Keine Übersicht und kein Vertrauen: Niedersachsens Umweltminister kritisiert Atommüll-Politik
Wo viele Grüne inzwischen schweigen und wegtauchen übt Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel heftige Kritik an der Atommüll-Politik. In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung sagt er unter der Überschrift „Wir haben keine Übersicht über Atommüll“, dass das gerade erst verabschiedete Endlagersuch-Gesetz umgehend geändert werden muss. Gorleben kommt als Standort nicht in Frage.
In der HAZ heißt es weiter: „„Im Grunde ist das ein Skandal“, sagt Landesumweltminister Stefan Wenzel. Als Skandal betrachtet Wenzel den Sachverhalt, dass die neue hochkarätige Kommission zur Suche nach einem Atomendlager überhaupt keine Übersicht hat über Art und Ausmaß des hochgiftigen Mülls. „Es gibt ein paar Zahlen, aber keine vollständige Bilanz, welche Arten und Mengen radioaktiver Abfälle angefallen sind beziehungsweise noch anfallen werden – das ist doch ein Hammer“, meint Wenzel: „Manches ist als Wirtschaftsgut deklariert.““
In der Tat haben Bürgerinitiativen in Sachen Atommüll einen besseren Überblick als die Behörden und Ministerien. Im Herbst letzten Jahres legten sie eine Bestandsaufnahme für den Atommüll an allen Atom-Standorten in Deutschland vor. Detailliert werden in dem „Sorgenbericht“ die Mengen radioaktiver Hinterlassenschaften aufgelistet. Eine vergleichbare Übersicht haben derzeit offenbar weder Bundes- noch Landesbehörden.
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Derzeit arbeiten die Anti-Atom-Initiativen im Rahmen der Atommüllkonferenz daran, auch eine Online-Ausgabe zu erstellen.
Niedersachsens Umweltminister Wenzel kritisiert in der HAZ das Endlagersuchgesetz und die dazu gehörende Kommission, die unter heftiger Kritik der Umweltverbände vorletzte Woche an den Start gegangen ist und bis 2016 Vorschläge für die Endlagerung hochradioaktiver Atomabfälle machen soll.
Nach den Plänen der Bundesregierung soll 2031 ein Endlagerstandort festgelegt werden. Ein Zeitplan, der schon heute von verschiedenen Seiten kritisiert wird. Auch Wenzel sagt in der HAZ: „„Dieser Zeitplan wird so nicht zu halten sein“, glaubt Wenzel. Denn die ganze Forschungslandschaft, die sich bisher auf den Standort Gorleben konzentriert habe, müsse sich umorientieren. „Diese einseitige Fixierung rächt sich jetzt.“ Gorleben, da ist sich Wenzel ganz sicher, wird am Ende der Arbeit der Endlagersuchkommission als Endlagerstandort ausgeschieden sein: „Wenn man den Stand von Wissenschaft und Technik als Kriterium zugrundelegt, bin ich sicher, dass das 1979 konzipierte Gorleben rausfällt.““
Auch Wolfram König vom BfS sagt öffentlich, was andere nur hinter vorgehaltener Hand erzählen. Im Spiegel heißt es: „Der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, rechnet frühestens im Jahr 2050 mit einem betriebsbereiten Endlager für hochradioaktiven Atommüll in Deutschland. „Das wäre sehr ambitioniert“, sagte König der Deutschen Presse-Agentur vor der ersten Sitzung der Endlager-Kommission am Donnerstag. Die Kommission soll bis 2016 Kriterien für die bundesweite Suche erarbeiten. „Alle früheren Zeitvorstellungen haben sich als falsch erwiesen“, betonte König. Bis 2031 soll ein Ort gefunden und dann dort ein Endlager gebaut werden. „Aber wir dürfen das Problem auch nicht immer weiter in die Zukunft verschieben“.“
Es braucht glaubwürdige Institutionen und Verfahren
Auch wenn inzwischen der BUND und die Deutsche Umweltstiftung trotz massiver Kritik an der Such-Kommission beteiligt sind; zahlreiche andere Verbände und Initiativen haben das wegen der Mängel und Vorfestlegungen des Gesetzes abgelehnt.
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Stefan Wenzel ist sich klar darüber, dass das derzeitige Verfahren nicht taugt, um einen gesellschaftlichen Konsens herzustellen. In der HAZ heißt es: „Um überhaupt voranzukommen bei der Endlagersuche, müssen nach Wenzels Worten ein paar wichtige Grundlagen gelegt werden. „Wir brauchen glaubwürdige Institutionen und Verfahren“, sagt Wenzel. Dies sei die Lehre aus dem jahrzehntelangen Kampf um Gorleben und die Lehre aus dem Versagen in der Asse. Wenig überzeugend findet Wenzel die Planungen für das neue Bundesamt für Entsorgung, welches die Fäden in die Hand nehmen soll. Diese, ursprünglich vom früheren Bundesumweltminister Norbert Röttgen in Nordrhein-Westfalen konzipierte Behörde, ist in Wenzels Augen eine unselige Konstruktion. „Die jetzige Organisation wäre ein Zwitter zwischen Aufsichtsbehörde und Betreibergesellschaft – da sind Interessenskonflikte programmiert.““
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Aus den genannten Gründen fordert Stefan Wenzel, dass es dringend „noch Änderungen im bereits beschlossenen Endlagersuchgesetz geben“ muss. „Auch beim Rechtsschutz für die Bürger gebe es Nachbesserungsbedarf und schon bald müsse auch über die Finanzierungsfrage geredet werden – „darüber, ob und wie viel Geld vorhanden ist.“ Vorhandene Rücklagen müssten mündelsicher angelegt werden.“