Atomare Laufzeitverlängerung: Weniger Sicherheit – Staat muss volle Verantwortung übernehmen

Atomare Laufzeitverlängerung: Weniger Sicherheit – Staat muss volle Verantwortung übernehmen

Laut einem Protokoll über Beratungen der AKW-Betreiber und dem Bundeswirtschafts- und Umweltministerium vom 7. März 2022 wird klar, dass eine Laufzeitverlängerung nur bei einem Verzicht auf Sicherheitsprüfungen und notwendige Nachrüstungen möglich sein wird. Außerdem müsse der Staat die volle Verantwortung für den riskanten Betrieb übernehmen. Eine Haftung würden die AKW-Betreiber nicht übernehmen. Nachlesen lässt sich das jetzt in einer Medienerklärung von Raimund Kamm vom „FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.“ Auch die Physikerin Oda Becker hatte in einer Studie für den BUND bereits auf diese Telefonkonferenz hingewiesen.

In der Studie für den BUND hatte Oda Becker (siehe vorstehenden link) im Rahmen ihrer Sachverhaltsdarstellung zu den Sicherheitsaspekten einer Laufzeitverlängerung auf die Diskussion zwischen Ministerien und Betreibern hingewiesen. „Die Bundesregierung hatte Anfang März 2022 geprüft, ob eine Verlängerung der Laufzeiten der noch im Betrieb befindlichen drei Atomkraftwerke in Deutschland umsetzbar wäre und inwiefern diese Verlängerung zur Energiesicherheit beitragen könnte. Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und Risiken hat die Bundesregierung eine Laufzeitverlängerung auch angesichts der aktuellen Gaskrise abgelehnt. (BMWK/BMUV 2022a)“ Zuvor hatte sich die Bundesregierung bzw. die zuständigen Ministerien mit den Betreibern beraten: „Grundlage der (von Becker vorgelegten) Studie ist die Diskussion des Wirtschaftsministeriums (BMWK), des Umweltministeriums (BMUV) und der AKW Betreiber. In einer Telefonkonferenz zwischen BMWK, BMUV und den Betreibern (E.On, EnBW, RWE) wurden drei Optionen diskutiert und bewertet (BMWK/BMUV 2022b)“ (Seite 4)

UmweltFAIRaendern dokumentiert die Medienerklärung vom 12.8.2022: (Das Forum ist auf dieser Seite online)

Ein Protokoll zeigt: Laufzeitverlängerung nach Ansicht der Betreiber der letzten 3 AKW nur, wenn auf vorgeschriebene Sicherheitsprüfungen und dann notwendige Nachrüstungen verzichtet wird und der Staat den Betreibern die Risiken abnimmt
Um vom Versagen Bayerns beim Bau von Windkraftanlagen und Stromleitungen abzulenken, fordern die regierenden Politiker von CSU und Freien Wählern Laufzeitverlängerungen für die letzten drei AKW in Deutschland. Der Minister Aiwanger (FW) will sogar eine Wiederinbetriebnahme des AKW Gundremmingen.
Wie gefährlich dies ist, ergab eine Konferenz am 7.3. zwischen den Konzernchefs der drei AKW sowie Vertretern der zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Umweltschutz. Das Protokoll lag beim FORUM-Treff am 10.8. in Günzburg vor.
Drei Varianten wurden zwischen Bundesregierung und AKW-Konzernen besprochen:

  1. Wiederinbetriebnahme bereits stillgelegter AKW
  2. Etwa 3-monatige Verlängerung des Betriebs über den 31.12.2022 hinaus durch Verringerung der Leistung und somit des Spaltstoffverbrauchs im Laufe des Jahres 2022 und Weiterbetrieb bis etwa Ende März 2023 (Streckbetrieb, kein neuer Spaltstoff)
  3. Laufzeitverlängerung mit neuem Spaltstoff um 3 – 5 Jahre

Bewertung der drei Varianten durch die Konzernchefs und die Ministerialen:

