Vattenfall zerfällt – Hamburg übernimmt Müllverbrennung
Bei Vattenfall denkt man ja vor allem an Strom. Doch auch in der Sparte Abfallverbrennung war der Konzern seit seinem Markteintritt um die 2000er Jahreswende höchst aktiv. Auch hier ist der Ausverkauf von Vattenfall und der geplante Rückzug in vollem Gange. Die Vattenfall-Müllverbrennungsanlage (MVA) in der Hamburger Borsigstraße wechselte bereits im September für insgesamt 78 Millionen Euro an die Stadtreinigung. Mitte Dezember stimmte der Hamburger SPD-Senat der Übernahme zu, wie die Stadtreinigung in einer Pressemeldung mitteilte. In 2015 werden die laufenden Verhandlungen für die MVA am Rugenberger Damm und möglicherweise auch für die Klärschlammverbrennungsanlage VERA zum Abschluss gebracht werden. Damit verbunden ist auch die Rekommunalisierung in diesem Bereich, nachdem durch den Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ bereits die vollständige kommunale Übernahme des Stromnetzes und der Fernwärme (Vattenfall) sowie des Gasnetzes (E.on) durchgesetzt worden war. Hamburg erhöht mit der Rekommunalisierung der Müllverbrennung auch seine Strom- und Wärmeerzeugung als kommunales Unternehmen.
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Auch die EEW, die zu 14,5 Prozent an der Anlage beteiligt waren, haben ihren Anteil verkauft und dafür dann wohl entsprechend 11 Millionen Euro erhalten. Die Anlage in der Borsigstraße, die über eine Verbrennungskapaziät von 320.000 Tonnen verfügt, ist damit zu 100 Prozent im städtischen Eigentum.
Die Stadtreinigung teilte Mitte Dezember in der genannten Presseerklärung auch mit, dass die alte und kleine Müllverbrennungsanlage Stelling nun stillgelegt werden soll: „Stellinger Moor soll daher im kommenden Sommer stillgelegt werden. Mit dem Kauf der Müllverbrennungsanlage Borsigstraße übernimmt die SRH auch die rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Team vom Stellinger Moor soll möglichst im SRH-Konzern weiterarbeiten. Es wird in beiden Fällen keine betriebsbedingten Kündigungen geben.“
Die Mopo berichtet über den Verkauf der MVB und die Absicht, auch die MVA Rugenberger Damm zu übernehmen hier.
Über die Eckdaten der Anlage in der Borsigstraße heißt es bei Vattenfall unter der Überschrift: „Müllverwertung Borsigstraße – Verbrennung von Biomasse und Abfällen“: Der Bau der Müllverbrennungsanlage Borsigstraße begann 1991. Seit 1994 sind die Linien 1 und 2 des Heizkraftwerks in Betrieb. Im Jahr 2005 kam die Linie 3 hinzu, in der Strom aus Biomasse erzeugt wird.“ Über das Heizkraftwerk Borsigstraße: „In den Linien 1 und 2 wird Strom und Wärme aus Siedlungsabfällen gewonnen. Ihre Wärmekapazität liegt bei 85 Megawatt (MW). Nach der Verbrennung im Heizkraftwerk beträgt das zu entsorgende Abfallvolumen nur noch drei Prozent der ursprünglichen Menge. 2005 wurde ein Biomassekraftwerk errichtet, das mit Altholz, der Klasse A1-A4, betrieben wird.“ Mehr Informationen über die MVB sind hier zu finden. Zur MVR gibt es hier weitere Informationen.
Die MVB ist als Verwertungsanlage auch eine Strom- und Wärmeerzeugungsanlage, wie die Stadtreinigung betont: „Die MVB produziert bei einer maximalen Verbrennungskapazität von 320.000 Tonnen pro Jahr etwa 16 Prozent der Fernwärme für die Versorgung der Hamburger Haushalte.“ (Siehe außerdem die PM der Stadtreinigung vom September 2014: SRH übernimmt Müllverbrennungsanlage Borsigstraße (MVB))
Vattenfall selbst verweist in Sachen Müllgeschäfte des Konzerns außerdem darauf: „In Hamburg erzeugt Vattenfall in den Müllverwertungsanlagen Borsigstraße (MVB) und Rugenberger Damm (MVR) Wärme und Strom für die Wohnungswirtschaft sowie Prozessdampf für Industriekunden. Allein die in der MVB produzierte Energie genügt für die Grundlast der gesamten Hamburger Fernwärmeversorgung. Des Weiteren betreibt Vattenfall Abfallverwertungsanlagen in Rostock, Rüdersdorf und Lauta.“
Hinweis: Auch die MVA in Lauta steht bereits zum Verkauf. Darüber berichtet u.a. die Lausitzer Rundschau in einem aktuellen Interview mit dem Landrat. Dort wird allerdings nur über „eine Minderheitenbeteiligung nach(gedacht), wenn Vattenfall die Müllsparte verkaufen sollte“.
