Tschüss Vattenfall: Stadt will Müllverbrennungsanlagen kaufen
Der Ausverkauf und Rückzug von Vattenfall aus Hamburg geht weiter. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze hat der Konzern sein Stromnetz an die Stadt verkauft und für die Fernwärme eine Rückkaufoption vereinbart. Jetzt will die Hamburger Stadtreinigung dem angeschlagenen Konzern die beiden Müllverbrennungsanlagen vollständig abnehmen. Beide Anlagen produzieren aus Müll (Biomasse genannt) sowohl Strom als auch Wärme (Vattenfall zu Borsigstraße, zu Rugenberger Damm hier).
Die Stadtreinigung hatte bereits im Juni 2013 angekündigt, die Verträge mit den Müllverbrennungsanlagen in Stapelfeld und in der Borsigstraße nicht zu verlängern.
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„Derzeit werde die Option geprüft, die Müllverwertungsanlagen Borsigstraße (Billbrook) und Rugenberger Damm (Waltershof) zu kaufen. Beide Anlagen gehören derzeit Vattenfall. Über den Verkaufspreis wurde nichts bekannt. Sollte der Kauf zustande kommen, will die Stadtreinigung die mehr als 40 Jahre alte Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor (Bahrenfeld) stilllegen. Außerdem will Hamburg 2016 aus dem Vertrag mit der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld (Kreis Stormarn), die zum E.on-Konzern gehört, aussteigen.“ Das berichtet das Hamburger Abendblatt.
Unklar bleibt bei den Angaben des Abendblatts, ob es bei der Übernahme lediglich um die Vattenfall-Anteile geht oder ob auch die weiteren Beteiligungen übernommen werden sollen. Die Anlage in der Borsigstraße gehört Vattenfall zu 85,5 Prozent, die restlichen 14,5 Prozent liegen bei einer E.on-Gesellschaft. Am Rugenberger Damm hält Vattenfall 55 Prozent. Die Stadtreinigung ist bereits mit 25 Prozent beteiligt, der EWE gehören die restlichen 20 Prozent.
„Betriebsbedingte Kündigungen soll es nach Unternehmensangaben nicht geben.“
Die Pläne der zu 100 Prozent im Besitz der Hansestadt befindlichen Stadtreinigung sind offenbar mit der SPD abgestimmt und werden von der Fraktion in der Bürgerschaft unterstützt. „Wenn es gelingt, die relativ neuen und modernen Verbrennungsanlagen zu erwerben und dafür zwei alte stillzulegen, ist das auch ein Beitrag zur Luftreinhaltung, weil damit der Ausstoß von Luftschadstoffen reduziert werden kann“, sagte die umweltpolitische Sprecherin Monika Schaal“, berichtet das Abendblatt. Monika Schaal betrachtet demnach die Übernahme vor allem mit Blick auf die Abfallpolitik: „In der Abwägung wäre ein Kauf außerdem auch billiger als ein Mietvertrag über weitere 20 Jahre, der die Stadt überdies in der Gestaltung der Abfallwirtschaft und Entsorgungssicherheit behindern würde. Zudem könnte die Stadtreinigung auch Gewerbebetrieben anbieten, ihren Abfall bei der Stadtreinigung zu entsorgen. „Damit kann Hamburg einen Beitrag leisten, Mülltourismus zu unterbinden“, so Schaal.“
Strom und Wärme aus Müll
Mit der Übernahme würde die Hansestadt auch den kommunalen Anteil bei der Strom- und Wärmeerzeugung weiter erhöhen. Nach dem erfolgreichen Volksentscheid Unser Hamburg – Unser Netz vom September 2013, der die Stadt Hamburg dazu verpflichtet die Energienetze zu rekommunalisieren, ist mit Vattenfall eine Kaufoption für die Fernwärme vereinbart worden, die 2018 erfolgen soll (* siehe unten).
Bei der Fernwärme geht es nicht nur um die Rohrleitungen, sondern auch um die Kraftwerke, die Wärme und außerdem gleichzeitig Strom erzeugen. Nach dem Verkauf der Hamburgischen Electricitäts Werke (HEW) Anfang der 2000er Jahre an Vattenfall, kommt damit nun auch immer mehr städtische Stromerzeugung in Hamburger Hand. Zusätzlich gibt es noch den vollständig kommunalen Ökostromer Hamburg Energie.
Die mögliche Übernahme der Verbrennungsanlagen MVR und MVB und die dann erfolgende Schließung der Anlage in Stellingen wird auch Auswirkungen auf die Umsetzung des Volksentscheids bzw. der Neugestaltung der Fernwärmeversorgung in Hamburg haben. Mit Spannung erwarten die energiepolitischen Akteure in der Hansestadt derzeit die ersten Ergebnisse eines von der Umweltbehörde in Auftrag gegebenen Wärme-Konzepts. Jahrelang hatte die Behörde das verschleppt. Erst durch den Volksentscheid und die damit verbundene Rekommunalisierung hat die Umweltbehörde endlich diese Studie in Angriff genommen.
* Geplant war eigentlich die sofortige Übernahme durch die Stadt, wie es beim Stromnetz auch erfolgt ist. Steuerliche Gründe, die eine sofortige Übernahme erheblich verteuert hätten, sollen der Grund sein, dass die Variante mit der Kaufoption gewählt wurde. Siehe dazu: Volksentscheid Energienetze Hamburg: Wärmevertrag mit erheblichen Mängeln – Senat muss Umbau der Fernwärme schon jetzt aktiv gestalten.
Immer mehr wird nach dem Volksentscheid und der laufenden Rekommunalisierung auch deutlich, dass die Stadt dringend ein Konzept braucht, wie sie in der Ver- und Entsorgung künftig weiter machen will. Wärme- und Stromerzeugung in unterschiedlichen Netzen mit unterschiedlichen Anlagen müssten in Richtung auf mehr Klimaschutz, aber auch in Verbindung mit der Energiewende betrachtet werden. Auch in der Organisation stellen sich viele Fragen neu: Wird der Volksentscheid erfolgreich umgesetzt, verfügt die Stadt künftig über die Netze für Wasser, Strom, Fernwärme und Gas. Außerdem gibt es den Ökostromer Hamburg Energie. Das ganze hatte früher mal einen Namen: Stadtwerke. Zu klären wäre, ob – und wenn ja, wie – das für Hamburg und die Energieversorgung eine neue Aufgabe wäre.