Hochradioaktiv: Später, teurer und ein neues Atommülllager für 500 Castor-Behälter

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Atommüll-Lagerung: Die AG Schacht KONRAD hat eine Einwendungskampagne gegen den Entwurf des „Nationalen Entsorgungsprogramms“ gestartet. Bis zum 26. Mai können Einsprüche gegen die Planungen erhoben werden. Der Plan behandelt nicht nur hochradioaktive Abfälle, sondern beinhaltet auch Vorschläge, z.B. die Einlagerung der Atommüllmenge im Schacht Konrad gegenüber dem heutigen Genehmigungszustand zu verdoppeln. Bild anklicken, für mehr Informationen!

„Eine Arbeitsgruppe der Endlager-Suchkommission kommt in einem Analysepapier zu dem Schluss, dass «der Zustand eines verschlossenen Endlagerbergwerks zwischen 2095 bis 2170» denkbar ist. Zwischen den Jahren 2075 bis 2130 könnte nach jetzigem Stand die Einlagerung der hochradioaktiven Abfälle aus den deutschen Atomkraftwerken beendet sein, bevor die komplizierten Arbeiten zur sicheren, radioaktive Strahlung abschirmenden Schließung beginnen würden. Die 33-köpfige, beim Bundestag angesiedelte Kommission soll bis Mitte 2016 die Grundlagen der Suche erarbeiten.“ So meldete es die Frankfurter Rundschau. Und das ganze kommt teurer, als bislang gedacht: „Der Kommissions-Vorsitzende Michael Müller (SPD) sagte der Zeitung, die Kosten für die Suche und die Endlagerung könnten deshalb in den nächsten Jahrzehnten auf 50 bis 70 Milliarden Euro ansteigen.“ Die Bundesregierung bastelt derzeit für die EU-Kommission an einem „Nationalen Entsorgungsprogramm“, in dem jede Menge neue Weichenstellungen für den künftigen Umgang mit dem Atommüll vorgesehen sind. Unter anderem ein neues Atommülllager für 500 Castor-Behälter.

Laut Standortauswahlgesetz soll bis 2031 der Standort gefunden sein, in dem die hochradioaktiven Abfälle dauerhaft eingelagert werden sollen. Ob dieser im Gesetz genannte Termin einhaltbar ist, wird von vielen Experten angezweifelt. Erst wenn dieser Standort, der nach dem StandAG in einem Alternativenvergleich auf Basis gesellschaftlich anerkannter Kriterien gefunden werden soll, klar ist, könnte der Ausbau beginnen. Mit einer Einlagerung würde dann ab ca. 2050 begonnen werden können.

Bisher ist vorgesehen, die hochradioaktiven Brennelemente in den Standortzwischenlagern an den alten AKWs für 40 Jahre zu lagern. Dann laufen die Genehmigungen dafür aus. Das wird mit Blick auf die Standort-Zwischenlager so um 2045 passieren. Noch früher laufen die Genehmigungen für die zentralen Zwischenlager in Gorleben und Ahaus aus. Bereits Mitte der 2030er Jahre wird hier Handlungsbedarf entstehen. Damit ist – selbst wenn der im StandAG genannte Zeitplan funktionieren sollte – klar, dass es zu Maßnahmen kommen muss. Entweder eine Verlängerung der Genehmigungen bei den Zwischenlagern oder aber andere Maßnahmen.

  • Zu den Fristen und den Mehr-Kosten berichtet die Frankfurter Rundschau auch: „Die Kommissionsmitglieder Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) und Hubertus Zdebel (Linke) verwiesen auf die Probleme, die durch die erwartete längere Dauer des Endlagerprojekts entstehen. Erst jetzt werde wirklich klar, „um welche Zeiträume es geht“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Kotting-Uhl in einer Sitzung der Kommission. Zdebel kritisierte, Bundesregierung und Atomkonzerne hätten „jahrzehntelang gegen alle Vernunft einseitig auf Gorleben gesetzt und eine ergebnisoffene Suche nach Alternativen verhindert“. Wegen der nun absehbaren langen Fristen von Endlagersuche und -bau müsse der Bund nun alles unternehmen, damit die Konzerne die Verantwortung für die Kosten der Atommülllagerung nicht auf die Steuerzahler abschieben. Neben der Einrichtung eines Fonds für die Atom-Milliarden forderte Zdebel sicherzustellen, „dass künftige Kostensteigerungen von den Stromkonzernen und ihren Nachfolgern übernommen werden“.

