Atommülllager ASSE: Strahlenschrott aus der Nazizeit und militärisches Erbe?

ASSE-RoWoAktion-Sylverster2011-001Liegt im absaufenden Atomlager ASSE auch das radioaktive Erbe aus der Nazizeit? Im Juli 2011 berichteten zahlreiche Medien: „Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ vom 29. Juli 1974 zitiert den damaligen stellvertretenden Asse-Betriebsleiter Alwin Urff mit den Worten: „Als wir 1967 mit der Einlagerung begannen, hat unsere Gesellschaft als erstes radioaktive Abfälle aus dem letzten Krieg versenkt, jene Uranabfälle, die bei der Vorbereitung der deutschen Atombomben anfielen“, sagte Urff. „Die mussten wir nämlich aus Betonbunkern in der Nähe von München herausholen, wo sie seinerzeit deponiert worden waren, weil man damals ja nicht wusste, wo in drei Teufels Namen man das Zeug denn lassen sollte.““ (zitiert nach Verivox, dpad)
Ob das zutreffend ist, ist bis heute unklar. Auch im Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsberichts zur ASSE gibt es keine weitere Aufklärung. Die Euratom habe jede Zusammenarbeit zur Aufklärung verweigert, teilen die Grünen im niedersächsichsen Landtag dazu mit (siehe unten).
Doch der Verdacht, dass der Nazi-Atommüll in der ASSE gelandet sein könnte, führt dazu, dass die Grünen im Abschlussbericht zur ASSE auf die „Kernspaltung in Nazideutschland“ und die militärischen Ambitionen der Nachkriegsregierungen in der Bundesrepublik sowie die in Deutschland im Einsatz befindlichen atomaren Sprengköpfe der USA eingehen.
Dabei werfen sie auch die Frage auf, ob die ASSE möglicherweise zur Lagerung und Wartung von atomaren Sprengköpfen mit kurzer Reichweite genutzt wurde? In dem Bericht heißt es: Im Jahr 1967 verfügte das US-Militär über 31.255 atomare Sprengköpfe. (322) Nur für einen kleineren Teil gab es weit reichende Trägerwaffen. Ein Teil dieser Sprengköpfe dürfte in der Nähe des „eisernen Vorhangs“ zum Einsatz mit Kurzstreckenraketen, Geschützen, Minen und kleineren “taktischen” Raketenwerfern vorgehalten, gelagert bzw. gewartet worden sein. (323)
Ob bei der Auswahl des Bergwerks die Lage der Asse in der Nähe der deutsch-deutschen Grenze eine Rolle gespielt hat, ist unbekannt. Dass militärische Forschung in der Asse betrieben worden wäre, „ist keinem ehemaligen IfT-Mitarbeiter bekannt“, heißt es von Seiten des Bundesforschungsministeriums. Ein eindeutiges Dementi klingt anders.
Der Historiker Detlef Möller dokumentiert ein Schreiben des ehemaligen Leiters der Asse an das Bundesschatzamt, heute Bundesfinanzministerium, wo es heißt: „Wir wissen, dass es Bedenken gibt die Asse zu nutzen, aber Sie wissen auch, das es höchst gewichtige Gründe gibt, sie trotzdem zu nutzen.“ (324)
Von welchen „höchstgewichtigen Gründen“ die Rede war ergibt sich aus den vorliegenden Quellen nicht. Einen weiteren Hinweis auf bislang nicht bekannte Funktionen der Asse birgt ein Artikel von Prof. Gerhard Richter-Bernburg, Präsident der BfB (Bundesanstalt für Bodenforschung), der 1977 in Bezug auf die Asse von Endlagerung radioaktiver Abfälle und von der „Zwischenlagerung von zeitweilig aus dem Produktionsgang genommenem Material hoher Aktivität“ (325) sprach.“ (Quelle siehe unten)
Es bleiben Fragen.
Der Focus berichtete bereits im Sommer 2011: „Die dem BfS vorliegenden Unterlagen schließen eine Einlagerung von Atommüll aus der NS-Zeit zumindest nicht aus. Aus der Dokumentation, die der bis Ende 2008 verantwortliche Asse-Betreiber „Helmholtz Zentrum München“ dem BfS übergeben habe, gehe in der Regel nicht hervor, wo und warum eingelagerte Abfälle entstanden seien. „Fakt ist, dass in der Asse auch Uran eingelagert wurde“, sagte BfS-Sprecher Nording weiter.“
Nazi-Atommüll im Meer versenkt?
