Uranfabrik URENCO Gronau: Immer mehr Atommüll, Lagerhallen und Atomtransporte

Uranfabrik URENCO Gronau: Immer mehr Atommüll, Lagerhallen und Atomtransporte

Radioaktiver Uranzug auf dem Weg von Gronau nach Frankreich. Fotograf aaa-WestPubliXviewinG
Radioaktiver Uranzug auf dem Weg von Gronau nach Frankreich. Fotograf aaa-WestPubliXviewinG

Während international mit Beteiligung der Bundesregierung über einen Verkauf der Urananreicherungs-Fabriken der URENCO verhandelt wird, wächst der Atommüllberg in der Anlage im westfälischen Gronau immer weiter an. In den nächsten Jahren dürfte in Gronau eines der größten oberirdischen Atommülllager in Deutschland entstehen. Auch die ohnehin schon hohe Zahl von Atomtransporten von und nach Gronau wird ab dem nächsten Jahr weiter ansteigen. Obwohl die erste Lagerhalle für Uranmüll noch nicht einmal in Betrieb genommen wurde, ist schon jetzt klar: Eine weitere Atommüll-Halle wird bereits in ca. sechs Jahren notwendig sein.
Zu den Verkaufsplänen der Uranfabriken der URENCO siehe auch hier: Atomwaffen-Technik: Südkorea, Singapur oder Japan? Uranfabriken der URENCO unterm Hammer
Mehr Atomtransporte aus Frankreich – künftig auch aus Großbritannien
Anlass für die weiter steigenden Atomtransporte-Zahlen ist der ab 2014 geplante Rücktransport von Uranmüll aus Frankreich. Bei der Anreicherung des Urans in Gronau entsteht in großen Mengen abgereichertes Uran in Form von Uranhexafluorid. In dieser chemischen Form ist das Uran allerdings für eine längere Lagerung zu riskant. Daher wird es seit einiger Zeit nach Frankreich abtransportiert und in Pierrette zu dem stabileren U3O8 umgewandelt. Ab 2014, so berichtet Ralf Henrichs (PDF, Seite 8, der vollständige Artikel steht auch unten…) von der Ökologischen Plattform der Linken nach einem Besuch der URENCO im April 2013, soll das U3O8 dann regelmäßig nach Gronau zurück transportiert werden.
Vermutlich ab ca. 2016 wird das abgereicherte UF6 dann wohl in die ebenfalls zur URENCO gehörende Uranfabrik ins britische Capenhurst geschickt werden. Dort baut die URENCO derzeit eine eigene Umwandlungsanlage, um aus dem UF6 das U3O8 herzustellen. Nach der Umwandlung soll das radioaktive Material dann wieder nach Gronau zurück geschickt werden.
Siehe: URENCO: Atomtransporte künftig von Gronau nach England
Immer neue Lagerhallen für strahlendes Uran
Die Atommüllberge in Gronau werden in den nächsten Jahren massiv anwachsen. Deshalb wird 2014 eine Lagerhalle in Betrieb gehen, in der 60.000 Tonnen Uran dauerhaft verwahrt werden sollen. Laut dem Bericht von Henrichs (Tarantel, 2/2013, S. 8, Tarantel, Ökologische Plattform der Linken, PDF) erklärte der URENCO-Mitarbeiter Dr. Kleinbörner, dass derzeit in Frankreich „12.700 t Uranoxid aus Gronau, die ab dem nächsten Jahr zurückgebracht werden sollen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Halle schnell (so nach ca. 6 Jahren) gefüllt sein wird. Dann muss eine weitere Halle zur Verfügung stehen.“ Auch die Bundesregierung hatte vor einiger Zeit darauf verwiesen, dass bei einem planmäßigen Betrieb der Uranfabrik in Gronau etwa alle zehn Jahre ein neues Atommüll-Lager  gebaut werden müsse.
Die Uranfabrik in Gronau ist vom Atomausstieg in Deutschland nicht betroffen. Während der Betrieb der Atommeiler nach Fukushima bis 2022 befristet wurde, darf die Uranfabrik der URENCO (sowie die Brennelementefabrik der AREVA in Lingen) völlig unbefristet weiter betrieben werden. Fast jedes zehnte Atomkraftwerk weltweit erhält aus Gronau seinen Brennstoff.
