Atommüll macht echt nur schlechte Laune – Die ASSE, die Bergung oder Nicht-Bergung.
Die Stimmungslage zwischen dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und den Initiativen rund um ASSE II ist ebenso schlecht, wie der Zustand des vom Einsturz bedrohten Atommülllagers bei Wolfenbüttel. Bei den Initiativen kommt immer mehr der Verdacht auf, dass die per Gesetz im Bundestag mit großer Mehrheit beschlossene Beschleunigung der Bergung der Atomabfälle in 126.000 Fässern hintertrieben wird. Bestärkt wird diese Sorge auch durch ein internes Arbeitspapier der Strahlenschutzkommission (SSK), dem Beratergremium der Bundesregierung (siehe hier Tagesspiegel). Auch unabhängig davon stellen SSK-Mitglieder wie Rolf Michel (Uni Hannover) das ASSE-Beschleunigungsgesetz in Frage.
- Öffentliches Fachgespräch zum Atommülllager Asse im Umweltausschuss des Bundestags am Mittwoch, 14. Januar. Diesmal ist neben BMU und BfS auch die Begleitgruppe eingeladen. Die Sitzung wird im live-stream übertragen.
„Eine robuste Abschätzung der realen Expositionen der Arbeiter und der realen und potentiellen Expositionen der Bevölkerung bei der Rückholung ist auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes nicht möglich“, stellt Michel zwei Jahre nach dem Bundestagsbeschluss zum ASSE-Gesetz auf einer Veranstaltung am 15. November 2014 fest (S.36 in dieser PDF, siehe auch hier auf diesem Server). Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt, Mitglied der Reaktorsicherheits- und Chef der Entsorgungkommission, hatte schon vor Jahren gegen eine solche Bergung gesprochen.
Siehe auch die Wolfenbütteler Zeitung (kostenpflichtig): ASSE-Initiativen beklagen Verzögerung
Mehrere Sachthemen rufen die Initiativen rund um den Begleitprozess auf, bei denen das BfS nach ihrer Auffassung viel zu langsam vorgehe.
- Siehe zur PK der Initiativen auch hier: Atommülllager ASSE: Räumen statt bremsen
In der „jungen Welt“ fasst Reimar Paul aktuell die von den Initiativen auf einer Pressekonferenz vorgetragenen Kritikpunkte zusammen: „Diese kritisieren unter anderem, dass das Bundesamt die Suche nach einem Zwischenlager für den zu bergenden Müll ausgesetzt hat. Das BfS hatte die Unterbrechung des Suchprozesses Anfang Dezember mit Differenzen zwischen der Behörde und den Gremien vor Ort begründet. Während der Betreiber die Suche auf die nähere Umgebung des Lagers eingrenzen wollte, waren Kommunalpolitiker und Bürgerinitiativen dafür, auch in weiterer Entfernung nach möglichen Standorten zu suchen. Der Koordinationskreis bemängelt außerdem, dass die der eigentlichen Rückholung vorgeschaltete Faktenerhebung bereits fünf Jahre dauere, obwohl dafür eigentlich »nur« drei Jahre vorgesehen waren. Zugleich sei sie bislang »ohne nennenswerten Erkenntnisgewinn« geblieben. Sie umfasst das Anbohren von zwei Einlagerungskammern, das Öffnen dieser Hohlräume und die Bergung erster Fässer. Bislang sind aber noch nicht einmal die Bohrungen in die erste Kammer abgeschlossen.“
Das BfS reagiert eher genervt. Vor wenigen Wochen bei einer Anhörung im Bundestag sprach Präsident Wolfram König von einer Vielzahl von Wahrnehmungsproblemen und mit Blick auf den Begleitprozess auch von Rollen- und Entscheidungsproblemen.
