Am Rande der Atomwaffenfähigkeit: Neue Uranbrennstoffe – USA bremst teilweise deutschen Urananreicherer URENCO aus
Die USA sind dabei, neuartige Uran-Brennstoffe zu entwickeln und müssen dabei verloren gegangene technische Fähigkeiten im Atomsektor neu entwickeln. Es geht um die Aufrüstung der gesamten Uran-Verarbeitung inklusive der Anreicherung für Reaktoren und für Atomwaffen. Fast die gesamte Uran-Produktion der USA funktioniert nur noch mit ausländischen Konzernen, vor allem in Russland und Europa. Vor allem mit Blick auf die Atomwaffen-Arsenale ist das für die USA ein erhebliches Problem. Rein technisch könnte ein teilweise deutsches Unternehmen helfen, die URENCO mit Sitz in Gronau.
Dort wird Uran für zivile Atomenergie angereichert, maximal 6,5 Prozent sind innerhalb der Anlagen in der Produktion erlaubt, ausgeliefert werden darf aber nicht mehr als mit 5 Prozent Anreicherung dieses brisanten Materials. Doch die USA setzen derzeit auf die nationale Karte: America first, das gilt im Atombereich nicht nur für die Republikaner unter Trump, sondern auch für die Demokraten. „Trotz seiner Präsenz im Inland (gemeint ist die USA, umFAIR) wäre es Urenco nach der derzeitigen US-Nichtverbreitungspolitik verboten, Uran für militärische Zwecke zu liefern. Nach US-amerikanischer Auslegung der Verträge kommt das Unternehmen nicht in Frage, da es sich in ausländischem Besitz befindet und die Zentrifugentechnologie des Unternehmens außerhalb der USA entwickelt wurde.“ Das ist eine aktuelle Meldung von PhysicsToday (PT). Der Artikel handelt eigentlich von neuartigen Uran-Brennstoffen, die für die Forschung an neuen Reaktor-Konzepten – vor allem für militärische Zwecke – benötigt werden.
Diese „Neben“-Information ist wichtig, weil URENCO – ein deutsch-britisch-niederländisches Unternehmen – gern geliefert hätte! Und die Bundesregierung – die nach dem Vertrag von Almelo im Kontrollausschuss der URENCO über die ausschließlich zivile Nutzung sitzt – hätte nicht „so richtig“ was dagegen gehabt. URENCO kann die Spaltbarkeit von Uran anreichern. Das können weltweit nur wenige, ist technisch extrem anspruchsvoll und hat immer auch was mit Atombomben zu tun.
- Im wesentlichen geht es in dem genannten Artikel um den Wiederaufbau der Atommacht USA im Bereich der Uranverarbeitung der eigenen Reaktoren, deren Laufzeit teilweise verlängert werden soll. Außerdem soll der dringend benötigte neue bis ca. 19,75 Prozent angereicherte Uranbrennstoff – sogenannter HALEU, der für die Forschung an neuen kleinen, modularen Reaktoren – sogenannten SMR benötigt wird – in eigener nationaler Regie hergestellt werden. Bislang liefert vor allem Russland diesen Brennstoff. Bei Physics Today heißt es: „The initial phase of the new contract covers final construction of the centrifuge cascade and production of 20 kg of HALEU, in the form of uranium hexafluoride, by the end of 2023. DOE and Centrus will split the $60 million cost. A second phase, funded by DOE at $90 million, calls for delivery of 900 kg by the end of 2024. The contract includes multiple three-year options.“
- Bedenkt man, dass bei der URENCO mit Standorten in Deutschland, Großbritannien, Niederlande und USA einige zehntausend Tonnen angereichertes Uran herstellt werden und auch der Iran die Anreicherung bestens beherrscht, dann ist schon überraschend, was in den USA derzeit wieder aufgebaut werden muss, wie PT berichtet „Highly enriched uranium, which is considered a proliferation threat, is enriched in uranium-235 above 20%. HALEU has 6–19.75% 235U enrichment, and material at the high end of that range will be necessary to fuel many advanced reactors. Those include the sodium-cooled fast reactor that TerraPower and GE Hitachi Nuclear Energy plan to build in Wyoming with $2 billion in DOE funding and the four high-temperature gas-cooled reactors that X-energy will build with $1.2 billion from DOE. The 2021 Infrastructure Investment and Jobs Act appropriated $2.5 billion of those funds. (See Physics Today, November 2021, page 25.) Both reactor projects are scheduled for completion by 2028.“