Keine Entsorgung für radioaktives Uran der URENCO
Auch der Umgang mit den enormen Uranmengen, die bei der Anreicherung anfallen, ist erstaunlich: Weil die URENCO das abgereicherte Uran nicht als Atommüll, sondern als Wertstoff deklariert, taucht dieses Strahlen-Material bis heute in keiner Entsorgungsstatistik auf. Weil es offiziell nicht als Atommüll deklariert ist, braucht es bis heute keinen Nachweis, wie denn eine Endlagerung erfolgen soll. Die URENCO behauptet, dass das abgereicherte Uran in irgend einer fernen Zukunft, wenn die Uranpreise enorm ansteigen würden, benötigt werden könnte. Einen belastbaren Nachweis für diese Behauptung gibt es nicht und die Bundesregierung kennt laut eigener Aussage auch keinen. Fachleuten allerdings ist klar: Eigentlich bräuchte es in Deutschland ein drittes Atommüll-Endlager, um diese großen Mengen von Uranmüll irgendwann dauerhaft sicher lagern zu können.

In Großbritannien hat die URENCO für ihre Uranfabrik in Capenhurst bereits die Lagerung des Urans bis zum Jahr 2120 beantragt: Urankonzern URENCO – Atommüll-Zwischenlagerung bis 2120! Tolle Aussichten für die Menschen in Gronau!
Bericht eines Besuchs bei der URENCO Uranfabrik in Gronau
Hier der Bericht von Ralf Henrichs von der Ökologischen Plattform der Linken über den Besuch bei der URENCO in Gronau. Der Text ist im Original erschienen in der Tarantel, Nr. 61, II/2013 und hier als PDF nachzulesen.
„Besuch bei der URENCO
Am 17. April 2012 verabschiedete der „Ausschuss für Umweltschutz und Bauwesen (AUB)“ der Stadt Münster eine auf eine Bürgeranregung zurückgehende Vorlage, in der sich die Stadt Münster gegen die Transporte von Uranhexafluorid (UF6) von und zur Urananreicherungsanlage Gronau (UAA) durch das Stadtgebiet Münster ausspricht und dass hierüber die UAA Gronau informiert wird. Die Verwaltung der Stadt Münster entwickelte daraufhin die Idee, dass die Mitglieder des Rates sowie des AUB die UAA besichtigen. Diese Besichtigung fand am 07. April 2013 statt.
Vorher hatten sich noch VertreterInnen der SPD, der Grünen, der ÖDP und der Linken (in Person des Autors Ralf Henrichs, der auch Mitglied des AUB ist) mit einem Vertreter des Umweltforums Münster (dem Dachverband der Münsteraner Umweltverbände) sowie von SOFA („Sofortiger Atomausstieg“) getroffen, um sich noch einmal eingehend über die Anlage und die Probleme mit UF6 zu informieren.
Am Besuchstag fuhr der Bus mit ca. 25 Mitgliedern der Verwaltung, des Rates und des AUB aus Münster los. Wir wurden vom Herrn Ohnemus, dem Direktor der UAA Gronau, empfangen und Herr Dr. Kleinbörner führte uns ins Thema ein.
Im Vertrag von Almelo (1970) haben die Regierungen von Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland vereinbart, dass in allen drei Staaten je eine Uran-anreicherungsanlage entstehen soll und haben Urenco gegründet. Urenco gehört zu ­ der britischen und zu ­ der niederländischen Regierung. Das deutsche Drittel besitzen zu jeweils der Hälfte E.ON und RWE. Urenco liefert in folgende Länder: USA, Brasilien, Südafrika, Vereinigte Arabische Emirate, China, Südkorea, Taiwan, Japan sowie 10 europäische Staaten (u.a. Finnland, Schweden, Niederlande, Großbritannien, Deutschland, Belgien, Tschechien und Spanien). Nur 10% des Outputs der UAA Gronau geht in die Belieferung der deutschen Atomkraftwerke. Aus diesem Grund ist die UAA Gronau auch vom deutschen „Atomausstieg“ kaum betroffen und kann und soll auch danach noch weiter produzieren. Dass dies  angestrebt wird, wird auch dadurch deutlich, dass die UAA Gronau eine unbegrenzte Betriebsgenehmigung besitzt.
