Stilllegung AKWs Brunsbüttel und Krümmel – Vattenfall sucht billige Lösung

Voller Saal, viele Fragen – kaum Antworten – Vattenfall sagt nicht, wie es mit den AKWs Brunsbüttel und Krümmel weiter geht. Foto: Dirk Seifert

Was Vattenfall mit den beiden stillgelegten Atommeilern Krümmel und Brunsbüttel vor hat war auch gestern auf der Veranstaltung der Stadt Geesthacht nicht zu erfahren. Während EnBW, E.on und RWE bereits entschieden haben, ihre stillgelegten AKWs zurückzubauen, hält sich Vattenfall noch alles offen.
Ingo Neuhaus, der bei Vattenfall für die Stilllegung zuständig ist, hatte den weit über 200 BürgerInnen im überfüllten Ratssaal wenig konkretes zu sagen: Vattenfall prüfe derzeit, ob der Rückbau oder der „sichere Einschluss“ die für das Unternehmen beste Lösung sei. Dabei betonte er immer wieder, dass dabei selbstverständlich auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielten.
Fricke, Kraftwerksleiter Krümmel und Neuhaus, zuständig für Stilllegung bei Vattenfall. Klare Antworten fehlten…. Foto: Dirk Seifert

Viele ZuschauerInnen – das zeigten die Fragen – bekamen immer mehr den Eindruck, dass Vattenfall vor allem auf Zeit spiele und möglicherweise darauf hofft, zumindest das AKW Krümmel solange im einem fast betriebsfähigen Zustand zu halten, bis das Bundesverfassungsgericht über die Klage der Atomkonzerne entschieden hat. Der Eindruck, dass Vattenfall die billigste Lösung für die Stilllegung der Atommeiler suche, wurde auch durch eine Entscheidung des Konzerns vor wenigen Wochen unterstützt: Vattenfall wandelt seine Atombeteiligungen zu einer GmbH um. Entscheidend dabei ist, dass damit der bisher bestehende Beherrschungsvertrag mit der Vattenfall AG (Schweden) aufgelöst wird. Damit entzieht sich der Gesamtkonzern auch der finanziellen Verantwort für die Kosten bei der Stilllegung oder im Falle schwerer Unfälle. Reichen die Einlagen der GmbH nicht aus, ist nicht mehr der schwedische Mutterkonzern in der Pflicht, sondern der deutsche Steuerzahler.
Die wohl zunächst wichtigste Information, die Neuhaus geben konnte: Vattenfall wird zunächst eine Entscheidung für das AKW Brunsbüttel treffen, danach erst für Krümmel. Wann das sein wird, sagte er trotz Nachfragen nicht.
Das ist – auch mit Blick auf die Entschädigungsklagen von Vattenfall – wirtschaftlich durchaus einleuchtend. Brunsbüttel ist deutlich älter als Krümmel und hat mit rund 700 MW nur die halbe Leistung im Vergleich zu Krümmel, bei fast gleicher Anzahl von Beschäftigten. Der Reaktor, der immer wieder wegen Sicherheitsmängeln teilweise über Jahre nicht am Netz war und seit 2007 keinen Strom mehr produzieren durfte, stand wirtschaftlich ohnehin vor dem Aus: Noch vor der Laufzeitverlängerungsentscheidung der Bundesregierung hatte E.on – mit einem Drittel am AKW Brunsbüttel beteiligt – relativ unmißverständlich deutlich gemacht, dass der Konzern für den maroden Reaktor wirtschaftlich keine Zukunft mehr sehe. Die Vattenfall-Entscheidung, nun zunächst die Stilllegung des AKW Brunsbüttel vorzubereiten, bevor man sich bei Krümmel entscheide, sorgte für erheblichen Unmut bei den ZuhörerInnen und unterstützte die vorhandenen Zweifel, dass Vattenfall Krümmel so lange wie möglich betriebsbereit erhalten wolle.
Auch das spielte für diesen Eindruck eine Rolle: Je später Vattenfall sich für eine Stilllegungsvariante entscheidet, desto länger kann das Unternehmen steuerfreie Entsorgungs-Rückstellungen bilden und je später Maßnahmen angegangen werden, desto später müssen Zahlungen aus diesen Geldern getätigt werden, was für Vattenfall auch deutliche Zinsvorteile bringt. Konkrete Antworten zu diesen Thema gab es – richtig – von Vattenfall nicht.
Wolfgang Cloosters (li) von der Atomaufsicht Schleswig-Holstein kritisierte Vattenfall scharf, kann aber wegen Lücken im Atomgesetz nichts machen…. Foto: Dirk Seifert

