Uranfabrik Lingen: Erweiterung der nuklearen Brennstoffpalette unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Die wirtschaftlich wenig ausgelastete Uranfabrik in Lingen, die vom Atomausstieg ausgenommen ist, will ihre nukleare Brennstoffpalette erweitern. Dazu liegt dem zuständigen Umweltministerium in Niedersachsen seit dem letzten Jahr ein entsprechender Antrag zur Genehmigung vor. Künftig will Framatome, der französische Eigentümer der Anlage im Emsland, spezielle Brennelemente auch für von Russlang gebaute Atomreaktoren in Osteuropa herstellen. Dabei wird sich Framatone offenbar auf das Knowhow des russsichen Brennelemente-Unternehmens TVEL stützen. Bereits seit Jahren wurde die Kooperation der beiden Atomgiganten in Russland und Frankreich ausgebaut (siehe unten). Eine „Vorprüfung“ des niedersächsischen Umweltministeriums hat ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit die Beteiligung der Öffentlichkeit für die Erweiterung der Uranfabrik nicht vorgesehen ist.
Die neuen Atomgeschäfte mit russischen Reaktoren in Osteuropa sollen unter Ausschluss der Öffentlichkeit entschieden werden. Frankreich und Russland haben vor dem Ukraine-Krieg eine umfassenden Zusammenarbeit vereinbart, die bis heute anhält. Die Anlage in Lingen verarbeitet auch russisches Uran weiterhin für Westreaktoren. Verantwortlich für die Genehmigung des französisch-russischen Atomdeals sind im Bundesumwelt- und wirtschaftsministerium sowie im Umweltministerium Niedersachsen die Grünen. Diese Entscheidung des NUM stammt vom 26.8.2022 und wurde bereits im November 2022 mit einem 15 seitigen Bescheid veröffentlicht.
- Die Feststellung des niedersächischen Umweltministeriums in Sachen Antrag der ANF Lingen ist unten dokumentiert und hier direkt die PDF der Feststellung der Vorprüfung zur Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung (UVP). Az.: 44 – 05575/20/20-0001 Hannover, 26.08.2022 – Advanced Nuclear Fuels GmbH – Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung zur Fertigung von VVER-Brennelementen (Änderungsvorhaben 950/22)), siehe auch hier.
- Siehe „Kooperationsantrag zurückgezogen“ auf umweltFAIRaendern.de
- Krise Uranfabrik Lingen: Nicht mal mehr auf halber Leistung
- Das Umweltministerium in Niedersachsen gibt hier einen Überblick über die ANF in Lingen bzw. Brennelementefabrik Lingen (BFL), wie sie auch genannt wird. Siehe zum Thema: „Genehmigungsanträge – Antrag nach §7 AtG für die Fertigung hexagonaler Druckwasser-Brennelemente“
Die französische und russische Atomwirtschaft streben seit Jahren eine engere Zusammenarbeit an.
Auch nach dem Krieg gegen die Ukraine soll die Atomkooperation offenbar nicht eingestellt werden. In den letzten Monaten ist es auch immer wieder zur Uranlieferungen aus Russland an die Fabrik in Lingen gekommen. Sanktionen in Sachen Uran-Brennstoffe und Atomtechnik sind von der EU bis heute nicht vorgesehen. Unter anderem das Umweltbundesamt in Österreich hatte jüngst in einer Studie darauf hingewiesen, dass die Verflechtung mit der russischen Atomwirtschaft für den Betrieb von Atomanlagen in der Europäischen Union und darüber hinaus sehr intensiv ist.
- Französisch-russische Atomkooperation am Standort der deutschen Uranfabrik in Lingen
- Russisches Atomknowhow und Uran-Brennstoff treiben weiterhin westliche Atombranche
- Unbefristet trotz Atomausstieg: Lizenz für hochradioaktive Atommüll-Vorprodukte – Uranfabrik Lingen – Powered by Russia
- Über 380.000 kg Uranbrennstoff: Russische Atomtransporte und der nukleare Weiterbetrieb der Uranfabrik in Lingen
Die inzwischen grün geführte Umweltministerium stellt in dem Bescheid zur Vorprüfung fest: „Durch das Änderungsvorhaben ergebe sich keine Änderung der genehmigten Höchstmassen für die gleichzeitige Lagerung, Verarbeitung und Handhabung von Uran in der Anlage.“ (Seite 2). Neben weiteren Umweltaspekten wird vom Ministerium laut Angaben der Betreiber mit Blick auf die Atom-Aspekte festgestellt: „Ebenso würden die genehmigten Kapazität zur Lagerung von Kernbrennstoff, zur Herstellung von Uranoxidpulver, oder -tabletten sowie zur Herstellung von Brennstäben und Brennelementen nicht erhöht. Es ergebe sich auch keine Erhöhung der Anzahl der ein- und ausgehenden Gefahrguttransporte über die im Rahmen vorangegangener Genehmigungsverfahren für die volle Auslastung der genehmigten Fertigungskapazität angenommenen Anzahl von 1000 Transporten pro Jahr.“
- Grüner Staatssekretär Tidow zur Stilllegung der Uranfabriken Gronau und Lingen: “Das haben wir in diesem Koalitionsvertrag so nicht verankern können.”
