AKWs stilllegen – Sehr schwachradioaktiver Müll – Hausmülldeponierung oder Endlagerung?

Bei der anstehenden Stilllegung von Atomkraftwerken fallen nicht nur hochradioaktive sowie leicht- und mittelradioaktive Atomabfälle an (für deren Entsorgung es bis heute keine sicheren Lagermöglichkeiten gibt). Außerdem fallen großen Mengen von sehr schwachradioaktiven Abfällen an.
In der Bundesrepublik (Strahlenschutzverordnung) besteht die Möglichkeit, dass diese sehr schwachradioaktiven Abfälle unterhalb eines bestimmten Wertes „freigemessen“ werden können. Danach dürfen die strahlenden Abfälle über normale Hausmülldeponien oder im Straßenbau beseitigt oder verwertet werden. Stahl unterhalb dieser Freigrenze wird in die Verwertung überführt und kann zu neuen Produkten verarbeitet werden. Anders ist der Umgang in Frankreich. Dort werden auch diese radioaktiven Abfälle als Atommüll entsorgt.
Darauf verweist eine Studie der Intac aus Hannover unter dem Titel: Nuclear-Waste-Management in der Europäischen Union (2010, Wolfgang Neuman, Intac: Diese Studie gibt auch einen guten Überblick über den Anfall radioaktiver Abfälle und die Atommüllentsorgung in der Europäischen Union).
Darin heißt es: „Sehr schwachradioaktive Abfälle werden in Frankreich in einem Oberflächen-Endlager mit verminderten Sicherheitsanforderungen endgelagert. Im Ausnahmefall ist eine Freigabe von sehr schwachradioaktiven Abfällen möglich. Eine Freigabe darf aber in keinem Fall eine Wiederverwertung in Konsumprodukten oder Bauwerken zur Folge haben. Meist wird sie nur für kerntechnische Anwendungen zugelassen.“ (S. 49)
Im Vergleich der deutschen und französischen Vorgehensweise beschreibt die Studie ab Seite 30 folgendes:
„3.3 Waste-Management für sehr schwachradioaktive Abfälle
Für den Umgang mit sehr schwachradioaktiven Abfällen gibt es neben der Behandlung
wie schwachradioaktive Abfälle zwei Optionen, die Freigabe der Abfälle in den
konventionellen Bereich und die Endlagerung unter im Vergleich zu den oben genannten
oberflächennahen Endlagern sicherheitstechnisch verringerten Anforderungen.
3.3.1 Freigabe
In der Europäischen Union ist nach Artikel 5 der Richtlinie 96/29/EURATOM die
Freigabe von radioaktiven Abfällen aus dem Atomrecht zulässig. Hierzu muss das
Radioaktivitätsinventar dieser Abfälle national festgelegte Freigabewerte unterschreiten.
Die Freigabe kann zur Beseitigung (z.B. Deponierung), Wiederverwertung
oder Weiterverwendung erfolgen. (3 Richtlinie 96/29/EURATOM des Rates vom 13. Mai 1996 zur Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlung; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 159, 39. Jahrgang, 29. Juni 1996)
Inwieweit die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union von dieser Regelung Gebrauch
machen, ist ihnen überlassen.
Vorteile

  • – Die Menge der in ein geologisches oder oberflächennahes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle einzulagernden Abfälle wird verringert.
  • – Die Strahlenbelastungen für das Personal des Endlagers reduzieren sich.

Nachteile

  • – Die sehr schwachradioaktiven Abfälle werden kontrollierten Bereichen entzogen und in der Umwelt verteilt. Die Hintergrundstrahlung wird dadurch langfristig erhöht.
  • – Durch Aufkonzentrierung von Radionukliden aus den freigegebenen Abfällen in der Umwelt oder durch verstärkten Umgang mit diesen Abfällen kann es zu erhöhten Strahlenbelastungen für Personen aus der Bevölkerung kommen.

3.3.2 Endlagerung mit geringeren Sicherheitsanforderungen
Die sehr schwachradioaktiven Abfälle werden ähnlich den schwach- und mittelradioaktiven
Abfällen in einem oberflächennahen Endlager eingelagert. Die sicherheitstechnischen
Anforderungen zur Konditionierung der Abfälle und zur Abdichtung des
Endlagers gegen die Umwelt sowie der Aufwand für Überwachungsmaßnahmen sind
jedoch geringer.
Vorteile

  • – Die Menge der in ein geologisches oder oberflächennahes Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle einzulagernden Abfälle wird verringert.
  • – Die Abfälle sind anders als bei der Freigabe in einer Anlage konzentriert und werden nicht in der Umwelt verteilt.
  • – Die Rückhaltung der Radionuklide wird für einen gewissen Zeitraum überwacht.

Nachteile

  • – Durch die sicherheitstechnisch geringeren Anforderungen im Vergleich zu einem Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle ist eher eine Freisetzung von Radionukliden möglich.“

Bei der jetzt anstehenden Stilllegung der Atomkraftwerke stellt sich also die Frage, ob die deutsche Praxis der Freigabe zu rechtfertigen ist, denn ohne Zweifel führt sie dazu, dass die Hintergrundstrahlung dauerhaft erhöbt wird und damit zusätzliche Gesundheitsrisiken entstehen.

Dirk Seifert

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