Die Produktionsstandorte der Urenco sind Capenhurst (Großbritannien) mit 5.500 tSW (Tonne Separate Work, d.h. Urantrennarbeit), Almelo (Niederlande) mit 5.500 tSW und Gronau (Deutschland) mit 4.200 tSW. Gegenwärtig baut Urenco auch in den USA eine weitere Anlage (gegenwärtig 2.200 tSW, bei einer Kapazität von 5.700 tSW in voller Ausbaustufe). In Gronau werden damit 10% des weltweit angereicherten Urans für die Brennstäbe hergestellt, die Urenco insgesamt produziert fast 31% des Weltmarktes (Jahresumsatz: 1,5 Mrd. €).
Neben diesen Urananreicherungsanlagen gibt es solche nur noch in Russland (ROSATOM), Japan (JNFL), China (CNNC), Brasilien (INB), USA (LES und USEC) und Frankreich (Avera) Uran ist, so erklärte uns Herr Dr. Kleinbörner, das 35 häufigst vorkommende Element weltweit. An den Abbaustellen ist Uran zu 1-10% als Uranoxid vorhanden. Der Anteil an U235 mit einer Halbwertzeit von 700 Mio. Jahren beträgt 0,7% und U238 hat bei einer Halbwertzeit von 4,5 Mrd. Jahren einen Anteil von 99,3%. Auf-grund der langen Halbwertzeit ist Uran – laut Herrn Dr. Kleinbörner – nur schwach radioaktiv. Aus dem Uranerz wird ein Urankonzentrat („Yellow Cake“) als U3O8 herausgelöst. Dies wird zu UF6 umgewandelt und per Unterdruck als Feststoff transportiert.
Natürlich betonte Dr. Kleinbörner, dass bei der Urenco Gronau regelmäßige und unangekündigte Überprüfungen durch die IAEO und EURATOM stattfinden, dass kein waffenfähiges Plutonium angereichert oder abgezweigt wird (wie der Autor feststellen konnte, fand die letzte Überprüfung im Januar 2013 statt).
Die Urenco Gronau hat 260 Mitarbeiter, auf dem Gelände der Urenco Gronau arbeiten ca. 600 Personen (Sicherheitsteam u.ä., die offensichtlich nicht direkt der Urenco Gronau zugeordnet sind). Der Jahresumsatz der Urenco Gronau betrug 2012 445 Mio. €.
Dass in Gronau (46.546 Einwohner) selbst die Proteste eher gering sind, wird durch folgende Zahlen erklärbar: 50% der Gewerbesteuern von Gronau zahlt die Urenco, das macht ­ des Gronauer Kommunalhaushaltes aus. Im Jahr 2012 hat die Urenco Gronau 150.000 € in die Bereiche Schule, Kultur und Gesundheit in Gronau gesteckt.
Die Urenco Gronau hat volle Auftragsbücher und gute Prognosen. Den Gewinn konnte oder wollte Herr Dr. Kleinbörner mir nicht nennen, er dürfte aber bei 25-30% des Jahresumsatzes liegen, d.h. 111 bis 135 Mio. €. Diesen Vorteilen für Gronau durch die UAA stehen die Gefahren gegenüber. Laut Strahlenschutzverordnung liegt die maximal zulässige Strahlendosis für die allgemeine Bevölkerung bei 1 mSv („Millisievert“) oder 1000 μSv („Mikrosievert“) pro Jahr. Gegenwärtig liegt der Strahlenwert, der von der Anlage ausgeht, bei maximal 150 μSv. Dieser Höchstwert befindet sich beim Freilager. Dies ist ein Gebiet auf dem Gelände der UAA Gronau, an dem 50.000 t UF6 unter freiem Himmel gelagert werden.
Gegenwärtig wird dort eine Lagerhalle für weitere 60.000 t UF6 gebaut. Laut einer Studie, so Dr. Kleinbörner, würde damit der Grenzwert fast erreicht werden, tatsächlich aber noch unterschritten. In Frankreich lagern 12.700 t Uranoxid aus Gronau, die ab dem nächsten Jahr zurückgebracht werden sollen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Halle schnell (so nach ca. 6 Jahren) gefüllt sein wird. Dann muss eine weitere Halle zur Verfügung stehen. Auf meine Frage, wie dann noch der Grenzwert eingehalten werden soll, antwortete mir Dr. Kleinbörner, dass dann dafür gesorgt werden müsste, dass nicht ein ganzes Jahr lang am Zaun der Anlage Personen campen (dort ist ein großes Waldgebiet), denn dieser Grenzwert bezieht sich ja auf Personen. Wenn der Grenzwert überschritten wird, aber dort keine Personen sind, die dadurch zu Schaden kommen könnten, sei ein Überschreiten des Grenzwertes unproblematisch.