Eine bemerkenswerte Interpretation der Äußerungen von Urff liefert laut Verivox,dpad ein Strahlenschutzexperte, der namentlich nicht genannt werden will. Demnach „hat Urff mit seiner Aussage nicht gemeint, dass der Müll in das Bergwerk gebracht wurde. Vielmehr habe er ausdrücken wollen, dass die alten Uranrückstände vor Beginn des Asse-Betriebs im Meer versenkt worden seien. Ausgeschlossen erscheint das nicht.“ Das Online-Portal schreibt weiter: „Denn bereits im Frühjahr 2009 bestätigte die niedersächsische Landesregierung Informationen der Grünen, dass im Mai 1967 deutscher Atommüll aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe 400 Kilometer von der portugiesischen Küste entfernt verklappt wurde. Die rund 180 Tonnen schwach radioaktive Abfälle wurden den Angaben zufolge aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe angeliefert und im Emder Hafen auf das britische Schiff „Topaz“ verladen. Bei der Aktion seien gleichzeitig mehrere Hundert Tonnen niederländischer, belgischer und französischer Atommüll versenkt worden.
Nach Angaben der Grünen im niedersächsischen Landtag weigerten sich damals Schauerleute im Hafen, das Schiff zu beladen. Erst daraufhin habe das Gewerbeaufsichtsamt Radioaktivitätsmessungen veranlasst. Hinweise, dass es sich bei den aus Karlsruhe abgeschickten und im Meer versenkten Abfällen teilweise um Reste des NS-Urans handeln könnte, gab es bislang jedoch nicht.“
Der vollständige grüne Abschlussbericht zum Parlamentarischen Untersuchsungsausschuss des niedersächsischen Landtags über die ASSE steht hier zum download bereit (PDF).
 
Hier gibt es das Kapitel 11 (die oben genannten Seiten 78 – 80) über atomare Begehrlichkeiten aus der Nazi-Zeit und der frühen Bundesrepublik direkt zum Nachlesen:
11. Politischer Kontext: Aufrüstung, Atomforschung und kalter Krieg
11.1 Kernspaltung im Nazideutschland
Die Nutzung der Atomtechnologie zum Bau einer Atombombe und die Produktion von Strom mit Hilfe von Kernreaktoren sind zwei Seiten einer Medaille. Auch das Desaster in dem Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel ist ohne einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte dieser Technologie kaum zu verstehen.
Auf die militärische Bedeutung der Kernspaltung von Uran verwiesen der Leiter des Physikalisch-Chemischen Instituts der Universität Hamburg, Prof. Paul Harteck und sein Assistent Dr. Wilhelm Groth in einem Schreiben vom 24.4.1938 an das Heereswaffenamt. Zugleich hob man dort auf die „kriegsentscheidende Bedeutung“ einer Waffe ab, die einem Land eine „nicht einzuholende Überlegenheit“ verleihen könne. Die Göttinger Professoren Georg Joos und Wilhelm Hanle wandten sich in der gleichen Angelegenheit am 22.4.1939 an den Reichsforschungsrat im Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, das von Bernhard Rust geleitet wurde. Dieser veranlasste kurze Zeit später über die Physikalischtechnische Reichsanstalt in Braunschweig die Gründung des Uranvereins, der die Aktivitäten der deutschen Atomforscher zusammenfassen sollte und den Bau einer „Uranmaschine“, mithin eines Kernreaktors anstrebte.310
Das Heereswaffenamt gründete einen zweiten Uranverein, der am Kaiser-Wilhelm-Institut das Uranprojekt verfolgte. Bereits am 6.12.1939 berichtete Heisenberg dem Heereswaffenamt, dass die Voraussetzungen für einen Kernbrennstoff bisher unbekannter Zerstörungskraft geschaffen seien, wenn nahezu reines Uran235 hergestellt werden könne.