  1. Wiederinbetriebnahme ist unrealistisch, denn die Genehmigungen für den Leistungsbetrieb sind erloschen. Eine Neugenehmigung müsste die Sicherheit nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik nachweisen. Dieser Stand ist auch durch Nachrüstungen nicht erreichbar.
  2. Ein „Streckbetrieb führt nicht zu einer Mehrerzeugung von Strom aus den Kernkraftwerken. Es würde lediglich die Stromerzeugung vom Sommer 2022 in den Winter 2022/2023 verlagert. Ein möglicher Minderverbrauch von Erdgas im Winter würde fast vollständig durch einen Mehrverbrauch im Sommer aufgezehrt, der Netto-Effekt wäre nahezu Null. In einer Gas-Mangellagen-Situation ergibt sich insofern kein nennenswerter Nutzen.“
  3. Der Betrieb der letzten drei noch in Deutschland laufenden AKW Isar 2 (BY), Emsland (NI) und Neckarwestheim 2 (BW) ist nach Atomgesetz nur noch bis zum 31.12.2022 erlaubt. Nur bis dahin gelten die Nachweise zur Sicherheit (Unfälle) und zur Sicherung (Anschläge). Mit Blick auf das Betriebsende 2022 wurde gesetzlich erlaubt, die Anlagen drei Jahre länger zu betreiben, obwohl die nach internationalen Regeln alle 10 Jahre fällige Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) bereits 2019 abgelaufen ist. Die letzten PSÜ fanden 2009 statt. Zudem wurden im Jahr 2012 auch mit den Erfahrungen aus dem Ausfall der Notkühlsysteme in Fukushima die Sicherheitsregeln verbessert. Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass bei einer PSÜ nach den neuen Regeln bisher unerkannte Sicherheitsdefizite bemerkt werden und umfangreiche Nachrüstungen gerade bei der Sicherheitstechnik erforderlich werden.

Beachtet werden müsse angesichts des kriegerischen Angriffs auf die Ukraine und deren AKWs, dass bei einer PSÜ neue Gefahren erkannt werden. Ein Weiterbetrieb wäre daher nur möglich, wenn die Sicherheitsprüfungen neue Risiken außer Acht lassen. Die AKW-Betreiber können sich einen Weiterbetrieb nach einer zudem unvermeidlich längeren Betriebsunterbrechung dann vorstellen, wenn der Staat die Risiken übernimmt und die Konzerne mit dem Betrieb beauftragt.
Unsere Bürgerinitiative fordert:

  1.  Keine gefährliche Laufzeitverlängerung. Die abgenutzten drei AKW möglichst schnell, spätestens bis Ende 2022 abschalten! Endlich unabhängige Gutachter mit der Prüfung der bayerischen Atomanlagen beauftragen. Der TÜV hat durch das nicht mit Sachargumenten belegte Meinungspapier zum Weiterbetrieb der AKW seine gesetzlich gebotene Unabhängigkeit verloren. Das Atom- wie das Verwaltungsverfahrensgesetz gebieten, ihn nicht mehr mit der Prüfung von Atomanlagen zu beauftragen!
  2. Solar und Windkraft konsequent ausbauen! Windkraft ist besonders wichtig, da im Winter der Stromverbrauch hoch und die Solarstromerzeugung niedrig ist. In Bayern müssen im kommenden Jahr in jedem Landkreis im Schnitt zwei große Windkraftwerke gebaut werden. In den folgenden Jahren im Schnitt vier neue Windkraftwerke je Landkreis. Um die Genehmigungen voranzutreiben, wird eine Task-Force „Konsequenter Windkraftausbau“ beim Ministerpräsidenten eingerichtet. Diese bekommt Weisungsbefugnisse gegenüber den Landratsämtern. Genehmigungsverfahren müssen nach 1 ½ Jahren abgeschlossen werden. Mit der Solarbranche wird nach Wegen gesucht, wie der Arbeitskräftemangel, der neben Problemen im Verteilnetz am meisten den Ausbau behindert, durch beispielsweise Anwerbung ausländischen Personals verringert werden kann.
  3. In Bayern kurzfristig ein Programm zum Energie- und speziell zum Stromsparen einführen. Stromzehrende Beleuchtungen und Schneekanonen sind abzuschalten. Mit der Industrie sind Maßnahmen zum Lastmanagement wie zur Energieeinsparung zu vereinbaren.
  4. Die Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur vom 31.5.22 zeigt, dass wir noch genug Kapazitäten für die Stromversorgung haben. Deutschlands Strommarkt kam in den letzten Monaten in Stress, wenn die Italiener wegen mangelnder Solar- und Windkraftkapazitäten und die Franzosen wegen Ausfalls vieler AKW bei ebenfalls mangelnden Solar- und Windkraftkapazitäten sehr viel Strom in Deutschland gekauft haben. Mit unseren Nachbarn muss vereinbart werden, dass wir unsere Stromexporte in solchen Situationen begrenzen werden.

 
 
 

Dirk Seifert