Interessant war auch die Abbildung der meldepflichtigen Ereignisse durch die UAA Gronau. Von 1985 bis März 2013 waren dies 25, d.h. im Schnitt weniger als 1 meldepflichtiges Ereignis pro Jahr. Im Jahr 2009 waren es jedoch 3, 2010 2, 2011 3, 2012 1 und von Januar bis März 2013 wieder 1. Um es deutlich zu machen: von 1985 bis 2008 gab es 15 meldepflichtige Ereignisse (0,65 pro Jahr) und von 2009 bis 2013 gab es 10 meldepflichtige Ereignisse (2,0 pro Jahr und das Jahr 2013 ist ja längst noch nicht beendet). Meine Frage, ob dies mit der Alterung der Anlage zusammenhängen könne, wurde von Dr. Kleinbörner verneint. Einen Grund für diese sehr auffällige Häufung konnte er mir aber nicht nennen. Offensichtlich soll man an puren Zufall glauben.
Natürlich wurde von Herrn Dr. Kleinbörner auch auf den „Stresstest“ hingewiesen, den sich die UAA Gronau unterziehen musste und den sie ohne große Probleme überstanden habe. Selbst Flugzeugabstürze wurden dabei untersucht. Auf meine Nachfrage hin erläuterte Dr. Kleinbörner allerdings, dass nur „zufällige“ Flugzeugabstürze untersucht worden sind. Es wurde also ermittelt, wie viel Flugzeugabstürze es in Deutschland pro Jahr gibt und wie wahrscheinlich es ist, dass ein solcher Absturz zufällig die UAA trifft. Eine solche Wahrscheinlichkeit liegt natürlich nahezu bei Null. Herr Dr. Kleinbörner musste eingestehen, dass gezielte Flugzeugabstürze und Terroranschläge nicht betrachtet worden sind.
In einem zweiten Vortrag ging Herr Dr. Kleinbörner näher auf die UF6-Transporte ein. Es gab im Jahr 2012 23 UF6-Transporte, die per Zug von oder nach Gronau durch Münster fuhren. Natürlich sind diese Transporte laut Herrn Dr. Kleinbörner ungefährlich und es handelt sich um ganz normale Gefahrguttransporte mit den dafür üblichen Sicherheitsschutzvorschriften. Laut der Hamburger Wasserschutzpolizei, so berichtete Dr. Kleinbörner, dass es bei 170 Kontrollen an UF6-Behältern „nur“ 11 Beanstandungen gegeben habe (davon 10 bei Plakatierung von Containern und Verpackungen und „nur“ 1 bei Ladungssicherheit).
Es hat „umfassende“ Tests bezüglich der Behälter gegeben. Sie müssen einen Drucktest von 28 bar, einen Falltest von ca. 1 Meter auf eine unnachgiebige Stahlplatte und einen Feuertest von 30 Minuten bei 800° Celsius aushalten. Laut Dr. Kleinbörner reicht dies (selbstverständlich) aus.
Die Gefahr bei UF6-Transporten ist auch weniger eine austretende Radioaktivität (das bestätigen auch Anti-Atomgruppen) sondern dass dann Flusssäure entstehen kann. Die „chemotoxischen Auswirkungen“ von Flusssäure-Freisetzungen sind im Stresstest auch (bewusst?) nicht untersucht worden.
Interessant an dem Besuch, der mit einem Gang durch die Anlage endete, war daher vor allem mit welchen Halbwahrheiten (Flugzeugabstürze) und Beschwichtigungen (Strahlengrenzwerte) der Vortrag bestückt war. Die Gefahr, die von der Anlage ausgeht, ist tatsächlich nicht zu bestreiten und daher sollte die UAA Gronau so schnell wie möglich geschlossen werden. Für die Stadt Gronau muss eine entsprechende Kompensation erfolgen.“

Dirk Seifert

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