- Es gab Stimmen in den USA, die bereits in der Trump-Zeit dafür plädierten, dass die deutsch-britisch-niederländische URENCO nicht nur die AKWs ausschließlich zur Stromerzeugung beliefert. Auch für die Lieferung von bis 19,75 Prozent angereichertem Uran, also eben noch unter der Schwelle der Atomwaffenfähigkeit, sollte URENCO den Brennstoff für die neue Reaktorforschung liefern. Zumindest teilweise, denn die USA brauchen auch Brennstoff der waffenfähig ist, für die U-Boot- und Flugzeugträger-Reaktoren und natürlich für Sprengköpfe von Atomwaffen. Vor diesem Hintergrund entschieden die USA unter Trump, aber auch dem demokratischen Präsidenten Biden, komplett auf den Aufbau einer neuen nationalen Urananreicherung zu setzen. Physics Today: „The Inflation Reduction Act, enacted in August, appropriated $700 million toward establishing a domestic supply chain for HALEU. DOE anticipates purchasing up to 25 tons of HALEU annually from suppliers in the US for a fuel bank, according to responses posted on 15 November to questions the agency received from industry. In a conference call with investors the week prior, Centrus CEO Daniel Poneman, a former deputy secretary of energy, said that while the appropriation in the new law won’t be sufficient to meet DOE’s plans, it indicates a strong commitment by Congress and the administration to advanced reactors. Given the capacity of Centrus’s 16-centrifuge demonstration cascade and the use of low-enriched uranium feedstock, 25 tons of HALEU production would require 480 of its centrifuges.“ (am besten übersetzen bei deepl.com)
Das Thema neue Uranbrennstoffe ist überaus komplex und hat neben überaus anspruchsvollen chemischen, physikalischen und technischen Schwierigkeiten immer auch die Dimension des Missbrauchs für Atomwaffen. Viele Stimmen gehen weltweit davon aus, dass es eine Trennung von ziviler und militärischer Atomenergie nicht geben kann. Wer in der Lage ist, Atomkraftwerke zu betreiben und die Brennstoffkette technisch zu beherrschen, ist auch in der Lage, Atomwaffen herzustellen oder dies jedenfalls in kurzer zusätzlicher Zeit zu erreichen.
- Über den Uranbrennstoff HALEU und die Uranium Enrichment Company URENCO auf umweltFAIRaendern.de
- Atomenergie und URENCO-Uran: Wachsende zivil-militärische Grauzone
- In einem bzw. künftig zwei Atomreaktoren der USA wird in speziellen Brennelementen vor allem Tritium erzeugt. Die Reaktoren erzeugen zwar auch Strom fürs öffentliche Netz, aber die gesamte Betriebsführung ist auf die Erzeugung dieses Tritiums optimiert. Tritium wird in Atomsprengköpfe eingebaut und erhöht die Wirkkraft um ein Vielfaches. Die Verlagerng der Produktion von Material zur Herstellung von Atomwaffen in vermeintlich zivile Stromreaktoren hatte zu heftigen Protesten geführt, weil damit eine Grenze der zivil-miliärischen Nutzung der Atomenergie überschritten wurde – eigentlich ein schwerer Verstoß gegen die Richtlinien der IAEO. Selbst für einen Atomwaffenstaat gilt, dass die Anlagen und Technologie strikt getrennt voneinander betrieben werden müssen. URENCO hätte gern herkömmliches Uran zur Nutzung in diese Militär-Reakoren geliefert und die Bundesregierung hat dagegen zumindest öffentlich keinen Widerspruch formuliert oder Unwissenheit behauptet. Weitere Informationen über Tritium für Atomwaffen aus zivilen Reaktoren, die URENCO und die Bundesrepublik Deutschland.
URENCO reichert den spaltbaren Anteil des Uran 235 auf 3-5 Prozent an, damit Brennstoff für den Einsatz in (Leichtwasser-)Atomkraftwerken entsteht. Aber: Mit dieser Technik der Anreicherung in Zentrifugen kann auch Sprengstoff für Atomwaffen hergestellt werden. Das dürfte über den Konflikt mit der Urananreicherung im Iran bekannt sein. Eine Technik und Fähigkeit, die jeden Staat in den berechtigten Verdacht bringt, damit auch wirklich Atomwaffen herzustellen. Weil Deutschland und die Niederlande keine Atomwaffenstaaten sind, ist es URENCO trotz der Beteiligung von Großbritannien aufgrund des Atomwaffensperrvertrages untersagt, Uran für militärische Anwendungen herzustellen. Strenge internationale Regelungen kontrollieren, dass bei URENCO keine Anreicherung für Atomwaffen erfolgt. Die Frage aber ist: Was gehört dazu, bis URENCO militärischen Zwecken dient? Nur die Herstellung von Uran über 20 Prozent Anreicherung des spaltbaren Isotops 235, wie es internationale Regularien und Definitionen z.B. der IAEO vorschreiben? Die USA sagen: Auch die Beihilfe ist zu vermeiden. Was wäre das?