- LINKE im Bundestag fordert Stilllegung der Uranfabriken in Lingen und Gronau
Hintergrund: Zwei Uranfabriken in Gronau und Lingen, die Atommeiler in aller Welt mit Uran-Brennstoff versorgen, sind vom Atomausstieg ausgenommen und verfügen bislang über unbefristete Betriebsgenehmigungen. Vorherige Regierungen und der Bundestag hatten über Jahre gerungen, diese beiden Uranfabriken in Betrieb zu belassen oder aber eben in den deutschen Atomausstieg einzubeziehen und nachträglich die Stilllegung per Atomgesetz zu betreiben. Entsprechende juristische Gutachten und Stellungnahmen, wie das atomrechtlich umgesetzt werden könnte, liegen in den Schubladen des Bundesumweltministeriums. Grüne und Linke hatten wiederholt die Stilllegung der Anlage im Bundestag gefordert. Die SPD ist gespalten in der Frage, FDP und CDU/CSU sowie AfD haben mit dem Weiterbetrieb der Uranfabriken keine Probleme, sondern wollen mit den Anlagen Deutschland als Atomstaat unterstreichen. In der derzeitigen Ampelkoalition finden sich keine Aussagen zu den Uranfabriken. Grüne hatten darauf verwiesen, dass wäre mit der FDP nicht vereinbar gewesen. Im Koalitionsvertrag gibt es daher keine Aussage, was bedeutet, dass die Grünen den Weiterbetrieb der Uranfabriken als Regierungsgrundlage akzeptiert haben.
Zuletzt hieß es dazu: „Ein Ministeriumssprecher bestätigte auf Anfrage: »Aus Sicht des Bundesumweltministeriums würde die Beendigung der Kernbrennstoffproduktion den deutschen Atomausstieg vervollständigen.« Gleichzeitig verwies er darauf, dass im geltenden Koalitionsvertrag keine entsprechenden Vereinbarungen getroffen worden seien: »Eine aktuelle Verfolgung der genannten Einschränkungen« sei deshalb »derzeit nicht erfolgversprechend«. Das Aktionsbündnis und weitere Anti-Atom-Gruppen fordern, das Ministerium müsse nun »die eigene Glaubwürdigkeit beweisen« und selbst einen konkreten Gesetzesentwurf vorlegen.“ (nd, 8.12.2022)
Dokumentation 1 von der Seite „UVP-Verbund„:
Allgemeine Vorhabenbeschreibung
Feststellung gemäß § 5 UVPG
Die Advanced Nuclear Fuels GmbH, Am Seitenkanal 1, 49811 Lingen, hat beim MU die Änderung des gem. § 7 Abs. 1 des Atomgesetzes genehmigten Betriebs der Brennelementfertigungsanlage Lingen beantragt. Der Antrag umfasst die zur Fertigung von VVER-Brennelementen erforderlichen Änderungen.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens war gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UVPG i. V. m. Nummer 11.1 der Anlage 1 UVPG durch eine allgemeine Vorprüfung zu ermitteln, ob für das beantragte Vorhaben die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist.
Die Vorprüfung beinhaltet gem. § 7 UVPG eine überschlägige Prüfung, ob das Vorhaben unter Berücksichtigung der in Anlage 3 UVPG aufgeführten Kriterien erheblich nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 25 Abs. 2 UVPG bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären.
Diese Vorprüfung hat ergeben, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das o. g. Vorhaben nicht durchzuführen ist.
Diese Feststellung ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 UVPG nicht selbständig anfechtbar. Die Begründung nach § 5 Abs. 2 UVPG kann auf dieser Internetseite eingesehen werden.
UVP-Kategorie
Raumbezug
Adressen
Ansprechpartner
Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz
Archivstr. 2
30169 Hannover
Deutschland
E-Mail: | poststelle@mu.niedersachsen.de |
Telefon: | +49 (0)511 120 0 |
URL: | https://www.umwelt.niedersachsen.de/ |
Datum der Entscheidung
26.08.2022
Ergebnis der UVP-Vorprüfung
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Dokumentation 2: Zusammenarbeit Framatome und Rosatom – Presseerklärung
„December 2, 2021 – Framatome and Rosatom recently signed a new Strategic Cooperation Agreement further expanding the companies’ efforts to develop fuel fabrication and instrumentation and control (I&C) technologies. Rosatom Director General Alexey Likhachev, and Bernard Fontana, CEO of Framatome signed the agreement during the World Nuclear Exhibition held in Paris.
“By working closely with our industrial partner Rosatom, we strengthen our contributions for safe and reliable generation of clean energy generated by our customers nuclear operating plants,” said Bernard Fontana. “Together, we build on our expertise for maintaining operations for the existing nuclear fleet and preparing for the next generation of nuclear energy.”
“Together with Framatome, we are creating a solid foundation for developing high-quality nuclear energy solutions within the scope of current and future areas for collaboration,” said Alexey Likhachev. “Today, the world has finally recognized that it is impossible to achieve carbon neutrality without nuclear generation. Therefore, we must hasten our collective efforts towards achieving global decarbonization goals.”
The new agreement expands the companies’ existing relationship, established through a 2017 memorandum of understanding, creating a framework for joint work in new areas.
About Framatome
Framatome is an international leader in nuclear energy recognized for its innovative, digital and value added solutions for the global nuclear fleet. With worldwide expertise and a proven track record for reliability and performance, the company designs, services and installs components, fuel, and instrumentation and control systems for nuclear power plants. Its more than 16,000 employees work every day to help Framatome’s customers supply ever cleaner, safer and more economical low-carbon energy.
- Visit us at: www.framatome.com
- Follow us on Twitter: @Framatome_ and LinkedIn
Framatome is owned by the EDF Group (75.5%), Mitsubishi Heavy Industries (MHI – 19.5%) and Assystem (5%).“
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