Stadtreinigung Hamburg erwirbt Vattenfalls Anteil an Müllverwertung Borsigstraße
In der MVB können jährlich rund 320.000 t Hausmüll umweltgerecht energetisch verwertet werden. Dabei wird aus Abfall Wärme erzeugt, die ins Hamburger Fernwärmenetz eingespeist wird. Die MVB ermöglicht die Entsorgung von Abfällen auf höchstem technischen Standard und gewinnt aus den Reststoffen der Verbrennung nahezu sämtliche werthaltigen Stoffe. Der Liefervertrag zwischen SRH und MVB war nach rund 20-jähriger Laufzeit am 28.02.2014 ausgelaufen.
André Bandilla, Geschäftsführer der Vattenfall Europe New Energy GmbH: „Wir freuen uns, dass wir mit der Stadtreinigung Hamburg eine für alle Seiten einschließlich unserer Mitarbeiter gute Vereinbarung getroffen haben. Mit dieser modernen Anlage haben wir in den vergangenen 20 Jahren in enger Zusammenarbeit mit der Stadtreinigung Abfall aus Hamburger Haushalten verwertet. Die MVB wird dies auf neuer Grundlage auch in Zukunft tun können.“
SRH-Geschäftsführer Prof. Dr. Rüdiger Siechau: „Mit dem Kauf der MVB, der geplanten Stilllegung der MVA Stellinger Moor sowie dem Vertragsende mit der MVA Stapelfeld (31.12.2016) vermindert die Stadtreinigung die Verbrennungskapazität um etwa ein Drittel auf 640.000 t/a. Diese deutliche Kapazitätsreduktion wird nur durch die langfristige und konsequente Fortführung der laufenden Recycling-Offensive möglich. Gleichzeitig kann die SRH die umweltgerechte Verwertung des Restmülls aus den grauen Tonnen auf die beiden modernen und leistungsfähigen Müllverwertungsanlagen MVB und MVR (Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm) konzentrieren. Für alle Hamburgerinnen und Hamburger bedeutet dieser auch wirtschaftlich vorteilhafte Kauf der MVB langfristige Entsorgungssicherheit und gewohnte Gebührenstabilität.“
Betriebsbedingte Kündigungen von Mitarbeitern nach Schließung der MVA Stellinger Moor und Übernahme der MVB werden ausgeschlossen.
Ihre Ansprechpartnerin für weitere Informationen:
Barbara Meyer-Bukow, Vattenfall GmbH, Media Relations Germany,
Telefon 040 2718 3715, Fax 040 2718 3770,
barbara.meyer-bukow@vattenfall.de
Also in diesem Bereich finde ich Hamburg wirklich beispielhaft für viele andere deutsche Städte. So bleibt das Geld am Ende wenigstens in der Kommune und wird sinnvoll ausgegeben. Das gleiche gilt für Strom und Gasnetze. Das ist wenigstens langfristig gedacht.
Das war aber auch eine Menge Arbeit, denn bei den Energienetzen war es ja nötig, die Stadt (SPD und viele andere) von der 100 Prozent Variante per Volksentscheid zu überzeugen…. Sonst wären Vattenfall und E.on immer noch im Spiel.
Gruß
Dirk Seifert
Ob Vattenfall aus dem Spiel der Fernwärmeversorgung Hamburgs ist, muss sich trotz Volksentscheid noch zeigen: Senator Kerstan wies in der Energienetzbeiratssitzung am 10.11.16 darauf hin, dass der Rückkauf der VWH offen und von dem/den zu erstellenden Gutachten zum Preis abhängig sei. Und dann kam der Hinweis auf die Landeshaushaltsordnung, welche den Senat zu wirtschaftlicher und sparsamer Haushaltsführung verpflichtet. In der Antwort des (damaligen SPD-Senats) auf die Frage 7 der SKA des Abg. Kerstan vom 24.3. 2014 (Drucksache 20/11237) heißt es dazu:
„Der Kauf der Fernwärme setzt im Sinne des Volksentscheids eine Senatsentscheidung darüber voraus, ob es sich dabei um einen „zulässigen Schritt“ handeln würde. Der Senat muss zum Beispiel prüfen, ob den nach
der Landeshaushaltsordnung zu beachtenden Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Genüge getan wird. Die Entscheidung ist im Jahr 2018 zu treffen.“ Tempi passati – so ändern sich die Zeiten.