Sozialplan bei First Solar – Die Krise der Solarbranche und die Lage der Beschäftigten

Auf ihrer Homepage nimmt die IG Metall zu den Verhandlungen beim Solarhersteller First Solar Stellung. Ende des Jahres wird der Modulhersteller seine beiden Werke in der Nähe von Frankfurt/Oder schließen. Die Stellungnahme können sie hier gleich im Anschluss lesen. Was bei First Solar los ist finden sie hier.
Im Mai hatte die IG Metall das „Weißbuch Photovoltaik“ veröffentlicht, in dem die Gewerkschaft umfassend die Chancen und Möglichkeiten der Solarenergie skizziert und besonders auf die Situation der Beschäftigten in dieser Branche eingeht und ihre Forderungen entwickelt. (Siehe dazu den downloadlink unten). Auch in diesem Artikel vom 5. Juni 2012,  „Photovoltaik – wichtiger Baustein bei der Energiewende – Nur mit Tarif und guter Arbeit hat die Solarbranche Erfolg“ liefert die IG Metall einige wichtige Informationen über die Struktur der Solarindustrie, ihre Probleme und die Situation und Forderungen für die Beschäftigten.
Die Stellungnahme der IG Metall zur Krise von First Solar und der Solarbranche insgesamt: „Die Krise der Solarbranche ist nirgends so drängend wie in Ostdeutschland. Viele Arbeitsplätze sind akut gefährdet. Umso wichtiger ist ein Betriebsrat, der sich für die Beschäftigten einsetzt – wie bei dem von Schließung bedrohten Betrieb First Solar in Frankfurt/Oder.

Mehrere Hersteller in Deutschland haben derzeit große Probleme. Der extreme Preisdruck durch Konkurrenz aus China, dessen Bauteile – Zellen und Module – teilweise um ein Drittel billiger sind, ist einer der Gründe für die Branchenkrise. Ein Übriges tat der Streit um die Kürzung der Solarförderung in Deutschland.
Die Beschäftigten von First Solar in Frankfurt/Oder wissen ein Lied davon zu singen. Ihnen hatte die Geschäftsführung im April erklärt, dass der Betrieb Ende Oktober dicht machen würde. Der Schock saß tief bei den 1200 Beschäftigten. Erst seit 2007 fertigt First Solar an dem Standort, massiv gefördert durch die Landesregierung in Brandenburg.
Beschäftigung in der Region halten
Diese Woche zeichnete sich für die Belegschaft von First Solar eine Verschnaufpause ab. Der amerikanische Konzern einigte sich mit dem Betriebsrat auf einen gut ausgestatteten Sozialplan und die Einrichtung einer Transfergesellschaft. Der Standort wird dank neuer Aufträge erst Ende Dezember geschlossen, immerhin zwei Monate später als ursprünglich geplant. Die Beschäftigten sollen Abfindungen erhalten. Ein Teil der Mitarbeiter wird wegen der Abwicklung des Standortes noch bis April 2013 beschäftigt. Die Transfergesellschaft ist für neun Monate vereinbart. Dort sollen die Beschäftigten von First Solar qualifiziert und weiter vermittelt werden. Ziel ist es, möglichst viel qualifizierte Beschäftigung in der strukturschwachen Region zu halten.
Das Beispiel zeigt das Ausmaß an Herausforderung für Belegschaften der krisengeschüttelten Branche. Viele Beschäftigte haben keinen Betriebsrat, der sich bei Problemen vor sie stellt. Oft versuchen die Geschäftsführer, eine Betriebsratsgründung mit allen Mitteln zu durchkreuzen. Die IG Metall wirbt unbeirrt dafür, dass die Belegschaften der Solarbetriebe eigene Interessenvertretungen wählen. Außerdem arbeitet sie an der Vernetzung der Unternehmen, damit sich Betriebsräte gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite stehen. Außerdem hat die IG Metall vor kurzem den Branchendialog Solar initiiert und fordert einen industriepolitischen Aktionsplan für die Solarbranche.
Tarifverträge durchsetzen
Dass es ohne die Betriebsräte nicht geht, ist offenkundig. Niemand kennt die Probleme so gut wie die gewählten betrieblichen Interessenvertreter. Betriebsräte tragen dazu bei, die Probleme im Betrieb und in der Branche transparent und regelbar zu machen. Das schließt Konflikte nicht aus, öffnet sie aber für Gespräche und die Suche nach konstruktiven Lösungen. Gerade in der jungen krisengeschüttelten Solarbranche ist die Kompetenz von Betriebsräten so wichtig.
Viele Unternehmen sind einmal als „Garagenfirmen“ gestartet und konnten erst einmal mit betrieblicher Mitbestimmung wenig anfangen. Auch Tarifverträge waren lange ein Fremdwort für die Branche. Deshalb ist es ein umso größeres Verdienst der Arbeitnehmervertreter, dass es zwischenzeitlich gelungen ist, zusammen mit der IG Metall einige Tarifverträge durchzusetzen. Derzeit verhandelt die IG Metall und die betriebliche Tarifkommission des Solarunternehmens Aleo in Prenzlau, eine Bosch-Tochter, über den Abschluss eines Tarifvertrags für über 600 Stammbeschäftigte.
Akuter Handlungsbedarf
Nur durch tarifvertragliche Regelungen erhalten die Beschäftigten eine größere Sicherheit für die Entwicklung ihrer Einkommen und Arbeitszeiten. Das ermöglicht ihnen eine verlässliche Lebensplanung und bindet sie in hohem Maß an ihren Arbeitsplatz. Nur durch gute Arbeitsbedingungen und attraktive Entgelte kann langfristig gutes qualifiiziertes Personal in der Branche gehalten werden.
Im Weißbuch Photovoltaik, das die IG Metall vor kurzem veröffentlich hat, steht es schwarz auf weiß, was den Beschäftigten der Solarfirmen unter den Nägeln brennt: Lange Arbeitszeiten, viele Überstunden, schlecht geregelte Schichtarbeit, geringe Entlohnung, exzessiver Einsatz von Leiharbeitern sind die Probleme mit dem drängendstem Handlungsbedarf. Alle diese Themen packen Betriebsräte und IG Metall an.“
Hier gibt es das Weißbuch Photovoltaik: Die Zukunft einer jungen Industrie gestalten PDF  (2427 KB)

Dirk Seifert