Wie weit diese Arbeiten letztlich vorangetrieben wurden und wie weit die Arbeiten zum Bau einer Bombe bis zum Ende des zweiten Weltkrieges entwickelt waren, ist heftig umstritten. Reste dieser Forschungsarbeiten sind offenbar kurioserweise auch in die Asse verbracht wurden. Der stellvertretende Betriebsleiter der Asse wurde am 29.7.1974 verblüffend offen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) mit den Worten zitiert: „Als wir 1967 mit der Einlagerung begannen, hat unsere Gesellschaft als erstes radioaktive Abfälle aus dem letzten Krieg versenkt, jene Uranabfälle, die bei der Vorbereitung der deutschen Atombombe anfielen.“311
11.2 Forderungen nach atomarer Bewaffnung
Trotz der Erklärungen im Rahmen der Pariser Verträge, in denen die Bundesrepublik auf die Herstellung von ABC-Waffen verzichtete, blieb in den frühen Jahren der Bundesrepublik die Haltung zum Besitz von Atomwaffen unklar. Nach der Radford-Krise verabschiedete das Bundeskabinett312 eine Richtlinie, die vorsah den Bau von Atomwaffen auch auf deutschem Boden voranzutreiben, obwohl die Bundesrepublik in den Pariser Verträgen „freiwillig“ verzichtet hatte. Adenauer wird im Protokoll der Kabinettssitzung vom 19.12.1956 mit den Worten zitiert: „Der Bundeskanzler weist auf einen Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung“ hin, wonach der Kongress der Vereinigten Staaten den Einsatz von Atomwaffen beschließen müsse. Eine solche Beschlussfassung sei doch irreal. Das gleiche gelte für den einstimmigen Beschluss der NATO. Es sei daher dringend erforderlich, daß die Bundesrepublik selbst taktische Atomwaffen besitze.“ In einer bis 2002 als Verschlusssache eingestuften Protokollnotiz des Bundeskabinetts vom 9.1.1957 wird Adenauer aus der Sitzung vom 19.12.1956 mit den Worten zitiert: „Es müsse also gefordert werden, den Aufbau der Bundeswehr im Einklang mit den Verpflichtungen beschleunigt durchzuführen, eine Zusammenfassung Europas voranzutreiben und nukleare Waffen in der Bundesrepublik herzustellen.“313
Verteidigungsminister Strauß beharrte 1959 auf einer „Strategie der Abschreckung“, die den „Besitz von Atomwaffen und die Entschlossenheit zum Einsatz einschloss“.314
Im Jahr 1960 kam die Forderung nach atomaren Waffen von Generälen der Bundeswehr. Im Bundestagswahlkampf 1965 erklärte Strauß: „der liebe Gott hat nicht festgelegt, dass die Kontrolle über die für uns so entscheidenden Atomwaffen nur Engländern, Amerikanern und Franzosen vorbehalten ist“.315
1965 begannen in Genf die Verhandlungen über einen Atomwaffensperrvertrag. Adenauer und Strauß sahen in dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen einen „Morgenthau-Plan im Quadrat“ bzw. ein „Versailles von kosmischen Ausmaßen“ und bestätigten damit indirekt die „hidden agenda“ hinter dem Atomprogramm der Regierung Adenauer, schreibt der Biograph von Bundesforschungsminister Hans Matthöfer 316
Demnach hatte die Bundesrepublik zu diesem Zeitpunkt „den Status einer nuklearen Schwellenmacht“, die im Begriff stand, im Kernforschungszentrum Karlsruhe eine von Hoechst projektierte Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoffe zu bauen und damit die letzte noch bestehende Lücke im Kreislauf einer möglichen deutschen Bombenproduktion zu schließen. Das Atomministerium hatte durch seine Forschungspolitik wesentlich dazu beigetragen, diese Option offen zu halten.
Nach Ansicht mancher Beobachter diente der Atomwaffensperrvertrag daher ausdrücklich auch dem Ziel, eine atomare Bewaffnung der Bundesrepublik zu unterbinden. Der Hoechst Vorstandsvorsitzende Karl Winnacker überreichte im Namen des deutschen Atomforums am 24.2.1967 dem Forschungsministereine Stellungnahme die u.a. feststellte: 317 „das grundsätzliche Verbot der Anwendung atomarer Sprengsätze durch kernwaffenlose Staaten auch für friedliche Zwecke“ sei „problematisch“.
Deutschland leistete heftigen Widerstand gegen das zunächst beabsichtigte Verbot des Baus von Wiederaufarbeitungsanlagen und Urananreicherungsanlagen. Die Einführung der Kernbrennstoffflusskontrolle durch IAEA und EURATOM war schließlich ein Kompromiss, der Deutschland trotz Sperrvertrag den Bau aller nuklearen Anlagen ermöglichte. Schließlich unterzeichnete die sozial-liberale Bundesregierung den Atomwaffensperrvertrag am 28. November 1969.
