Der schlafende Riese: 20 Jahre Forschungsreaktor FRM 2 in Garching – ein Atommeiler im Stillstand
Von Karl Amannsberger – 20 Jahre ist es in diesen Tagen im Frühjahr 2024 her, dass der Forschungsreaktor München 2 (FRM 2), der Stolz der Technischen Universität München (TUM) und der Bayerischen Staatsregierung, in Garching bei München in Betrieb ging. Am 2. März 2004 fand in dem kantigen Ersatz für Deutschlands ersten 1957 eröffneten Forschungsreaktor – dem „Atom-Ei“ FRM 1 – die erste Kettenreaktion statt. Der FRM 2 sollte Weltmaßstäbe setzen, ein Höchstmaß an Neutronen für Forschungszwecke erzeugen, Spitzenleistungen bei medizinischen Anwendungen erbringen. Doch die Realität sieht anders aus, denn: Deutschlands letzter größerer Atomreaktor läuft nicht, und das seit 2019 – abgesehen von einem dreimonatigen Betrieb Anfang 2020.
Davon unbeeindruckt überschlagen sich die TU und die Bayerische Staatsregierung in ihren Lobeshymnen für den Reaktor im Stillstand. Für Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) ist der FRM 2 ein „Symbol für Bayern als Wissenschaftsstandort von Weltrang“. Sein Kabinettskollege Florian Herrmann (CSU) sprach gar von einer „Ikone für Wissenschaft und Forschung“. Die „Ikone“ spaltet derzeit zwar immer noch die Gesellschaft, nicht aber den Brennstoff im Reaktorkern. Dieser Brennstoff – auf 93 Prozent -– und damit auf eine atomwaffenfähige Konzentration hoch angereichertes Uran, englisch Highly Enriched Uranium (HEU) – machte auch Menschen, die einem Ersatz für das in die Jahre gekommene Atom-Ei grundsätzlich wohlwollend gegenüber standen, zu Gegner/innen des FRM 2.
Vor 20 Jahren begann der Betrieb trotzdem mit dem umstrittenen Brennstoff. Heute sollte er – gemäß der damaligen Genehmigung – längst auf weniger als 50 Prozent Anreicherung umgerüstet sein. Dass dem nicht so ist, wird in diesem Sommer den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) beschäftigen. Der Bund Naturschutz klagt – gestützt auf ein Rechtsgutachten auf Stilllegung des Reaktors (PDF), da er den Betrieb mit HEU für illegal hält.
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Derweil stolpert der Reaktor in den letzten 5 Jahren von einer Schwierigkeit in die nächste. Zunächst hatte es Nachschubprobleme mit dem waffenfähigen Brennstoff gegeben. Schon nach dem ersten – und seither letzten –dreimonatigen Betriebszyklus kam es 2020 zu einem Austritt radioaktiver Stoffe an die Umwelt. Das meldepflichtige Ereignis der Kategorie EILT wurde zunächst verheimlicht und erst 7 Wochen später bekannt gemacht. Dann kam 2021 erst Corona, dann ein Problem mit einem komplizierten Versuchseinbau in der Nähe des Reaktorkerns. 2022 wurde schließlich auch noch ein Leck im Zentralkanal entdeckt, in dem sich das Herz des Reaktors befindet. Der Schaden erwies sich als irreparabel. Die alte Herstellerfirma konnte ihn nicht mehr fertigen, eine andere sollte ihn Ende 2023 montieren. Anlässlich des 20jährigen Jubiläums wurde nun bekannt, dass der Reaktorstart erneut verschoben wird – ins Jahr 2025.
Wegen der zahlreichen Stillstände hat der FRM 2 in seinen 20 Jahren anstatt veranschlagter 80 Betriebszyklen lediglich 47 erreicht. Das Lager für die abgebrannten Kerne fasst aber auch nur 50 Stück, so dass ein Abtransport in ein Zwischenlager in Ahaus vorgesehen ist. Dafür gibt es bislang weder eine Genehmigung, noch ist die Stadt Ahaus davon begeistert.
- Ein ausführlicher Beitrag zum 20jährigen Jubiläum des Problemreaktors, der sich u.a. mit dem Nutzen des Meilers für die Medizin und die Auseinandersetzungen um den „Bombenstoff“ HEU beschäftigt, erscheint demnächst in der Vierteljahreszeitschrift für bayerische Aspekte MUH (www.muh.by)
Foto: Ansicht-des-FRM-II-und-Atom-Ei, Betreiber, W. Schuermann, TUM
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