- Der neue Uran-Konzern, der in den USA für das zivile und militärische Atomprogramm bzw. die Herstellung von Brennstoffen für neuartige Klein-Reaktoren derzeit hochgefahren wird, heißt Centrus Energy.
Es geht um eine elementare Trennung, die kaum funktionieren kann, die aber eine leichtfertige Verbreitung von Atomwaffen extrem teuer macht, deutlich erschwert und damit die Zahl der Atomwaffenstaaten zumindest begrenzt. Aber: Auch der Einsatz von Uranbrennstoff unter 20 Prozent oder sogar unter fünf Prozent kann direkt zur Herstellung von Atomwaffen beitragen oder im Kontext seines Einsatzes direkt militärischen Interessen dienen:
Uran-Reaktoren an Bord von mit Atomwaffen bestückten U-Booten oder auf Flugzeugträgern. Frankreich betreibt seine mit Atomwaffen bestückten U-Boote mit Atomreaktoren, die unter 20 Prozent angereichertes Uran verwenden. Das wäre nach internationalen Standards kein Waffen-Uran. Und URENCO dürfte nach diesen Kriterien möglicherweise bis zu 19,75 Proezent angereichertes Uran herstellen. Frankreich hat aber eigene Anlagen – dank früherer Unterstützung durch URENCO, um dieses Uran selbst herzustellen. Aber: Darf und sollte URENCO nun URAN anreichern, das für U-Boot Antriebe genutzt wird, mit denen Atomwaffen durch die Weltmeere „dampfen“, wenn auf atomwaffen-bestückten us-amerikanischen Booten und Schiffen kein atomwaffenfähiges Uran mehr eingesetzt werden würde?
Schon der Einsatz von „normalem“ Uran in „normalen“ Reaktoren, in denen aber für Atomwaffen notwendige Materialien hergestellt werden, kann wie oben gezeigt militärischen Interessen dienen. Weil die USA keine Militär-Reaktoren mehr haben, war dort URENCO im Gespräch, um „normales“ Uran für einen Reaktor zu liefern, in dem Tritium als Booster für Atomwaffen erzeugt wird. Die USA haben – unter Trump – auf diese Lieferungen von URENCO verzichtet. Auch, um die Kosten für den Aufbau einer rein amerikanischen Wiederaufarbeitung zu rechtfertigen. Auch eine Variante von „America First“.
In Deutschland werden vielfach sogenannte SMR (Smart-Modular-Reactors) als der „neue hippe Schrei“ einer vermeintlichen Renaissance der Atomenergie verkauft, beworben und schön geredet. Dass damit auch U-Boot-Antriebe und Uran-Motoren für militärische Einrichtungen gemeint sind, wird eher selten wahr genommen. Dass in der Grauzone dieser Technologieforschung mit Dual-Use – militärischen Aspekten – ein Unternehmen wie URENCO, mit einem Unternehmenszweig in Deutschland, NRW, Gronau sich neue Geschäftsfelder verspricht, erwartet, erhofft – eigentlich nicht überraschend. Aber kaum mediales Thema. Dabei ist die technische Fähigkeit Deutschlands, bei URENCO in Gronau jederzeit auch atomwaffenfähiges Uran für militärische Zwecke herstellen zu können, sicherlich vielen anderen Staaten auf der Weltbühne bekannt und wird dort auch als machtpolitisches Mitspracherecht einer nuklearen Macht im Wartestand interpretiert.
- Alles zu SMR-Reaktoren auf umweltFAIRaendern.de
- URENCO ist mit seiner Uranfabrik in Gronau bis heute vom Atomausstieg ausgenommen und versorgt Atommeiler von vier Standorten aus mit Uranbrennstoff. Auch die benachbarte Uranfabrik in Lingen, die Brennelemente aus Uran-Brennstoff fertigt, ist vom Atomausstieg ausgenommen. In der großen Koalition haben die Grünen gegenüber der FDP auf eine Stilllegung der Anlagen nach Atomrecht verzichtet. URENCO entwickelt eine eigene Uran-Batterie.
