Kein (Katastrophen)Schutz, wenn es im AKW Brokdorf kracht…

Fukushima – Brokdorf: Rette sich wer kann.

In Wewelsfleth, unweit des Atomkraftwerk Brokdorf, haben am Mittwoch Abend rund 100 Menschen über den fehlenden Katastrophenschutz für den Atommeiler diskutiert. Die Ärztin Angelika Claußen von der IPPNW hatte zuvor von einer Rundreise durch die Region Fukushima berichtet.
Rund 200.000 Menschen wurden nach der Katastrophe im März 2011 aus der Sperrzone evakuiert. Doch auch in vielen anderen Regionen seien Gebiete radioaktiv hoch belastet. Nahrungsmittel sind verstrahlt und die Dekontamination verstrahlter Flächen kommt nur schwer voran, weil niemand weiß, wo radioaktiver Bauschutt, Erde und andere Materialien eigentlich hin sollen. Oft wird der strahlende Müll einfach zu Haufen aufgetürmt und unter Planen versteckt.
Karsten Hinrichsen (Brokdorf akut) und Angelika Claußen (IPPNW) informieren über Fukushima, Brokdorf und die Atomkatastrophe, Foto: Dirk Seifert

Angelika Claußen berichtet außerdem, dass die Behörden und Verantwortliche mit dem Gesundheitsschutz für die von der radioaktiven Wolke aus Fukushima betroffenen Menschen immer noch unverantwortlich umgehen. Direkt nach der Katastrophe seien in vielen Orten die Menschen viel zu spät zum Verlassen ihrer Dörfer aufgefordert worden. Selbst die vorhandenen Jobtabletten zum Schutz vor Schilddrüsenkrebs sind oftmals nicht an die Menschen verteilt worden. Offizielle Meßwerte über die radioaktive Belastung einzelner Orte würden ein trügerisches Bild für die Öffentlichkeit erzeugen. Oftmals – das hat sich durch eigene Messsungen bei der Rundreise der Ärtzeorganisation gezeigt – würden die Werte schon wenige Meter neben offiziellen Meßstationen deutlich höhere Strahlenwerte zeigen.
Großes Interesse und kritische Diskussion: Rund 100 Menschen waren auf der Veranstaltung zum katastrophalen Katastrophenschutz rund um das AKW Brokdorf. Foto: Dirk Seifert

Mit Blick auf das AKW Brokdorf machte Karsten Hinrichsen von der Initiative „Brokdorf-akut“ deutlich, dass es auch in diesem Reaktor jederzeit zum Super-Gau kommen könne. Nicht nur sei das AKW, wie im Stresstest der Bundesregierung dargelegt, gegen Abstürze schwerer Flugzeuge nicht gesichert. Auch Hochwasser und Druckwellen von Explosionen könnten zur Katastrophe führen. Der Grüne Landtagsabgeordnete Bernd Voss bestätigte, dass der Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein gravierende Mängel aufweise. So sei bezogen auf eine mögliche Katastrophe das Zusammenwirken von verschiedenen Naturereignissen und Schadensfällen in keiner Weise berücksichtigt. Die Maßnahmen für Evakuierungen sind nur auf einen kleinen Umkreis rund um das AKW begrenzt. Außerdem sei nicht berücksichtigt, dass es z.B. nach einem schweren Unfall aufgrund von Hochwasser und Deichbrüchen nicht nur im AKW, sondern z.B. auch im benachbarten Industriegebiet von Brunsbüttel, zu katastrophalen Folgen kommen könne. Auf solche Szenarien ist der Katastrophenschutz nicht ausgelegt.
Das hat im Frühjahr 2012 auch eine Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz dargelegt und erst vor wenigen Tagen hat Deutschlands oberster Katastrophenschützer eingeräumt, dass es große Defizite vor allem mit Blick auf Evakuierungen gebe. (dazu auch hier mehr Informationen)
Ebenso unberücksichtigt ist bis heute, dass die Freisetzung von Radioaktivität deutlich länger dauern kann, als bislang in den Katastrophenplänen unterstellt (50 Stunden). Fukushima und auch Tschernobyl haben aber gezeigt, dass die Freisetzung über Tage und Wochen andauern kann. Dabei würde sich die Richtung der Freisetzung von Radioaktivität mit den Wetterbedingungen immer wieder ändern und viel größere Gebiete verstrahlen können. Im heutigen Katastrophenschutz wird aber davon ausgegangen, dass Maßnahmen nur in direkter Nähe des Atommeilers und auch nur in einer Windrichtung erfolgen müssten.
Hinrichsen machte an einem einfachen Beispiel deutlich, wie schnell es in Brokdorf zur Katastrophe kommen kann: Sollte ein großes Containerschiff (Länge ca. 300 Meter) die Ruder-Kontrolle auf der Elbe verlieren und in die Kühlwasser-Ansauganlage des Atommeilers krachen, könnte es schnell soweit sein. Dann müsste die Notkühlung zum Einsatz kommen. Die aber liegt laut Hinrichsen direkt neben der normalen Ansauganlage und könnte bei so einem Unfall auch gleich betroffen sein. Dann wäre die Kühlung des Reaktors nur noch begrenzt möglich. Dann heißt es: Rette sich wer kann.
Die Veranstaltung in Wewelsfleth fand im Rahmen der dezentralen Aktionswoche von Anti-Atom-Organisationen für die Stilllegung des AKW Brokdorf statt. Dazu hier mehr Informationen.

Dirk Seifert

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