Tiefflug beim Neustart: Parteienstreit bei Endlagersuche zeigt wie wenig das Verfahren taugt

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Während der vermeintliche Parteien-Konsens bei der Atommüll-Endlagersuche zerbröselt, debattieren Umweltverände und Initiativen über einen besseren Umgang mit dem Strahlenmüll. Mehr Infos: Foto anklicken.

Während Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen sich auf die Atommüll-Tagung Ende März vorbereiten (siehe unten), demonstrieren CDU/CSU, SPD und Grüne, wie wenig tragfähig ihre Vereinbarungen zum „Neustart bei der Endlagersuche“ sind und wie dünn das Eis ist, auf dem sie eigentlich gehen wollten und liefern serienweise Argumente, warum die Umweltverbände dem Verfahren kein Vertrauen entgegenbringen. Was haben sie bei der Verabschiedung des Endlagersuchgesetzes (PDF) gefeiert: Konsens, Neustart, Historisch! Und nun totaler Tiefflug: Die Sektlaune unter den Erfindern des Endlagersuchgesetzes ist offenbar vorbei. Denn nichts geht voran.
Nicht einmal bei den Vorbedingungen, ist eine Lösung in Sicht. Und bei Tageslicht betrachtet, kommt wohl auch einigen der Neustarter inzwischen das Gefühl, dass da doch einiges faul ist, mit dem Konsens. So ziemlich alles, was mit dem Gesetz neu auf den Weg gebracht werden soll, hängt in der Luft oder läuft schief.
Keine Lösung für Castoren
Auch auf dem gestrigen Treffen von Bund- und Länder-VertreterInnen ist man in Sachen Castor-Transporte aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich und England keinen Schritt weiter gekommen (siehe hier NTV). Um die Zustimmung Niedersachsens für das Gesetz zu bekommen, in dem Gorleben weiter als Standort genannt ist, sollen keine weiteren Castortransporte mehr dort hin. Vor allem die CDU/CSU blockiert diese Suche nach neuen Zwischenlager-Orten für diesen Atommüll. (Abgesehen davon, dass niemand der Akteure derzeit erklären kann, wie man eigentlich die erforderliche Zustimmung der Atomkonzerne für diese Maßnahme gewinnen will. Die halten das Suchgesetz ebenso für überflüssig, wie die Suche nach neuen Castor-Standorten). Bis Ostern soll eine Lösung erarbeitet werden.

Statt Vertrauensbildung: Streit um Kommissions-Vorsitz
Öffentlich gestritten wird derzeit um den Vorsitz der einzurichtenden Kommission, die Kriterien für die dauerhafte Atommülllagerung entwickeln soll. Die für letzte Woche geplante Einsetzung der Kommission musste deshalb wieder verschoben werden. Anlass für den Dissens ist die Benennung von Ursula Heinen-Esser (CDU). Die ist offenbar von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU und den Grünen im Bundestag abgenickt worden. Für Niedersachsen ein absolutes No-Go. Joachim Wille fasst in der Frankfurter Rundschau zusammen: „Doch vor allem Niedersachsen hatte sich vehement gegen die CDU-Politikerin gestellt, die während ihrer Zeit im Ministerium als Befürworterin des umstrittenen Standorts Gorleben galt, der in diesem Bundesland liegt. Sie könne den Job als Vorsitzende nicht übernehmen, „nachdem sie als Staatssekretärin … eine Politik vertreten hat, die durch die Arbeit der Kommission auf den Prüfstand gestellt wird“, argumentierte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in Hannover. Auch sein Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) äußerte sich ablehnend.“
Die Frage, wieso eigentlich Grüne im Bundestag nicht vor einer solchen Personalfrage mit ihrem Umweltminister in Niedersachsen sprechen, will ich mal lieber nicht stellen.
Umweltministerin Barbara Hendricks hatte – weil man sich nicht einigen konnte – vorgeschlagen, eine Doppelspitze zu ernennen und dazu das Gesetz zu ändern. Angeblich abgestimmt mit den Fraktionen. Doch für die CDU/CSU kommt das laut Medienberichten nicht in Frage.