Wolfgang Cloosters, Chef der Reaktorsicherheit in Schleswig-Holstein, kritisierte dieses Zögern von Vattenfall in Sachen Stilllegungsantrag mehrfach scharf, verwies aber auch darauf, dass das Atomgesetz hier eine große Lücke aufweise: Die Atomaufsicht hat derzeit nicht das Recht, Vattenfall eine Frist zu setzen oder Anordnungen zur Vorlage eines Stilllegungskonzeptes zu erteilen. Erst eine bundesgesetzliche Änderung könnte dies ermöglichen. Gleichzeitig forderte Cloosters, dass nur der sofortige Rückbau sinnvoll sei und kündigte an, dass die neue Landesregierung über den Bundesrat eine Initiative plane, das Atomgesetz in der Weise zu ändern, dass der Rückbau vorgeschrieben und der Einschluss untersagt werde.
Wolfgang Neumann von der Intac Hannover: Keine Pauschallösungen, sondern sicherheitsorientierte Analysen und Bürgerbeteiligung, bevor Entscheidungen getroffen werden. Foto: Dirk Seifert

Wolfgang Neumann von der INTAC, ehemals Gruppe Ökologie und unabhängiger Atomexperte, warnte allerdings, pauschale Lösungen anzustreben. Vielmehr sei aus ökologischen und Strahlenschutzgründen erforderlich, die Möglichkeiten und Alternativen genauestens zu betrachten. Auch eine Mischung aus Rückbau und Einschluss sei eine Möglichkeit, die nicht von vornherein auszuschließen ist. Wichtig sei es vor allem, der Öffentlichkeitsbeteiligung einen großen Raum zu geben, um die jeweiligen Alternativen umfangreich und kritisch zu diskutieren, bevor dann am Ende eine Entscheidung durch die Behörde getroffen würde.
Die Fakten, die Vattenfall zu nennen wusste, sind überaus spärlich: Kraftwerksleiter Torsten Fricke erklärte, das die rund 800 bestrahlten Brennelemente aus dem Reaktor von Krümmel inzwischen allesamt in das Nasslager überführt worden sind und der Reaktor damit keine Brennstoffe mehr enthält. Im Nasslager befinden sich jetzt ca. 1000 bestrahlte Brennelemente. Zu der Frage, wann denn endlich die Castor-Behälter zur Verfügung stünden, damit die Brennelemente vom Nasslager in das Standortlager – und damit raus aus dem AKW – überführt werden können, konnte oder wollte er keine Angaben machen. Unklar blieb auch, wie das Unternehmen mit defekten Brennelementen und mit solchen Brennelementen umgehen will, die nur kurz im Reaktor waren. Konkrete Zahlen wollte er nicht nennen.
Bei den Castorbehältern für die Siedewasserreaktoren scheitert es derzeit nicht nur, weil die Fertigungskapazitäten beim Hersteller GNS viel zu klein sind: Der neue Castorbehälter für höher abgebrannte Brennelemente ist immer noch nicht genehmigt, so dass die Fertigung noch nicht einmal anlaufen kann. (Vermutlich erst nächstes Jahr wird das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz eine solche Genehmigung erteilen, wenn der Behälter die Sicherheitsanforderungen für die mehr Wärme und höhere Strahlung erzeugenden Brennelemente erfüllt.)
Zum AKW Brunsbüttel erklärte Neuhaus, dass es dort 13 defekte Brennstäbe gäbe und das die Castorbehälter inzwischen fest bestellt sind. Wann die jedoch geliefert würden, konnte er nicht sagen.

Dirk Seifert

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