Geld spielt keine Rolle: Militärisch motivierte neue Reaktoren als Atombatterien
Milliarden-Beträge stecken Staaten und Unternehmen in Canada, den USA, in China, Russland, Großbritannien und auch Frankreich sowie vielen anderen Staaten, in diese Forschung. Angetrieben werden diese Entwicklungen nicht, weil sie billig oder preiswert oder einfache Lösungen für die Energieversorgung wären. Wind und Sonne mit Batterien sind echt leichter. Aber: Mit militärische Anwendungen in den Basen, auf Schlachtschiffen und U-Booten und von Waffensystem, Drohnen, Sensoren, Clouds zur Datenverarbeitung: Es braucht immer mehr Stromversorgung, um Militärlager und Bewaffnung sowohl auf der Basis zuhause, als auch in schwierigen Lagen und Ländern und bei „Operationen“ gewährleisten zu können.
Dafür werden mit neuen Uran-Brennstoffen neue Reaktor-Konzepte erforscht, die kleinen Uran-Batterien ähnlich sein sollen. Einmal eingeschaltet, möglichst um fünf Jahre lang als geschlossemes wartungsfreies System funktioneren. Die hat sogar vielleicht Klima-Vorteile: Die Versorgung mit Diesel, Öl oder Kohle-Strom und Wärme und der damit verbundene logistische und finanzielle Aufwand der Versorgung militärischer Einrichtungen mit diesen fossilen Brennstoffen könnte entfallen. Damit auch die mit den Versorgungsrouten verbundenen Verwundbarkeiten und Kosten.
Die Einsparungen, die hier entstehen könnten, sind die Gegenrechnung was die Kosten künftiger neuer Atomreaktor-Techniken angeht. Möglicherweise ist das der Hintergrund, warum unternehmen von Musk und Gates – aber auch viele andere weltweite Akteure mit viel Geld diese neuen Militär-Reaktoren erforschen, entwickeln und bauen wollen. Auch mit dem Hintergedanken: Gelingt es über die militärischen Interessen an dieser Technik, Modelle zur Serienreife zu entwicklen, dann könnten nach einer erweiterten militärischen Anwendung – wo Geld nur in Grenzen Bedeutung hat – durch Fertigung in hohen Stückzahlen auch Anwendungen im zivilen Bereich, bei der Rohstoffförderung in abgelegenen Regionen der Welt oder für Städte in Polargebieten entstehen. Und für viele Staaten könnte ein solcher kleiner Modul-Reaktor auch nur eine schmutzige Atomwaffe sein, besser die, als nichts was radioaktiv ist.
Teilweise deutsche URENCO plant weiter für neue Uranmärkte
Über URENCO wird bei physicstoday vor diesem Hintergrund berichtet – mit Unterstützung der Übersetzung von deepl.com: „Urenco, das europäische Konsortium, das die einzige Urananreicherungsanlage in den USA betreibt, verfolgt unterdessen ebenfalls Pläne zur Herstellung von HALEU. Nach Angaben von Magnus Mori, Vizepräsident für Marketing und Vertrieb, will Urenco die HALEU-Kapazitäten entweder in seiner Anlage in Eunice, New Mexico, oder in einer Anlage in Capenhurst, Großbritannien, erweitern. Mit einem Kostenaufwand von 250 bis 400 Millionen Dollar könnte Urenco Material mit einer Anreicherung von bis zu 20 % produzieren, so Mori auf der Wintertagung der American Nuclear Society in Phoenix, Arizona, am 14. November. Das Projekt würde sechs bis sieben Jahre dauern, einschließlich der Zeit, die für die Ausarbeitung eines Lizenzantrags und die behördliche Genehmigung erforderlich ist, sagte er. Mori erklärte gegenüber Physics Today, dass eine Entscheidung über den Bau des Reaktors erst nach Abschluss der laufenden Planungs- und Konstruktionsarbeiten getroffen werden wird.“
Ich hoffe, bei Übersetzungen bzw. Übertragungen einer US-Debatte um die militärische Seite der Atomenergie und neuer Uranbrennstoffe sind solche längeren übersetzten Zitate zulässig, ohne urheberrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.
- Das waren einige Anmerkungen zu diesem Artikel: https://physicstoday.scitation.org/do/10.1063/PT.6.2.20221128a/full/
- Über HALEU (neue Uranbrennstoffe) und über URENCO auf umweltfairaendern.de
- Über Atomwaffen und die Nutzung der Atomenergie
- Über „SMR“-Reaktoren auf umweltFAIRaendern.de
- Über Tritium und Atomwaffen auf umweltFAIRaendern.de
- Über zivil-militärische Atomenergie und Dual Use auf umweltFAIRaendern.de
Ein Gedanke zu “Am Rande der Atomwaffenfähigkeit: Neue Uranbrennstoffe – USA bremst teilweise deutschen Urananreicherer URENCO aus”