Nun werden wieder neue Namen ins Rennen geworfen, wie Wille in der FR berichtet: „Wieder mal Klaus Töpfer als Trouble-Shooter? Die Spekulationen schießen ins Kraut, denn die Parteien haben sich in der Atomendlager-Frage in eine Blockade manövriert. Der Name des Ex-Bundesumweltministers mit CDU-Parteibuch wird in Berlin als möglicher Vorsitzender der Kommission gehandelt, die die vom Bundestag beschlossene neue Standortsuche vorbereiten soll. Ebenso der des Umweltforschers und Ex-SPD-Politikers Ernst Ulrich von Weizsäcker. Geeignet für den Posten sei auch ein parteiunabhängiger Promi, der der Umweltbewegung nahesteht, heißt es.“ Selbst von einem „alternierenden Vorsitz“ ist nun die Rede.
Das aber ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn immerhin sollen auch Lobbyisten wie Bruno Thomauske (u.a. Ex-Vattenfall-Atom-Manager) oder Hubert Steinkemper als Wissenschaftler getarnt in die Kommission (siehe dazu die Liste (PDF) bei .ausgestrahlt). Beide ausgewiesene Freunde eines Atommüll-Endlagers in Gorleben. Wie die „ergebnisoffen“ bei einer vermeintlich neuen Endlagersuche arbeiten sollen, ist nicht nur für Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen ein Rätsel.
Misstrauen begründet
Beides, die Suche nach Castor-Parkplätzen ebenso wie der Streit um die Ernennung des Kommissions-Vorsitzes, zeigen, wie wenig tragfähig das Modell für die Endlagersuche ist, wie wenig Konsens unter den Parteien CDU/CSU, SPD und Grüne vorhanden ist und wie wenig Neustart in der Sache steckt.
Wiedereinmal wurde von der Politik versprochen, dass nun aber wirklich mal „ergebnisoffen“ über die dauerhafte Lagerung von hochradioaktivem Atommüll gesprochen werden sollte. Wer soll das Glauben, wenn man sich diesen absoluten Fehlstart der „Neustarter“ untereinander ansieht? Wie das zu einem gesellschaftlichen (nicht nur Parteien-) Konsens beim Umgang mit hochradioaktivem Atommüll führen soll, wird immer rätselhafter.
Auch Joachim Wille stellt fest: „Nur eins ist klar: Einen glanzvollen Start wird die Kommission, falls sie wie geplant im Laufe des Frühjahres erstmals zusammentritt, nach dieser Vorgeschichte nicht mehr hinlegen.“
All das unterstreicht auch die Kritik und das Misstrauen der Umweltverbände und -Initiativen, die das Verfahren und das Gesetz als nicht geeignet ablehnen. Bei den Beratungen im Vorfeld des Gesetzes hat man sie weitgehend außen vor gelassen und ihre Vorschläge ignoriert. Dabei wären vor allem sie es, die ein gesellschaftliches Vertrauen bei der Suche nach einem verantwortlichen Umgang mit dem Atommüll herbei führen könnten. Nur sie genießen in der Bevölkerung das Vertrauen, dass auch wirklich Sicherheitsfragen im Vordergrund stehen, Alternativen „ergebnisoffen“ und nicht durch wirtschaftliche Interessen bestimmt, gesucht werden. Doch bis heute weigert sich die Berliner Politik auf die Forderungen der Umweltverbände einzugehen.

Dennoch: Weil die Probleme mit der Lagerung nicht nur des hochradioaktiven, sondern auch des leicht- und mittelaktiven Atommülls immer größer werden, braucht es dringend eine umfassende Debatte und Suche nach verantwortbaren Wegen, die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung vor den radioaktiven Hinterlassenschaften des atomaren Wahnsinns neu zu regeln.

Atommüll-Tagung von Umweltverbänden und Anti-Atom-Initiativen
Was tun mit dem Atommüll, der landauf landab und in jedweder Form an AKW-Standorten, in alten Atomforschungsanlagen, in so genannten Zwischenlagern, oder gar als Wertstoff getarnt in viel zu großen und immer noch wachsenden Mengen rumliegt und nichts als Probleme macht? Darüber diskutiert die Anti-Atom-Bewegung auf einer Tagung am 28. und 29. März in Berlin unter dem Titel: “Atommüll ohne Ende – Auf der Suche nach einem besseren Umgang” (hier der Programmflyer als PDF). Die Tagung wird von ROBIN WOOD und vielen anderen Umweltverbänden und Anti-Atom-Initiativen unter dem Dach des Deutscher Naturschutz Ring organisiert und durchgeführt. Siehe mehr dazu bei ROBIN WOOD.

Dirk Seifert

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