Deutschland ratifizierte den Vertrag nach weiterenheftigen politischen Kontroversen aber erst im Jahr 1973. Deutschland war in der Folgezeit jedoch trotz Ratifizierung verantwortlich für die Umgehung und den Bruch des Atomwaffensperrvertrages; bspw. durch Verletzung der Retransfer-Beschränkung im Fall des Verkaufs von Anreicherungs- und von Wiederaufarbeitungsanlagen an Brasilien.318
11.3 Wiederaufbau nuklearer Forschungskapazitäten
Nach dem Krieg wurde das Know-how von den Alliierten, aber auch in Deutschland zum Aufbau der Atomindustrie genutzt. Seit 1951 drängte eine Reihe von Atomforschern mit Heisenberg an der Spitze bei der Bundesregierung darauf, zielstrebig den Wiedereinstieg in die Kerntechnik zu betreiben. Erste Forderungen aus der Wirtschaft kamen 1953 vom Bundesverband der chemischen Industrie. Federführend war hier der Hoechst-Chef Karl Winnacker, der während des Nazi-Regimes für die IG Farben die Forschung zur Herstellung von schwerem Wasser betrieben hatte.
Nach dem Abschluss der Pariser Verträge, wo Adenauer eine Verzichtserklärung auf die Herstellung von ABC-Waffen unterzeichnete, hoben die Alliierten im Mai 1955 das nukleare Forschungsverbot für die Bundesrepublik auf. Bereits im Oktober 1955 wurde Franz-Josef Strauß Bundesminister des Ministeriums für Atomfragen.Im Juli 1956 wurde die Kernreaktorbau- und Betriebsgesellschaft in Karlsruhe als Keimzelle des Forschungszentrums Karlsruhe und die Kernforschungsanlage Jülich gegründet.
11.4 Organisation des Manhattan-Projekts als Vorbild für deutsche Kernforschung
„Beim Aufbau der deutschen Kernforschung orientierte man sich an den erfolgreichen, in kurzer Zeit entstandenen großen militärischen Forschungsstätten. Diese Institutionen wurden vom Staat finanziert und verwaltet. Die Privatindustrie war als Dienstleister, Zulieferer und Betreiber vertraglich eingebunden. Eine staatliche Koordinierung oder Weisungskompetenz in unternehmerischen Konzeptionen wurde von der Industrie als wenig hilfreich erachtet. Die Steuerungsmöglichkeiten des Staates lagen daher vornehmlich in der Bereitstellung und Bewilligung projektbezogener Fördermittel, in der Grundfinanzierung der staatlichen Forschungseinrichtungen und in der atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtskompetenz“.319
Als deutscher Partner einer gemeinsamen deutsch-französisch-britischen Vertriebsorganisation, der United Reprocessors GmbH (URG), wurde im September 1970 die Kernbrennstoffwiederaufarbeitungsgesellschaft (KEWA) von den Gesellschaftern der Gesellschaft für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (GWK) gegründet.320
Gesellschafter der KEWA waren die Hoechst AG, Bayer AG, Gelsenberg und Nukem. Die KEWA führte später ein Suchverfahren für den Standort einer großen Wiederaufarbeitungsanlage und eines Endlagers für Atommüll durch. Chefgeologe für das KEWA-Auswahlverfahren zur Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll am Standort der damals geplanten weltgrößten Wiederaufarbeitungsanlage war Prof. Dr. Gerd Anger von der Universtät Clausthal, der bei der BAYER AG tätig war.
In München war bereits 1957 der erste deutsche Forschungsreaktor FRM in Betrieb gegangen. Die fünf ersten Forschungsreaktoren wurden in Großbritannien und den USA eingekauft. In Frankfurt ging im Jahr 1958 der Forschungsreaktor FRF-1 in Betrieb. In Geesthacht ging 1958 der Forschungsreaktor FRG-1 in Betrieb. Als erster deutscher Reaktor, der nach eigenem Konzept und in eigener Verantwortung betrieben wurde, ging in Karlsruhe 1961 der Forschungsreaktor FR 2 in Betrieb, der als „Dual-Use Reaktor“ galt. Es folgten etliche weitere, darunter der Schwerwasser moderierte MZFR in Karlsruhe (1965), der Siedewasserreaktor Kahl (1960), der Hochtemperaturreaktor AVR in Jülich (1966) und ein schneller Brutreaktor KNK-II in Karlsruhe (1977).321
Die Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe wurde 1971 in Betrieb genommen. In Jülich und Gronau entstanden Kapazitäten zur Uranreicherung. Aus Karlsruhe und Jülich kamen später die größten Lieferungen mit radioaktiven Abfällen in die Asse.
