Floßlogbuch Teil 2 Bad Wimpfen – Heidelberg
In Heilbronn starten wir mit Mark Twain im Gepäck, der die selbe Strecke vor 130 Jahren auch schon mit dem Floß befuhr. Hier gibt es nun die aktuellen Logbucheinträge: Heilbronn – Bad Wimpfen 27.07. Gegen 9.00 Uhr hatten wir eine Arbeitsbesprechung, das Wetter war nicht sonderlich schön und wir legten früh ab. Vorher versorgten wir uns noch mit dem nötigsten und wurden vom Reformhaus Maier großzügig beschenkt – für die nächsten Tage haben wir ausgesorgt. Wir fuhren den Altarm zurück und nahmen den Weg über den „Kanal“, der Neckar heißt. Hinter der Schleuse und vor dem Kohlekraftwerk erwarteten uns Boote der Wasserschutzpolizei welche zwischen uns und dem Kai Position bezogen hatten um ständig mit auf gleicher Höhe zu bleiben. Das Kohlekraftwerk ist der zweitgrößte Kohlendioxidemittent in Baden-Württemberg und so bedachten wir es auch mit einer Mini-Ansprache per Megaphon. In Bad Wimpfen angekommen bauten wir unseren Infostand auf und wurden von vielen Fahrradfahrern besucht, welche das Floss neugierig und interessiert unter die Lupe nahmen. Jule, Benni, Guzzi, Lena und Simon hängten Seile in eine am Floß gelegene Trauerweide und übten ein wenig „Retten aus dem Baum“. Während dessen trafen 3 Polizeibeamte ein, welche sich über eine mögliche (Kletter-)Aktion am Bad Wimpfener Chemiewerk „Solvay“ sorgen machten, da einige engagierte Bürger gegenüber der Polizei mit viel „Zivilcourage“ ihre Bedenken via 110 geäußert hatten. Während dessen kam Günther in den Genuss einer persönlichen Präsentation des Werkes durch die Geschäftsführung, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass sich das Unternehmen um Umweltschutz bemühe. Die Nervosität wird verständlich, wenn klar ist, dass dieses Werk der letzte große FCKW-Produzent in Deutschland war, gegen den massiv protestiert wurde, bis die Produktion eingestellt wurde. Anschließend gingen einige der Crew schwimmen und wir verbrachten einen gemütlichen Abend auf dem Floss mit sternenklarem Himmel. Crew: Guzzi, Benni, Jule, Simon, Lena, Daniel, Günther, Wilfried, Gerrit Bad Wimpfen – Neckarelz-Mosbach 28.07. Als einige der Floßcrew bereits um 6 Uhr aufstanden, lag das Floß in einer herrlichen Nebellandschaft. Schon früh machten wir uns los, um den Neckar hinabzugleiten, vorbei an alten Burgen und Weinbergen. Nach fünfstündiger Fahrt erreichten wir das verregnete Neckarelz/Mosbach und wurden fröhlich von Fifi und Kei empfangen. Auch ein Journalist der Rhein-Neckar-Zeitung besuchte uns am Floss und machte Fotos und Interviews. Nun liegen wir am Steiger des Ruderclubs Neptun, räumen das Floss auf, kochen und machen Infoarbeit. Den Abend verbrachten wir auf dem Floss und warteten auf Alex, der uns erst spät erreichte. Crew: Guzzi, Benni, Jule, Simon, Lena, Daniel, Günther, Wilfried, Gerrit, Peter, Kei Mosbach- Eberbach 29.07. Wir verließen Mosbach bei Sonnenschein bereits um 7 Uhr, da wir mit 25 Kilometern den auf dieser Tour bisher längsten Weg vor uns hatten. Wir ließen uns ein Weile treiben und genossen das schöne Wetter. Auf dem Weg passierte das Floß das bereits stillgelegte Atomkraftwerk Obrigheim, wo wir erneut von einem größeren Polizeiaufgebot begleitet wurden. Dann lagen wir vor der Schleuse Guttenbach und warteten darauf geschleust zu werden. Das Wetter war plötzlich umgeschlagen und wir saßen bei Platzregen und Gewitter unter unseren Planen. Wir warteten insgesamt 3,5 Stunden, weil ständig große Berufsschiffe vor uns geschleust wurden. Das brachte unseren ganzen Plan durcheinander und wir erreichten Eberbach erst gegen 18.00 Uhr. Auf dem Weg sammelten wir einen zweiten Peter ein, der uns ein kleines selbstgemachtes Transparent zum Thema Klimaschutz und Binnenschifffahrt mitbrachte. In Eberbach angekommen kam eine Lokaljournalistin und auch eine Förderin besuchte uns samt Familie. Wir sprachen noch mit einigen Passanten, aber eigentlich hätten wir gern mehr Werbung für Ökostrom gemacht, wollen sich doch die Stadtwerke Eberbach an einem Kohlekraftwerk in Brunsbüttel beteiligen. Crew: Alex, Lena, Jule, Simon, Benni, Gerrit; Wilfried, Guzzi, Peter und Kei, Christian Hirschhorn 30.07. Heute hatten wir eine kurze Strecke vor uns, deshalb ließen wir den Tag gemütlich angehen. Jule und Lena verließen uns. Jule hatte schon die Säge in der Hand, weil ihr Rucksack an den Infostand gekettet war, bis sich der Schlüssel fand. Lena winkte uns lange vom Ufer hinterher – bis sie samt Kleidung in den Neckar sprang, um zum Floß zu schwimmen und uns zu umarmen. Wir brachten sie mit dem Schlauchboot zum Ufer und ließen sie traurig zurück. Die Fahrt ging durch enge bewaldete Täler, durch die wir langsam dahinglitten. Das Wetter war schön und die Sonne füllte unsere Solarbatterie. An der Schleuse warteten wir nur kurz und dort hatten wir einen entspannteren Kontakt zur hiesigen Wasserschutzpolizei. Wir genossen den Anblick der schönen mittelalterlichen Altstadt und Andi besuchte uns kurz, mit dem Alex Ende des 20. Jahrhunderst in Indien war. In Hirschhorn machten wir am Kai unterhalb der Stadtmauer fest. Kaum angekommen empfing uns die lokale Presse und wir hatten ein interessantes Gespräch zum Kohlekraftwerk in Mannheim. Mark Twain schrieb über Hirschhorn: „Es war ein Viertel, das mit verwachsenen, schielenden, verwahrlosten und ungekämmten Idioten wohl versehen war.“ Das konnten wir so nicht finden und machten einen entspannten Bummel durch die kleine Altstadt und hinauf zur Burg. Kei und Peter malten unser Besichtigungstranspi neu und wir machten einige kleinere Reparaturen. Einige Touristen und Interessierte kamen vorbei und ein Ehepaar führte uns kurz ihr 3 Liter-Auto vor. Am Abend besuchte uns noch die lokale Polizei und wollte „nur einmal schauen“. Die Äußerungen von ihnen zu Ökos, die zuhause alles unökologisch machen etc. könnten aber eventuell doch zu Mark Twains Zitat passen und kurzzeitig dachten wir über eine Dienstaufsichtsbeschwerde nach. Derweil genoss Alex vom dem Turm der Burg die Aussicht und wurde prompt eingeschlossen. Nachdem er schon über das Dach flüchten wollte, erbarmten sich einige Kellner des benachbarten Restaurants und befreiten ihn. Daniel und Gerrit stießen dann zu ihm und sie arbeiteten an den Laptops hoch oben über dem Rhein bis zur Nachtruhe auf dem Floß. Crew: Aglaia, Alex, Simon, Benni, Daniel, Guzzi, Wilfried, Gerrit, Peter Hirschhorn – Neckargemünd 31.07. Da wir lediglich eine Strecke von 12 km bis Neckargemünd vor uns hatten, begann der heutige Tag mal ganz entspannt. Als wir bei Sonnenschein aufwachten, hatte unser Frühaufsteher Willfried bereits Brötchen geholt. Nachdem wir unsere Wasserkanister mit frischem Quellwasser aufgefüllt hatten und das Floss abfahrbereit war, besuchten uns Adelheid mit ihren Kindern Oliver, Irene und Sandra, sowie Alex Bekannter Andi. Sie alle waren am heutigen Tag unsere Mitfahrer. Der Streckenabschnitt hatte neben schönen Orten wie Neckarsteinach (wo wir die vielen Passanten per Megaphon über die Ziele unserer Flosstour informierten) eine wunderschöne Landschaft mit Burgen und schönen Berghängen zu bieten. Nachdem wir uns eine Weile treiben ließen und dies für eine Badepause im angenehm kühlen Neckar nutzen, erreichten wir gegen 15 Uhr Neckargemünd. Dort wurden wir von Mitgliedern der Grünen Ortsgruppe und vielen Passanten mit Kaffee und Kuchen empfangen. Unser Infostand war aufgrund vieler Touristen und vorheriger Ankündigung unseres Eintreffens in der Presse so stark besucht wie auf dieser Floßtour selten, so dass wir mit vielen Menschen ins Gespräch kamen. Als die 4jährige Sandra das Floß verließ sagte sie ihrer Mutti: „Siehst du, es war mir gar nicht langweilig und eine Freundin hatte ich auch.