In der Süddeutschen ist zu lesen: „Nach Ansicht des Chefs der Entsorgungskommission des Bundes, Michael Sailer, bedeutet die enorme Verzögerung erhöhte Risiken. Große Mengen Radioaktivität könnten in den oberirdischen Zwischenlagern vergleichsweise einfach freigesetzt werden, etwa durch Krieg oder Terrorismus. „Ohne zügige Abwicklung der Endlagersuche könnte Atommüll in einigen Zwischenlagern bis nach 2100 bleiben“, befürchtet Sailer – für die kommenden Generationen einen „Quasi-Dauerzustand“ ohne wirkliche Endlageroption.“

  • Es wäre hier sicher zu fragen, worin denn die „enorme Verzögerung“ eigentlich besteht, von der Michael Sailer spricht. Der einzige bislang für die Atommülllagerung der hier zur Debatte stehenden Atomabfälle vorgesehene Standort ist Gorleben. Ein Standort, der willkürlich Mitte der 70er Jahre politisch entschieden wurde, der damals sogar ausdrücklich von Geologen nicht in die engere Auswahl genommen wurde und dessen spätere „Erkundung“ immer wieder davon gekennzeichnet war, dass ehemals behauptete Sicherheitskriterien immer dann relativiert wurden, wenn neue Erkenntnisse zeigten, dass diese nicht einzuhalten wären. Richtig ist: Hätten Politik und AKW-Betreiber nicht über 30 Jahre einseitig und mit aller Macht und viel Geld diesen unsinnigen Standort aufrechterhalten und am besten noch die AKWs früher abgeschaltet und damit deutlich weniger Atommüll erzeugt, wären wir vermutlich ein gutes Stück weiter. Noch jetzt sorgen diese Kreise mit dem Festhalten an Gorleben dafür, dass ein wirklich ergebnisoffener Neustart bei der Atommüll-Lagersuche nicht wirklich voran kommt.
  • Atommüll muss länger zwischengelagert werden: Zeitplan für Endlagersuche nicht zu halten

Michael Sailer hatte jüngst in der Atommüll-Kommission auf ein Problem aufmerksam gemacht, das bei einer länger als bislang gedachten Zwischenlagerung der hochradioaktiven Abfälle entstehen kann: Wie lange die Behälter unter der enormen radioaktiven Strahlung standhalten und was im inneren der Behälter passiert, ist weitgehend unklar. Eine Verlängerung der Zwischenlagerfristen dürfte in jedem Fall zu einer Erhöhung der Unklarheiten führen.
Inzwischen hat die Bundesregierung das Problem zwar erkannt, aber so richtig bestätigen will es dieses natürlich nicht. Im Entwurf für das von der EU geforderte Nationale Entsorgungsprogramm hat das Bundesumweltministerium daher ein „Eingangslager“ aufgenommen. Dies soll mit der ersten Teilgenehmigung für das Endlager für insbesondere Wärme entwickelnde Abfälle am Standort errichtet werden.
Im Umweltbericht zum Nationalen Entsorgungsprogramm (PDF), verfasst vom Öko-Institut Darmstadt, heißt es mit Blick auf die hochradioaktiven Brennelemente und die Abfälle aus der Wiederaufarbeitung: „Bei der Überführung der Abfälle ins Eingangslager eines Endlagers sind knapp 1400 Typ B Behälter zu transportieren /NaPro2015/ sowie ggf. einige hundert Behälter mit Brennelementen aus Versuchs-, Demonstrations- und Forschungsreaktoren, die deutlich geringere Abmessungen haben. Pro Beförderungsvorgang können mehrere Behälter transportiert werden. Lediglich beim Straßentransport von Großbehältern ist nur ein Gebinde pro LKW möglich.“ (S. 59)
In der Summe, so ist zu hören, könnten das insgesamt rund 2000 Castor-Behälter sein.
Neues Castor-Lager für 500 Behälter mit hochradioaktivem Atommüll
Dem Umweltbericht ist außerdem zu entnehmen: Keineswegs soll das neue Eingangslager, mit dessen Errichtung dann ab Mitte der 2030er Jahre zu rechnen wäre, als neues Zwischenlager „missverstanden“ werden: „Das Eingangslager an einem Standort für ein Endlager nach Standortauswahlgesetz dient der zeitlichen Pufferung der in Transport- und Lagerbehältern angelieferten bestrahlten Brennelemente und der Abfälle aus der Wiederaufarbeitung.“ Hier soll dann auch das Konditionieren und das Umpacken in „geeignete Endlagerbehälter“ erfolgen.

