Stresstest läuft für Atommülllager und Uranfabriken in Gronau und Lingen

Die Atommülllager-Zwischenlager sowie die Uranfabriken in Gronau und Lingen werden derzeit aufgrund der Katastrophe von Fukushima einem Stresstest unterzogen. Darin soll geprüft werden, inwieweit die mit hochradioaktiven Atommüll gefüllten Lager gegen Flugzeugabstürze, Hochwasser und Angriffen gesichert sind. Auch die zur Urenco-Gruppe gehörende Urananreicherungsanlage in Gronau sowie die zum Areva-Konzern gehörende Brennelementefabrik in Lingen sollen entsprechend geprüft werden. Doch mit einem wirklichen Test hat das nichts zu tun. Antworten erfolgen vor allem aufgrund von alten Dokumenten und Genehmigungen.
Im Auftrag des Bundesumweltministeriums führt die Entsorgungskommission (ESK) unter dessen Vorsitzenden Michael Sailer (Öko-Institut Darmstadt) diesen Stresstest durch. Ende Mai hat die ESK einen Fragenkatalog veröffentlicht. (Frageliste der ESK für den Stresstest für die Anlagenkategorien 1, 3 und 6, 29.05.2012). Seit Anfang Juni haben offenbar die Anlagenbetrieber diese Fragen auf dem Tisch.
Die Überprüfung erfolgt für Atomanlagen der Ver- und Entsorgung und werden von der ESK in drei Kategorien eingeteilt:

  • Anlagen der Versorgung: Urananreicherungsanlage URENCO in Gronau, ANF Brennelementherstellung in Lingen, (Anlagenkategorie 1 der ESK-internen Einteilung),
  • trockene Zwischenlager für bestrahlte Brennelemente bzw. verglaste Abfälle in  Lagerbehältern: zwölf Standortzwischenlager, Zwischenlager Nord, Zwischenlager Gorleben, Zwischenlager Ahaus und Zwischenlager Jülich, (Anlagenkategorie 3 der ESK-internen Einteilung) und
  • sonstige große Einrichtungen der Entsorgung: PKA, WAK, VEK, (Anlagenkategorie 6 der ESKinternen Einteilung).

Die „Westfälische Nachrichten“ berichtet in ihrer Online-Ausgabe vom 8. Juni 2012, dass für die Anlagen in NRW diese Überprüfung bereits begonnen habe und bis Mitte August Ergebnisse abgeliefert werden müssen. Die zuständigen Aufsichtsbehörden in den Bundesländern sollen die Antworten einsammeln und laut Angaben in der WN bis zum 17. August an das BMU bzw. die ESK zurückschicken. Auf dieser Basis wird dann die ESK ihren Bericht erstellen.
Neue Studien, externe Gutachten etc. sind im Rahmen dieser Überprüfung so gut wie nicht vorgesehen. Das bestätigt auch der Artikel der WN: „Stresstest klingt auf den ersten Blick nach viel Praxis, danach, dass externe Experten die Anlagen aufsuchen und deren Sicherheitsarchitektur auf Herz und Nieren untersuchen. Dem ist aber nicht so, erklärte Maik Grimmeck, Sprecher des NRW-Wirtschaftsministerium, am Freitag auf Nachfrage.“
Auch wenn der Stresstest unter der Regie des Bundesumweltministeriums läuft: Die Länder sind zunächst offenbar Adressaten der Antworten und gehalten, dem BMU bzw. der ESK bis zum 17. August Bericht zu erstatten. „Dabei nehmen wir un­sere Aufgabe als Atomaufsicht sehr wohl ernst und werden bei Bedarf natürlich kritisch nachfragen“, sagte Grimmeck.
Am 2. Juli berichtet die WN unter der Überschrift: „Der Stresstest für Atomanlagen ist vor allem Archivarbeit“ und stellt die Frage: „Stresstest-Placebo? Das ist der erste Eindruck.“  Weiter schreibt Elmar Riess: „Stresstest, das klingt nach Belastungs-EKG, nach Austesten von Sicherheitsgrenzen, danach, dass die Schutz-Architektur von auswärtigen Experten auf Herz und Nieren überprüft wird. Dem ist aber nicht so.“
WN-Autor Riess berichet weiter über die Abwicklung aus dem Atommüllzwischenlager in Ahaus: Laut Burghard Rosen, Sprecher des Betreibers Gesellschaft für Nuklear-Service mhH (GNS),  geht es bei der Beantwortung der Fragen praktisch darum, „ins Archiv zu steigen und die benötigten Un­ter­la­gen herauszusuchen“, so die WN. Es werden also lediglich alte Ordner und Dokumente durchgeforstet, um die Stresstest-Fragen zu beantworten.
Hinzu kommt, dass die Bearbeitungszeit für die Betreiber einigermaßen kurz ist: Erst Anfang Juni hatte das BMU/EKS den Anlagenbetreibern die Fragen übermittelt und eine Frist bis zum 31. Juli gesetzt. Dann gehen die Antworten offenbar an die jeweiligen Aufsichtsbehörde der Länder, die (siehe oben) die Berichte bis zum 17. August an das BMU/ESK schicken sollen. Gegenüber der WN sagte Markus Röder, Werksleiter der GNS Anlage in Ahaus: „An der Kürze der Zeit merken Sie schon, dass natürlich nicht jede Anlage im Detail neu überprüft werden kann“.
Für die in NRW für die Atomaufsicht zuständige Behörde beim Wirtschaftsministerium ist das nicht weiter problematisch, da die Atomanlagen ohnehin regelmäßigen Kontrollen unterzogen werden. Gegenüber der WN teilt das Wirtschaftsministerium in NRW dazu mit: „Im Unterschied zu einer Kontrolle, die letztlich helfen soll, die nukleare Sicherheit einer Anlage zu verbessern, sollen durch den Stresstest die Sicherheitsszenarien neu bewertet werden“.
Unabhängig vom Stresstest läuft nach Angaben der zuständigen Behörde in Düsseldorf derzeit eine routinemässige Sicherheitsüberprüfung der Anlage in Gronau. Diese Sicherheitsüberprüfung sei alle zehn Jahre vorgeschrieben. Bis heute unbekannt ist, wann erste Ergebnisse vorliegen werden und inwieweit dabei Flugzeugabstürze, Erdbeben, Hochwasser, Brände oder auch Terrorangriffe aufgrund der Erkenntnisse aus Fukushima neu bewertet werden.
Nicht viel anders sieht es in Sachen Stresstest auch bei der von URENCO betriebenen Urananreicherungsanlage in Gronau aus. Laut WN erklärte Chris Breuer, Sprecher der URENCO: „Bei den zu überprüfenden Punkten wird ei­ne Schippe draufgelegt.“
Für die Anlage in Gronau stellt sich daher die Frage, was passieren würde, wenn es zu einem Erdbeben der Stärke 5 auf der Richterskala käme? Die Uranfabrik in Gronau ist nach Angaben der WN auf ein Beben der Stärke 4 ausgelegt.
Breuer gibt gegenüber der WN an, dass bei Urenco 80 bis 90 Prozent aller Antworten im Firmen-Archiv zu finden sind: „Für den Rest werden derzeit neue Gutachten erstellt“, sagt Breuer. Dazu zählt die Frage der Erdbebenauslegung.
Sorge, dass  der Stresstest nicht bestanden werden könnte, haben weder die Betreiber in Gronau, noch in Ahaus: Deren sprecher geben laut WN zu Protokoll: „Unsere Anlagen sind sicher“ und „Sie ar­beiten unter den höchsten Sicherheitsbedingungen.“
 

Dirk Seifert