Faktisch besaß die Bundesrepublik Anfang der siebziger Jahre mit dem FR II Reaktor, der Wiederaufarbeitungsanlage und Gaszentrifugen zur Urananreicherung alle technischen Anlagen und auch das Know-how zum Bau von Atomwaffen.
Im Jahr 1967 verfügte das US-Militär über 31.255 atomare Sprengköpfe.322
Nur für einen kleineren Teil gab es weit reichende Trägerwaffen. Ein Teil dieser Sprengköpfe dürfte in der Nähe des „eisernen Vorhangs“ zum Einsatz mit Kurzstreckenraketen, Geschützen, Minen und kleineren „taktischen“ Raketenwerfern vorgehalten, gelagert bzw. gewartet worden sein.323
Ob bei der Auswahl des Bergwerks die Lage der Asse in der Nähe der deutsch-deutschen Grenze eine Rolle gespielt hat, ist unbekannt. Dass militärische Forschung in der Asse betrieben worden wäre, „ist keinem ehemaligen IfT-Mitarbeiter bekannt“, heißt es von Seiten des Bundesforschungsministeriums. Ein eindeutiges Dementi klingt anders.
Der Historiker Detlef Möller dokumentiert ein Schreiben des ehemaligen Leiters der Asse an das Bundesschatzamt, heute Bundesfinanzministerium, wo es heißt: „Wir wissen, dass es Bedenken gibt die Asse zu nutzen, aber Sie wissen auch, das es höchst gewichtige Gründe gibt, sie trotzdem zu nutzen.“324
Von welchen „höchstgewichtigen Gründen“ die Rede war ergibt sich aus den vorliegenden Quellen nicht. Einen weiteren Hinweis auf bislang nicht bekannte Funktionen der Asse birgt ein Artikel von Prof. Gerhard Richter-Bernburg, Präsident der BfB, der 1977 in Bezug auf die Asse von Endlagerung radioaktiver Abfälle und von der „Zwischenlagerung von zeitweilig aus dem Produktionsgang genommenem Material hoher Aktivität“ 325 sprach.
Alle Versuche des 21. Untersuchungsauschusses über die Kontrolle der bei EURATOM im Rahmen von Art. 3, Abs 1 des Kernwaffensperrvertrages geführten Kernbrennstoffbilanzen die Sicherheitskontrollen (Safeguards) mit den gemeldeten Kernbrennstoffbilanzen der Asse und der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe abzugleichen, sind an der Behörde gescheitert, obwohl die Kontrollen zu diesem Zweck eingerichtet wurden. Durch einen solchen Abgleich hätte mehr Sicherheit über in die Asse eingelagerte Kernbrennstoffmengen gewonnen werden können und jeglicher Verdacht der Proliferation von kernwaffenfähigem Material hätte ausgeräumt werden können.
Anmerkungen:
310: Kernenergieforschung in Celle 1944/45, 1995, S. 22/23
311: SZ, 12.7.2011
312: Protokoll der Sitzung des Bundeskabinetts vom 19.12.1956, Bundesarchiv/Militärarchiv (BA-MA), Bm1/48957 S. 389, zitiert nach Abelshäuser, Nach dem Wirtschaftswunder, Bonn 2009
313: Auszug aus dem Kurzprotokoll über die 164. Kabinettssitzung der Bundesregierung am 19.12.1956, BW1/48957b BMVg RII4
314: Bulletin, hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 16.4.59
315: Bild, 9.9.65
316: Nach dem Wirtschaftswunder, Werner Abelshauser, Bonn 2009
317: Atomwirtschaft 12, 1967, p 121
318 : Joachim Radkau/Joachim Gruber: http://www.acamedia.info/politics/nonproliferation/references/radkau.htm
319 : Die Wiederaufarbeitung von bestrahlten Kernbrennstoffen in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt 2003,Wolfgang Issel
320 : Die Wiederaufarbeitung von bestrahlten Kernbrennstoffen in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt 2003,Wolfgang Issel
321 : Stilllegung und Rückbau kerntechnischer Anlagen, 3. Auflage, Aachen 2009
322 : SZ, 05.05.2010
323:  Spiegel 31/1963
324 : Detlev Möller, Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Bundesrepublik Deutschland, Hrsg. Hans-Joachim Braun, Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Ffm 2009
325 : Gerhard Richter-Bernburg, bild der wissenschaft, 12-1977

Dirk Seifert

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