Tschernobyl/Ukraine: Neuer Sarkophag – 600 Millionen Euro fehlen

Fast 30 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 gehen von der Reaktorruine noch immer radioaktive Gefahren aus. Seit Jahren wird an einem Ersatz für den damals in aller Eile errichteten Sarkophag gearbeitet, mit dem der explodierte Reaktor überspannt worden ist, um zu verhindern, dass weiter Radioaktivität an die Umwelt gelangt. Mit internationaler Hilfe wurden die dafür erforderlichen hohen Kosten finanziert und immer wieder mussten die Kostenschätzungen nach oben korrigiert werden. Derzeit fehlen immer noch 600 Millionen Euro, die nach einem Bericht des Deutschlandfunks zum Stand der Arbeiten am neuen Sarkophag im nächsten Jahr auf einer internationalen Geberkonferenz beschafft werden sollen.
Im so genannten Grünbuch des Umweltministeriums zu den Haushaltsberatungen für 2015 hat die Behörde einen Sachstandsbericht  zur „Sanierung des Sarkophags in Tschernobyl“ (Kap. 1605 – Titel 896 02, S. 150/151) vorgelegt, der auch einen Überblick über die gesamten Finanzierungsschritte gibt. Auch hier wird von einer bestehenden Finanzlücke von insgesamt 615 Millionen Euro gesprochen. (Hier der Auszug zum Sarkophag aus dem Grünbuch als PDF.)
Im Rahmen der Haushaltberatungen haben die linken Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (Sprecher für Atomausstieg der Linksfraktion) und der für Haushaltsfragen zuständige Roland Claus zu den Sanierungsprojekten in Tschernobyl nachgefragt und mehr über die Kostenrisiken wissen. Die Antwort des BMUB – Abteilung RS aus dem Berichterstattergespräch am 15. September 2014 hier zur Dokumentation:
BMUB-Haushalt 2015; Berichterstattergespräch am 15. September 2014
hier: Schriftliche Beantwortung der Fragen von MdB Claus (E-Mail vom 8. September 2014); Antwortbeitrag Abteilung RS
Kap. 1605 Titel 896 02 Sanierung des Sarkophags in Tschernobyl
Frage: Was genau sind die Sanierungsprojekte, die rund um die AKWs in Tschernobyl mit internationaler
Unterstützung stattfinden, woraus resultieren die enormen Kostenrisiken?
Antwort: „Im Jahr 1986 explodierte Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl. Zur Verhinderung einer weiteren Freisetzung von Radioaktivität wurde noch im Jahr 1986 eine Schutzummantelung (Sarkophag) errichtet. Dieser damals in großer Eile erbaute Sarkophag wird zunehmend instabil und wird in absehbarer Zeit einstürzen. Da ein Einsturz zu einer erneuten Freisetzung von Radioaktivität führen würde und die Arbeiten auf dem Gelände des Kernkraftwerks – auf dem sich ca. 2000 Brennelemente befinden – erschwert wenn nicht sogar verhindert würden, wird der Sarkophag nun erneuert. Dieser so genannte neue sichere Einschluss (New Safe Confinement – NSC) wird 257 m breit, 162 m lang und 108 m hoch sein. Im Inneren wird ein bewegliches Hauptkransystem mit 96 m Spannweite angebracht, um zunächst instabile Teile des alten Sarkophags um Block 4 zu entfernen und einen späteren Abbau des havarierten Reaktorblocks zu ermöglichen. Der NSC wird zur Reduzierung der Strahlendosis für die Arbeiter in einiger Entfernung von Block 4 errichtet und erst nach Fertigstellung über den bestehenden Sarkophag geschoben. Als Fertigstellungstermin wird zurzeit 2018 genannt. Zusätzlich zum NSC werden neue Gebäude für die Lagerung der Brennelemente und Konditionierung der radioaktiven Abfälle erbaut.
Die internationale Gemeinschaft – allen voran die G7 – hat der Ukraine bereits seit 1997 mehrfach Unterstützung bei der Überführung des havarierten Blocks 4 in ein ökologisch sicheres System zugesagt und finanziert seitdem diese Projekte. Für die Ukraine selbst wäre eine Finanzierung kaum möglich.
Laut den Informationen, die dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) vorliegen, sind folgende Faktoren ursächlich für Verzögerungen des Baus und damit im Wesentlichen verantwortlich für die Kostensteigerungen und -risiken:
− Schwierige und unvorhersehbare radiologische und sicherheitstechnische Bedingungen (radioaktives Material wurde bei der Explosion des Reaktors weiträumig verteilt und in aller Eile vergraben);
− Notwendigkeit von Anpassung der Arbeitsumgebung und der Gebäudearchitekturen an unvorhersehbare lokale Gegebenheiten(z. B. Änderungen am Hauptkransystem);
− Verzögerungen im Antrags- und Genehmigungsverfahren aufgrund der Neuartigkeit/Einmaligkeit der Projekte;
− zusätzliche unvorhergesehene Sicherheitsanforderungen(z. B. Sturmfestigkeit von Türen).“
(RS I 2 – 03024/HH 2015 BE-Gespräch MdB Claus; AE Stand 19.09.2014)

DSe4Zdebel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert