sind also in starkem Masse die mächtigen wirtschaftlichen Interessen von Vattenfall und diese Eigentumsverhältnisse, die zumindest bis zur vollständigen Rekommunalisierung der Fernwärme – wenn sie denn kommt – die Handlungsmöglichkeiten bestimmen! Genau das hat sich ja in der Fernwärmegesellschaft im Dezember gezeigt, wo Vattenfall seinen Minderheitspartner Hamburg (trotz des Schindler-Deals) an die Wand hat fahren lassen. Man kann sicher einiges am Vorgehen und den Planungen der BUE kritisieren. Aber das Problem ist erst einmal Vattenfall und das Eigentum. Daher ja auch die Überlegungen der VI, hier rechtlich soweit möglich, einzugreifen.

      1. Hallo Herr Seifert,
        mit „verheimlicht und vertuscht“ habe ich mich natürlich nicht auf Sie, sondern auf die BUE im Bunde mit der Mehrheit des Energienetzbeirats bezogen.
        Als Unterstützer des Netze-Volksentscheids von vornherein in einer Minderheitspoition im ENB – wie Sie wissen – müssen wir jetzt auch noch verbissen darum kämpfen, dass unsere Beiträge überhaupt auf die Internetseite des angeblich unabhängigen ENB kommen.
        Alles, was irgendwie auf die „NRO-Nordvariante“ hinweist, wird systematisch unterdrückt und ignoriert. Manchmal wäre es geradezu lächerlich, wenn es nicht ernsthafte Folgen hätte.
        Sie wissen sehr gut, dass als Ergebnis des Beteiligungsprozesses (BET) und noch im September 2016 auch die BUE eine Nordvariante am Standort Stellingen vertreten hat. Im Projektierungsvergleich wurde nun von der BUE eine „Vogelscheuche“ von Nordvariante konstruiert, um damit die Entscheidung für die Südvariante zum Wohlgefallen von Vattenfall durchzusetzen.
        Dass die „NRO-Nordvariante“ fast in jeder Hinsicht der „BUE-Südvariante“ überlegen ist, das wissen auch die Akteure in der BUE sehr gut.
        Die Machtverhältnisse in der Fernwärmegesellschaft mögen so sein, wie Sie sie beschreiben. Das hätte allerdings den Zauberlehrlingen, die zurzeit an der Spitze der BUE stehen, von Anfang an klar sein müssen. Sie wollten nicht hören und sie spielen weiter …
        Dass Sie Hoffnung auf die Volksinitiative setzen, finde ich erfreulich. Das könnte ja heißen, dass Vorstand des BUND Hamburg sich von seinem Rückzug aus dem VI wieder zurückzieht und doch noch mitmacht?

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