Neue AKWs und Entschädigungsklagen – Energiewende nur mit ohne Vattenfall

Vattenfall ist unbelehrbar. Bei der Bekanntgabe seiner Wirtschaftsdaten für das zweite Quartal 2012, teilte das Unternehmen mit, dass es beabsichtige, künftig neue Atomkrafwerke in Schweden bauen zu wollen. Agenturen berichteten, dass Vattenfall einen entsprechenden Antrag bei der schwedischen Atomaufsichtsbehörde als ersten Schritt zur Genehmigung neuer Reaktoren getan habe. Damit sollen künftig alte Reaktoren ersetzt werden. Laut Vattenfall-Chef Loseth gibt es im Management aber aktuell “noch keine Entscheidung, ob wir alte Reaktoren durch neue ersetzen”.
Bis zu einer definitiven Entscheidung macht der schwedische Konzern mächtig Druck gegen die Bundesrepublik und hat inzwischen zwei Klagen auf Schadensersatz für die stillgelegten Pannenmeiler Krümmel und Brunsbüttel eingereicht. Beide Reaktoren sind nach einer Pannenserie bereits im Sommer 2007  wegen gravierender Sicherheitsmängel abgeschaltet worden. Im Verlauf dieser Pannenserie zeigte sich auch, dass das Unternehmen mehrfach die Öffentlichkeit und sogar die Aufsichtsbehörde falsch informierte. All das aber hindert den Atomkonzern nicht, mit einer Verfassungsklage die Bundesrepublik auf Schadensersatz zu verklagen, weil diese nach der Atomkatatrophe von Fukushima die beiden Unsicherheits-Reaktoren endgültig stillgelegt hat.
Darüberhinaus hat Vattenfall nun gegen die Bundesrepublik auch eine Schiedsklage vor dem Weltbankgericht ICSID eingereicht. Über eine Milliarde Euro will der Konzern über diese Klage von der Bundesrepublik, also den SteuerzahlerInnen für die Abschaltung der maroden AKWs kassieren.  Als ausländischer Investor kann sich Vattenfall auf die Verletzung von Investitionsschutzregeln, wie etwa der internationalen Energiecharta (ECT) berufen. Dieses Normenwerk schützt ausländische Unternehmen vor Eingriffen in Eigentumsrechte. Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung gehen Beobachter davon aus, dass die Klage beim ICSID in Wahsington “erfolgversprechender als die Klagen in Deutschland” sein können, “weil das Verfahren des ICSID schneller zur Entscheidung führen kann als die langwierigen juristischen Auseinandersetzungen durch alle Instanzen in Deutschland.”
Vattenfall hat mit diesen Verfahren Erfahrung. Als die Stadt Hamburg das Steinkohlekraftwerk Moorburg mit hohen Umweltauflagen genehmigte, zog Vattenfall ebenfalls vor das Washingtoner Gericht. Erfolgreich, wie Vattenfall nach einer Einigung mit der Stadt Hamburg mitteilte. Doch wie genau diese Einigung aussah, ist der Öffentlichkeit bis heute völlig unbekannt. Vattenfall nutzte das ICSID in diesem Fall, um unliebsame Umweltauflagen bekämpften.
Verfahren vor dem “International Centre on the Settlement of Investment Disputes” gelten als höchst Intransparent und unternehmensfreundlich. Das wird schon bei der Bestimmung der “Schiedsrichter” deutlich. Die beiden Verfahrensbeteiligten ernennen je einen Scheidsrichter und können sich innerhalb von 90 Tagen auf einen gemeinsamen Dritten verständigen, der den Vorsitz übernimmt. Kommt eine Einigung nicht zustande, wird dieser in der Regel vom Weltbank-Präsidenten bestimmt. (siehe ausführlich hier, PDF und hier). Eine Öffentlichkeit ist bei den “Verhandlungen” nicht vorgesehen.
Laut “Juve” hat das Bundeswirtschaftsministerium inzwischen eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet, die sich mit möglichen Schiedsverfahren infolge des Atomausstiegs beschäftigt. Diese wird geleitet von dem Ministerialdirektor Dr. Hans-Joachim Henckel.
 

Dirk Seifert

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