“ Am Abend bekamen wir erneut Besuch von Mitgliedern der Grünen, die uns mit selbstgemachter Pizza und Getränken versorgten. Zu später Stunde traf dann Steffi, direkt vom Vorstandstreffen kommend, samt Flosshund Kiri ein. Morgen fahren wir weiter nach Heidelberg, wo wir die nächsten drei Tage an den Neckarwiesen liegen werden. Crew: Aglaia, Andi, Adelheid, Oliver, Irina, Sandra, Benni, Simon, Alex, Gerrit, Wilfried, Peter, Guzzi, Steffi Neckargemünd – Heidelberg 01.08. Schon um sechs Uhr verließen wir Neckargemünd, da von 9 bis 11 Uhr ein Triathlon stattfinden sollte und deswegen die Schleuse vor Heidelberg gesperrt sei. Dieser wurde jedoch auf Grund zu starker Strömung zum Duathlon und so konnten wir ohne weitere Probleme den Abschnitt passieren. Bei unserer Ankunft an den Neckarwiesen wurden wir vom Robin Wood Vorstand fröhlich empfangen. Unser Infostand war an diesem Tag gut besucht, da der nun Duathlon nahe des Steigers stattfand und viele Neugierige anlockte. Stefan fuhr mit dem Fahrrad zur „Gärtnerei“ (einem selbstverwalteten, studentischen Gartenprojekt), welche uns mit selbst angebautem Gemüse versorgte. Am Abend kochten wir dieses und verbrachten den restlichen Abend auf dem Floß. Mark Twain erreichte Heidelberg, das Ende seiner Floßtour im Übrigen unter anderen Umständen: „Wir stachen rechtzeitig in See, um vor Einbruch der Dunkelheit die 8 Meilen lange Strecke bis Heidelberg zurückzulegen […] Ich glaubte, selbst unter der Brücke nindurchsteuern zu können, und so ging ich zu den drei Stämmen an der Spitze und nahm dem Steuermann die Stange und die Verantwortung ab. Wir rasten in ungeheuer aufregendem Stil dahin und ich erfüllte die heiklen Pflichten meines Amtes für einen ersten Versuch wirklich sehr gut, aber da ich plötzlich bemerkte, dass ich tatsächlich dabei war, die Brücke selbst anzusteuern, statt das Gewölbe unter ihr, trat ich verständig genug an Land. Im nächsten Augenblick war mein lang gehegter Wunsch erfüllt: Ich sah ein Floß zerschellen. Es traf den Pfeiler genau in der Mitte und zersplitterte und zerfetzte wie eine vom Blitz getroffene Schachtel Streichhölzer. Ich war der einzige unserer Gesellschaft, der diesen großartigen Anblick erlebte.“ Hoffen wir, dass es unserem Floß nicht so ergeht. Am nächsten Tag wurden im Übrigen einige unserer Aktiven vom Floß angeblich bei einer Kranbesetzung des Kohlekraftwerks Mannheim gesichtet, aber das ist eine andere Geschichte. Heidelberg 02.08. Als wir erwachten, hatte Matthias uns bereits Brötchen mitgebracht. Nach dem Frühstück bauten wir den Infostand auf und begannen die Infoarbeit. Langsam trudelten einige der Floßcrew, die auswärts übernachtet hatten, um sich eine Auszeit vom Floß zu nehmen, wieder ein. Am frühen Nachmittag verließen einige der Besatzung vorrübergehend das Floß, wegen einer Einladung zum Essen und Plaudern mit den Heidelberger RoWos, einige von uns besuchten die Innenstadt. Die plötzliche Verringerung der Besatzung gab der Wasserschutzpolizei den Anlass vorbeizuschauen und nach dem Rechten zu gucken. Aufgrund von Kommunikationsproblemen wurde es versäumt der am Floß gebliebenen Crew Essen vorbeizubringen, sodass sie an diesem Abend fast verhungern mussten. Abends verließen uns noch Fifi und Gerrit und wir gingen (fast) alle zeitig schlafen. Heidelberg 03.08. Nach dem Aufstehen erfuhren wir, dass es uns vollkommen unbekannten ROBIN WOOD AktivistInnen gelungen war, einen Kran auf der Baustelle des sich im Bau befindenen Kohlekraftwerkes in Mannheim zu besetzten. Dabei entrollten sie ein riesiges Transparent mit der Aufschrift “BAU STOP- CLIMATE JUSTICE NOW” und forderten einen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträgern. Am Floss wurde derweil weiter fleißig Infoarbeit geleistet und viele Interessierte besuchten uns und stellten viele Fragen. Am Nachmittag veranstalteten wir in Flossnähe ein Schnupperklettern, welches allen Teilnehmenden viel Freude bereitete. Hierbei half auch Uli, die zuvor angereisst war und unsere Crew nun verstärkt. Gegen 20:30 Uhr fingen wir an, das in der Presse angekündigte Flosskino vorzubereiten. Als es dunkel wurde begannen wir nun, mit vielen Neugierigen Filme über vergangene Robin Wood Aktionen, eine alte Floßtour und andere politische Themen zu schauen. Nachdem das gelungene Abendprogramm zu Ende war und einige schon vor dem Beamer unter der Brücke einschliefen bauten wir alles ab und gingen an Bord schlafen.
Die besten Gruesse aus Brasilien!