Die Zeitschrift „Das Parlament“ berichtet über diese Anhörung ausführlich und schreibt über das Statement von König: „Auch wenn das BfS die „letztendliche Verantwortung“ habe, sei der Anspruch, „möglichst Vieles gemeinsam zu entscheiden“, betonte er. Ein Grundproblem sei, dass sich das Vorhaben über Jahrzehnte hinziehen werde. Dafür brauche es eine Begleitgruppe als „stabilen Partner“, die sich klar in Hinblick auf Rolle und Mandat sein müsse. Es müsse ein Bürgerbeteiligung organisiert werden, die „über Jahrzehnte trägt“ und nicht „persönlichen Einzelinteressen anheimfallen kann“.“
Ähnlich äußert sich gegenüber der „jungen Welt“ auch aktuell die Sprecherin des BfS: „»Das Miteinander bei dem lang andauernden und einmaligen Sanierungsprozess lebt davon, dass nicht einzelne Akteure ihre jeweilige Position zum besten geben«, sagte Sprecherin Ina Stelljes am Dienstag gegenüber jW. Ansprechpartner der Behörde sei im übrigen die beim Landkreis Wolfenbüttel angesiedelte Asse-Begleitgruppe »und nicht einzelne Mitglieder oder deren Organisationen«.“
Und sie fügte in der Sache hinzu: „Auch inhaltlich verwahrt sich die Behörde gegen die Kritik. Die bisherigen Probebohrungen an der Einlagerungskammer Nummer 7 hätten sehr wohl Erkenntnisse geliefert. So sei es gelungen, mit Hilfe von Radarmessungen die genaue Lage der Kammerdecke, der Wände und der Verschlussmauer zu bestimmen. Gleichwohl sei auch das BfS der Ansicht, dass die Faktenerhebung »in der bisherigen Form zu viel Zeit« beanspruche.“
Bei der Anhörung im Bundestag sagte König laut „Parlament“ im Dezember weiter: „Dazu gehöre auch, im Konfliktfall unterschiedliche Auffassungen so zu akzeptieren, dass keine „Handlungsunfähigkeit“ entstehe – dafür existiere derzeit noch kein Mechanismus. König verwies in diesem Kontext auf Drainagemaßnahmen in der Schachtanlage, über die einerseits zwei Jahre lang intensiv mit der Begleitgruppe diskutiert worden sei, zu deren Realisierung er andererseits rechtlich angehalten sei. „Wir müssen parallel umsetzen“, sagte König. Das sei eine andere Situation als etwa in Hinblick auf Planungsprozesse, die erst später umgesetzt werden müssen.
Suchprozess ausgesetzt
Letzteres trifft auf das mögliche Zwischenlager für die zu bergenden Abfälle zu. Wolfram König bestätigte, dass das Bundesamt für Strahlenschutz bereits seit Mitte des Jahres den Suchprozess für einen Standort ausgesetzt habe, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Fachlich spräche alles dafür, „grubennah“ ein Zwischenlager zu errichten. Das zeige auch die jüngst vom BfS auf ihrer Webseite veröffentliche Parameterstudie. Da es aber „keine Akzeptanz vor Ort“ gebe, sei die Planung zunächst unterbrochen worden. Zur Klärung der Zwischenlagerfrage sei es zudem auch notwendig, zu wissen, wo die Abfälle danach hinkommen sollen. Es solle keine „Dauereinrichtung“ entstehen. Man brauche einen belastbaren Weg, „der bis zum Ende beschrieben ist“, sagte der Präsident des BfS.“
Ähnlich berichtet auch die Presseabteilung des Bundestags (HiB) auf dieser Seite über die Anhörung.
Die Auseinandersetzungen, die jetzt um die ASSE aufbrechen, sind so verwunderlich nicht. Das liegt sicher nicht nur an den unterschiedlichen Akteuren, die möglicherweise auf allen Seiten mit dem Begleitprozess noch vieles zu „üben“ und neu zu definieren haben. Es ist ja richtig, dass es – für alle Seiten – nicht viele Erfahrungen mit derartigen Prozessen gibt.
Aber eines sollten die staatlichen Verantwortlichen in keinem Fall vergessen und eigentlich sollte vor allem Wolfram König das auf dem Zettel haben: Er selbst hatte vor Jahren zurecht und völlig richtig darauf verwiesen, dass das Desaster in der ASSE der Super-Gau für die Endlagersuche war und jegliches Vertrauen zerstört sei. Es mag ja eine undankbare Sache sein: Aber genau mit diesen Folgen hat er nun eben direkt zu tun.
Und auch in der Sache selbst ist ja keineswegs abwegig, trotz Gesetz und vielen Erklärungen an der gewollten Umsetzung der Bergung zu zweifeln. Das Projekt wird die SteuerzahlerInnen mehrere Milliarden Euro kosten. Kommt der Atommüll aus der ASSE wieder zu Tage, stellt sich das nächste Mega-Problem: Wo soll das Zeug dann dauerhaft gelagert werden? Das einzige vorhandene Atommülllager wäre derzeit der Schacht Konrad. Ohne neues Genehmigungsverfahren wäre aber eine Einlagerung dort nicht möglich. Klar ist allen: In keinem Fall soll diese Genehmigung derzeit wieder „aufgemacht“ werden, denn dann müssten längst überfällige Sicherheitsanforderungen nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik umgesetzt werden. Kaum wahrscheinlich, dass der Schacht dann noch Standort bleiben würde.
So bescheuert ist es also nicht, wenn ein grundsätzlicher Verdacht aufkommt, dass entgegen der Beschlusslagen es viele für die bessere Variante halten, den Atommüll dort zu lassen, wo er ist.
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