Über die Dimension dieses Eingangslagers heißt es dann: „Das NaPro sieht die Genehmigung des Eingangslagers mit der ersten Teilgenehmigung für das Endlager vor /NaPro 2015/. Es wird davon ausgegangen, dass das Eingangslager etwa 500 Stellplätze für Transport- und Lagerbehälter mit bestrahlten Brennelementen und Abfällen aus der Wiederaufarbeitung besitzt, die eine gestaffelte Auslagerung aus den Zwischenlagern ermöglichen.“ (S. 61)
Weiter heißt es dort: „Während des Betriebs werden die Transport- und Lagerbehälter sukzessive aus dem Eingangslager entnommen und in einer heißen Zelle der Konditionierungsanlage fernbedient geöffnet. Die Brennelemente können zerlegt werden, um eine dichtere Packung im Endlagerbehälter zu ermöglichen. Die Annahme der Transport- und Lagerbehälter und die Abgabe der Endlagerbehälter für eine Einlagerung ist mit radiologischen Kontrollen (Dosisleistungsmessung, Wischtests) und Kontrollen der Behälter auf Dichtheit und äußere Beschädigungen verbunden.“ (S.66)
Bis zu 500 Castor-Behälter sollen dann also irgendwann so ab 2035/40 von den Zwischenlagern in Ahaus, Gorleben und Lubmin und von den Standort-Zwischenlagern an den dann ehemaligen Atomkraftwerken nach und nach in dieses Eingangslager transportiert werden. Bis die dann aus diesem Lager in das vielleicht irgendwann vorhandene Dauerlager wechseln, dürften jeweils einige Jahre ins Land gehen, wie die eingangs dargestellten Szenarien deutlich machen. Wenn es denn ein unterirdisches Dauerlager werden sollte, wird dessen Ausbau jedenfalls erheblich länger brauchen, als der Bau dieses Eingangslagers. Und die Vorbereitung und folgende Einlagerung braucht ein weiteres an Zeit.
Vor diesem Hintergrund ist die als Eingangslagerung bezeichnete neue Variante der oberirdischen Lagerung von bis zu 500 Castor-Behältern vollkommen überdimensioniert und scheint vor allem einen Zweck zu verfolgen: Den bisherigen Atommüllstandorten soll mit diesen Planungen signalisiert werden, dass sie nicht durch die Hintertür zu heimlichen „Endlagern“ werden. Möglichst noch im Rahmen der heute geltenden Fristen sollen offenbar die hochradioaktiven Abfälle dann in dieses neue Eingangslager transportiert werden, auch wenn sie dann hier für möglicherweise noch Jahrzehnte weiter oberirdisch „eingangsgelagert“ werden. Für diese Zeiträume entsteht dann eine Anhäufung von hochradioaktivem Material, dass z.B. unter dem Gesichtspunkt von Anschlägen einiges an Potential zu bieten hätte.
Mit einer Einwendung gegen derartige Planungen eröffnet sich die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Auch die „Endlager-Kommission“ des Deutschen Bundestags wird sich mit diesem Nationalen Entsorgungsplan der Bundesregierung noch beschäftigen. Denn das BMU hat seinen Planungen unter den Vorbehalt der Ergebnisse der Kommission gestellt.

Dirk Seifert

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