Die Floßtour ist gestartet und hier nun das Logbuch der ersten Floßtage in Bad Cannstatt. Dieser Artikel wird regelmäßig mit den Logbucheinträgen der nächsten Tage bis Heilbronn aktualisiert. Stuttgart-Bad Cannstatt (20-22.07.) Nachdem wir unser Floß ROBINA WALD II in Stuttgart-Hofen zusammengebaut hatten, begann die Floßtour 2010 unter dem Motto „KLAR ZUM ENTERN – KLIMASCHUTZ SELBER MACHEN“. Es gab anfänglich unerwartete Diskussionen mit regionalen Behörden, die von uns eine Anmeldung als Sondertransport verlangten, obwohl wir seit 2 Jahren als Kleinfahrzeug zugelassen und ohne spezielle Genehmigung unterwegs sind. Auf dem Weg vom Aufbauort zum Startpunkt der Tour in Stuttgart-Bad Cannstatt begrüßten zwei Aktivisten von Robin Wood das Floß, indem sie sich mit einem großen Transparent mit der Aufschrift „Klimaschutz statt Kohleschmutz“ an der Brücke am Kohlekraftwerk von EnBW im Stadtteil Münster auf das Floß abseilten. Aktion am Stuttgarter Kohlekraftwerk der EnBW am 20.07.10 auf dem Weg nach Cannstatt (Foto: C. Grodotzki/ROBIN WOOD) Bei unserer Ankunft in Bad Cannstatt wurden wir von JournalistInnen empfangen, die viele Fragen zu unserem Projekt hatten — am nächsten Tag erschienen dann auch mehrere Artikel in Zeitungen über die Floßtour. Neben der Arbeit am Robin Wood Infostand unterstützte die Floßcrew den lokalen Protest gegen das Milliardengrab der Deutschen Bahn, Stuttgart 21, mit einem riesigen Transparent an einer Fußgängerbrücke über dem Neckar. Über das Transparent freuten sich zahlreiche PassantInnen, die uns auf dem Floß besuchten. Um so enttäuschter waren sie, als es auf Anordnung des Ordnungsamts entfernt und dabei von einem Beamten beschädigt wurde. Die seit Tagen herrschende Hitze und Schwüle wäre schwer erträglich, gäbe es nicht den Neckar zum gelegentlichen abkühlen. Wir nutzten die Zeit in Cannstatt auch, um letzte Vorbereitungen und Besorgungen für die Tour zu erledigen. Zwischendrin fanden wir noch Zeit, aus Treibholz ein kleines Beifloß zu konstruieren. Nur so zu Übungszwecken… Wir tauften es auf den Namen Sebastian, praktischerweise trieb auch ein entsprechendes Schild an. Bad Cannstatt – Ludwigsburg (22.7.) Es war für manche von uns eine kurze Nacht: ein Gewitterregen durchfeuchtete die draußen schlafenden etwas. Wir verließen Stuttgart am Donnerstag gegen 10:30. Nach den hoffentlich letzten bürokratischen Hürden — einer kurzen Abnahme des Floßes durch die Wasserschutzpolizei — machten wir uns auf den Weg nach Ludwigsburg, wo wir nach ca. 6 Stunden eintrafen. Der Abschied von unserem selbst gebauten Beifloß „Sebastian“ fiel uns schwer, doch mussten wir es zügigerem Vorankommen opfern. Floß on Tour (Foto: C.Grodotzki/ROBIN WOOD) Nach sechsstündiger Fahrt wurden wir in Ludwigsburg Hoheneck von ungeduldigen Passanten erwartet, die trotz Regens und unserer Verspätung an der Anlände ausgeharrt hatten um mit ihren Kindern das Floß zu stürmen und unseren Infostand zu begutachten. Den Rest des Abends verbrachten wir in gemütlicher Regenrunde auf dem Floß und warteten ungeduldig auf Sani-Christoph der uns zu später Stunde mit Unmengen Pommes und lokalem Malzgetränk versorgte. Ludwigsburg – Besigheim, 23.7. Jule und Benni starteten, wie am Abend zuvor geplant, heute schon um 7.00 früh den Motor da wir bis Besigheim eine weite Strecke vor uns hatten. Die restliche Teil der Crew wachte erst in Marbach auf, wo wir wegen kurzzeitigen Motorproblemen anlegen mussten. Die Ursache des Motorproblems wurde jedoch von Benni und Jule schnell gefunden und konnte in guter Teamarbeit schnell behoben werden. Jules langer Tag (Foto: C.Godotzki/ROBIN WOOD) Nun konnten wir nun unsere Fahrt in Richtung Besigheim fortsetzen. Als wir nach neunstündiger Fahrt unseren Anleger in Besigheim erreicht hatten, war einem Großteil der Crew die Erschöpfung anzusehen. Günther übernahm die Infoarbeit in der schönen Besigheimer Altstadt und verteilte unsere neuen Floßtour-Klimaflyer. Den Abend verbrachten wir an unserem idyllischen Anlegeplatz und nutzten dies, um an diesem verregneten Abend die nächsten Tage zu planen und zu organisieren. Crew: Alex, Günther, Gerrit, Jule, Lena, Wilfried, Kei, Punky, Benni, Simon, Michi, Christoph Besigheim – Lauffen, 24. 