Geheime Atomtransporte – 1.653 grenzüberschreitende Atomtransporte seit Anfang 2012 – Einladung zur Recherche

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Radioaktives Uranerz auf der Schiene im Hamburger Hafen auf dem Weg über NRW nach Frankreich. Atomtransporte quer durch Europa. Foto: Tim Christensen

Von Anfang 2012 bis zum 29. April 2014 haben insgesamt 1.653 grenzüberschreitende Atomtransporte stattgefunden. Hinzu kommen die radioaktiven Frachten, die nur innerhalb der Bundesrepublik transportiert werden. Allein 988 Atomtransporte mit angereichertem Uran (Kernbrennstoffe) haben innerhalb Deutschlands und grenzüberschreitend stattgefunden. Ihre Routen werden geheim gehalten, dabei geht bei vielen dieser Transporte auch das nukleare Risiko mit auf die Reise. Eine einheitliche Statistik für Atomtransporte gibt es nicht. Der Linke Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel hatte mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung (PDF) drei Statistiken über die Atomtransporte im Zeitraum von Anfang 2012 bis etwa Mitte Mai 2014 als PDF-Daten erhalten. Jetzt liegen die Daten in Form von drei Excel-Dateien vor, sodass für eine Auswertung bessere Möglichkeiten bestehen. Die drei Dateien sind hier als Archiv-RAR zum download gestellt. Bitte teilt mir eure Recherche-Ergebnisse mit (Kontakt: mail at dirkseifert.net).

  • Achtung: Eine Kontrolle bei der Umwandlung der PDF-Daten in die Excel-Dateien ist nicht erfolgt, es könnten also Übertragungsfehler möglich sein. Bitte immer gegenchecken. Und: Die Datei mit den Daten des Eisenbahnbundesamtes enthält nur die Jahre 2012 und 2013, nicht aber die Daten bis Mai 2014. Außerdem sind es zwei Tabellen in einer Datei – jeweils nach Jahren.

Während für Transporte mit angereichertem Uran (sogenannte Kernbrennstoffe) das Bundesamt für Strahlenschutz als Genehmigungsbehörde (nach Atomgesetz) einige Eckdaten nachträglich veröffentlicht, gibt es über die Zahl der „sonstigen radioaktiven Stoffe“ – die lediglich nach Strahlenschutzverordnung unterwegs sind, noch spärlichere Informationen. Vor allem die tatsächlichen Routen der atomaren Frachten zu identifizieren, ist selbst mit den vorliegenden Daten nicht ganz einfach. Vor allem den Einsatz von AktivistInnen aus den Reihen der Anti-Atom-Bewegung ist es zu verdanken, dass die Informationssperre über die Routen teilweise durchbrochen werden konnte. Z.B. hatten AtomkraftgegnerInnen im Hamburger Hafen die Routen von Uranerz (kein Kernbrennstoff) aus Namibia und Kasachstan ausfindig gemacht. Per Schiff kommend wurden diese Atomtransporte per Schiene über Münster und durch NRW bis nach Narbonne in Frankreich verfolgt.

Wie schwierig diese Recherchen selbst mit den vorliegenden Daten der Behörden sind, soll dieses Beispiel zeigen:
Laut der Statistik der BAFA (siehe in den Anlagen, Rar-Archiv) werden mit Datum vom 17.2.2014 zwei Transporte mit unbestrahlten Uranbrennelementen von Neckarwestheim nach Russland gemeldet. Hierbei handelt es sich um Kernbrennstoffe. Anzunehmen ist, dass es sich um defekte Brennelemente des russischen Herstellers handelt, die der AKW-Betreiber zur Reparatur zurück schickte. Anhand der Daten des Bundesamts für Strahlenschutz ist nun ersichtlich, dass ein solcher Transport am 20.2.2014 stattgefunden hat. Doch über eine mögliche Streckenführung lässt sich anhand dieser Daten nichts aussagen. Das wird erst möglich, wenn man in die Listen schaut, die die Hamburger Linksfraktion regelmäßig beim Senat abfragt. In der Drucksache 20-11730 ist dann zu sehen, dass am 20.2.2014 ein Atomtransport mit uBE (unbestrahlten Brennelementen) stattgefunden hat. Der Transport erfolgte per LKW und wurde auf dem Gelände der staatlichen Hamburger Hafen und Lagerhaus AG (HHLA) auf ein Schiff verladen, das Richtung Russland ging. Dabei mussten die radioaktiven Brennelemente offenbar 2,5 Tage im Hamburger Hafen zwischengelagert werden.

Tatsächliche Informationen, ob das Schiff dann über den Nord-Ostsee-Kanal Richtung Russland gefahren ist, gibt es nicht. Allerdings ist das sehr wahrscheinlich. In einem Antwortbrief teilte ein Mitarbeiter der Atomaufsicht in Schleswig Holstein am 28. Mai mit,  dass „im Jahr 2014 bisher 11 Transporte von Kernbrennstoffen (Uranhexafluorid) durch den Nord-Ostsee-Kanal durchgeführt worden sind.“ Frische Brennelemente, bei denen es sich um Kernbrennstoff handelt, werden nicht extra erwähnt. Das kann nun bedeuten: Diese Stoffe sind nicht über den NO-Kanal gegangen (sondern z.B. über das Skagerrak) – oder: Der Mitarbeiter nennt diese Brennelemente lediglich nicht, obwohl sie – ebenso wie die Transporte von Uranhexafluorid durch den Kanal gegangen sind. Verwirrend? Genau!
Unklar bleibt bei den Angaben aus Kiel, ob also nun 11 Transporte mit Uranhexafluorid gemeint sind – oder dass dieser Stoff teilweise bei insgesamt 11 Transporten von Kernbrennstoffen zwischen Anfang 2014 bis ca. Mitte Mai durch den Kanal gegangen ist.

Nur zwei Tage später – so ist der Hamburger Liste zu entnehmen – gingen von der Brennelementefabrik in Lingen ebenfalls frische Brennelemente in den Hamburger Hafen. Deren Ziel: Das noch im Bau befindliche Atomkraftwerk Olkiluoto in Finnland. Hier wird ein Schiffsumschlag auf dem Uni-Kai genannt.

Auch dieser Atomtransport könnte über den Nord-Ostsee-Kanal gelaufen sein. Und z.B. am 21. April werden in der Hamburger Liste Transporte von russischen Brennelementen gemeldet, die im Terminal der HHLA umgeschlagen wurden. Ein Teil der Ladung ging per LKW zum AKW Brokdorf, der andere Teil zum AKW Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Auch diese Ladung müsste eigentlich über den Nord-Ostsee-Kanal nach Hamburg gekommen sein. Aber genaues lässt sich nicht sagen, weil a.) die Transportstrecken verheimlicht werden und b.) es in dem genannten Brief auf Kiel heißt: „Gesonderte Statistiken für Transporte durch Schleswig-Holstein existieren nicht“.
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Dirk Seifert

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