7. Bereits am frühen Morgens hatten wir Besuch: Zwei nette junge Herren der Zivilpolizei beobachteten uns unauffällig beim Zähneputzen, waren aber vermutlich wie immer aus „rein privatem Interesse“ da. Als unsere Zelte abgebaut waren ging die Reise zügig los. Bereits nach der ersten Schleuse warteten die ersten Interessierten in einem blauen Boot auf uns, welches uns auf dem ganzen Weg begleitete. Auch auf dem weiteren Weg wurden wir zu Wasser und Land begleitet, führte unsere Strecke doch am Atomkraftwerk Neckarwestheim vorbei. Zunächst machten wir einen kleinen Ausflug mit dem Schlauchboot, welcher von einem Polizeiboot begleitet wurde. Dabei stellten wir fest, dass wir bereits von weiteren Polizeieinheiten (samt Hunden) erwartet wurden. Als auf Höhe des Kraftwerkes neben dem großen und dem kleinen Polizeiboot noch ein Weiteres auftauchte, fühlten wir uns verpflichtet, deren Geschwindigkeit und Wendigkeit zu testen. Verfolgungsjagd vor dem AKW Neckarwestheim (Foto: ROBIN WOOD) Diverse Schlauchboot- und Floßmanöver wurden von der Forderung begleitet, Neckarwestheim und alle anderen Atomkraftwerke bzw. -anlagen endlich vom Netz zu nehmen. Dies wurde der Polizei lautstark per Megaphon kund getan. Nach der wilden Verfolgungsjagd nahmen wir ein Bad im nun „wohl temperierten“ Neckar. Die reißende Strömung des Neckaraltarmes, die die Leistung des Floßmotores und die Fahrkünste des Fahrers unter Probe stellte, bereitete uns dabei großte Freude. „Strahlend“ kamen wir aus dem Wasser, leisteten noch weitere Infoarbeit und wurden von der Ortsgruppe des BUND und Christians Familie besucht. Am Abend gingen einige nach einem anstrengenden Tag früh schlafen, andere Flößer mischten sich bei der italienischen Nacht unter die Lauffener. Crew: Alex, Günther, Gerrit, Jule, Lena, Wilfried, Punky, Benni, Simon, Aglaia Lauffen- Heilbronn, 25.7. Wir wurden in Lauffen von herrlicher Morgensonne geweckt. Als wir gefrühstückt hatten, kamen Barbara und Jürgen vom BUND Lauffen unserer Einladung nach und begleiteten uns bis Horkheim. Sie bereicherten uns mit ihrer Wissen zu lokalen Themen wie Landschaft, Wirtschaft und Politikgeschehen, wie z.B. die Ausweitung der Schiffsverkehr auf dem Neckar und die daraus resultierenden ökologischen Folgen. Nachdem wir uns die ersten Kilometer bei traumhaften Wetter treiben ließen, kam es zu einer Meuterei gegen Kaptain Punky mit anschließender Wasserschlacht im angenehm kühlen Neckar. Ebenfalls zugestiegen waren Lenas Eltern, die dafür sorgten, dass die Dienstkleidung der Crew gewaschen wird. In Heilbronn angekommen wurde schnell der Infostand aufgebaut. Aufgrund der zentralen Lage unseres Steigers direkt an der Promenade der Stadt, freuten wir uns über viele neugierige Besucher und bekamen viel Zuspruch. Am Abend kochten wir Reis mit Bohnen und Sojageschnetzeltem und planten anschließend den Ablauf der nächsten Tage. Die Nacht verbrachten wir in einen nahe gelegenen Yachthafen, um am nächsten Morgen zurück an den zentral gelegenen Anleger zwischen der Heilbronner Taxifähre und dem Theaterschiff anzulegen. Crew: Aglaia, Simon, Benni, Punky, Wilfried, Jürgen, Jule, Guzzi, Gerrit, Günther, Barbara, Alex, Daniel Heilbronn Heute ging es zurück zu unserem Anleger mitten an der Fußgängerzone, wo sich auch bereits viele Interessierte einfanden. Einige von uns gingen zu den Anti-Atomprotesten des Energiewendebündisses Heilbronn. „Sofortiger Atomaustieg“ hieß es zu Beginn der Kundgebung und später kam die Demo auch bei uns am Floß vorbei. Mit dem Kohlekraftwerk steht in Heilbronn der zweitgrößte Kohledioxidemittent in Baden-Würtemberg, auch dies ist Thema des Bündnisses. Kurz darauf zog die Demo weiter. kurze Kungebung am Floß (Foto: Daniel Häfner/ ROBIN WOOD) Gemütlich ist unser Liegeplatz nicht gerade, aber wir haben die Großstadt genutzt um unsere Vorräte aufzufüllen und auch viel Hilfe wurde uns angeboten. Den Rest des Tages schüttete es ganz schön, trotzdem besuchten uns viele Menschen und auch zwei Journalisten fanden den Weg zu uns. Das Kohlekraftwerk wurde immer wieder Thema. Gegen Abend wurde es ruhiger. Mark Twain bereiste den Neckar auch auf einem Floß und zwar ab Heilbronn. Deshalb las uns Jule heute abend aus seinem Buch „Bummel durch Europa“ das entsprechende Kapitel vor. Unser heute passendes Zitat: „Eine Mütze voll Regen verursacht im Neckar Hochwasser, und ein Zuber voll führt eine Überschwemmung herbei.“ Und das letzte Zitat für diesen Logbucheintrag schafft Interesse für den nächsten Teil der Tour, auf dem uns Mark Twain begleiten wird: „Die Bewegung eines Floßes ist gerade die richtige; sie ist träge, geitend, sanft und geräuschlos; sie beruhigt alle fiebrige Betriebsamkeit, schläfert alle nervöse Hast und Ungeduld ein; unter ihrem beruhigendem Einfluß schwindet jeglicher Ärger, Verdruß und Kummer, der den Geist quält, und das Leben wird ein Traum…“