Die Handelskammer Hamburg und das Elend mit der Transparenz
Die Handelskammer Hamburg ist eine der mächtigsten Wirtschaftsvertretungen in der Hansestadt. Gegen ihre Interessen und Kampagnen hat bislang kaum ein Senat je standgehalten. Ohne sie gäbe es derzeit keine Olympia-Bewerbung. Und sie war es, die sich mit viel Geld und Macht z.B. (erfolglos) gegen den Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ gestellt hat und die Atomkonzerne Vattenfall und E.on vor der Rekommunalisierung der Energienetze schützen wollte. Das Verhalten der Handelskammer beim Volksentscheid hat ein Reformbündnis in die Welt gebracht: „Die Kammer sind WIR“ kandidierte zur Plenumswahl und ist seit Frühjahr 2014 mit 13 der 66 Sitze im Plenum vertreten. Seitdem spitzen sich die Konflikte um Transparenz und Demokratisierung der Handelskammer zu. Zuletzt scheiterte eine geplante Satzungsänderung.
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Immer noch sind die Sitzungen des Handelskammer-Plenums geheim und die VertreterInnen der „Kammer sind WIR“ haben nicht zuletzt auch deshalb erhebliche Probleme, über ihre Aktivitäten für mehr Transparenz und Demokratie zu berichten. Mehrfach hat es deshalb schon Ärger gegeben und nicht zuletzt deshalb sollte nun bei der Plenarsitzung offenbar auch ein Sanktionskatalog in eine umfassendere Satzungsänderung aufgenommen werden. Allein: Das ging gründlich schief.
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Von einer geradezu „historische(n) Plenarsitzung“ ist im Blog der WIR-Leute die Rede, denn: „Ganz unerwartet wurde vor der Abstimmung zu den von der Projektgruppe 3 ausgearbeiteten Satzungsänderungen, der Bereich der Sanktionen (Themenblatt 5) vorgezogen, und sollte als erstes abgestimmt werden. Zwei Wortbeiträge zu dieser Thematik von Teilnehmern der Projektgruppe 3 ließen jedoch Zweifel an dem ausgearbeiteten Werk aufkommen. Offensichtlich erkannte dadurch auch ein breiterer Teil des Plenums, dass die Einführung von Sanktionen nicht nur ein Novum in der deutschen Kammergeschichte bedeuten würde, sondern dass eine weltoffene und liberale Stadt wie Hamburg sich unwohl fühlt mit dem Gedanken, andere Meinungen und Äußerungen zu sanktionieren.“ Und „Im Ergebnis verfehlte die Vorlage die erforderliche Drei-Viertel-Mehrheit.“
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Das Abendblatt stellt fest: „Die Führung der Handelskammer Hamburg um Präses Fritz Horst Melsheimer und Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz hat am Donnerstag eine schwere Niederlage im Kammerparlament erlitten. Sie scheiterte überraschend mit einer unter der Führung von Haspa-Chef Harald Vogelsang unter dem Titel „Agenda HK 350 plus“ ausgearbeiteten Satzungsänderung bei der Abstimmung im Plenum der Kammer.“
Nun ist es sicher nicht unbedingt erfreulich, dass damit die alte Satzung weiterhin gilt und damit im Grunde für eine Demokratisierung nicht viel gewonnen wurde. Umgekehrt aber sicherlich dennoch ein Erfolg, dass „Verschlimmbesserungen“ verhindert wurden. Immerhin ging es laut Abendblatt auch darum: „Mit den Änderungen sollte wohl auch die kritische Minderheit um die Reformgruppe „Die Kammer sind wir“ zu mehr Loyalität und Vertraulichkeit verpflichtet werden.“
Für die Handelskammer sind das völlig ungewohnte Auseinandersetzungen. Bis vor kurzem hatten sich die vermeintlich „ehrbaren Kaufleute“ meist einstimmig oder mit großer Mehrheit verhalten und schon gar nicht drangen Konflikte nach außen. Das in jedem Fall hat sich geändert, wie Jens Meyer-Wellmann im Abendblatt berichtet: „Für eine Satzungsänderung wären drei Viertel der Stimmen der anwesenden Plenarier nötig gewesen. Von den 66 Kammerparlamentarierern waren nach Abendblatt-Informationen 48 bei der Sitzung anwesend. Für eine Drei-Viertel-Mehrheit wären demnach 36 Stimmen nötig gewesen. Es wurde über die einzelnen Teile der geplanten Satzungsänderung separat abgestimmt. Schon bei der ersten Abstimmung, in der es um die neuen Sanktionen gegen Kammer-Parlamentarier ging, verfehlte die Kammer-Führung mit 33 Stimmen die nötige Mehrheit. Bei einer weiteren Abstimmung (zum Thema Mitgliederbefragung) gab es überhaupt keine Ja-Stimme. Danach wurde die weitere Abstimmung abgebrochen. Schließlich wurde auch die Projektgruppe unter Führung von Haspa-Chef Harald Vogelsang, die die Änderungen erarbeitet hatte, abgestraft. Auf die Frage, ob diese Gruppe weiter arbeiten solle, antworteten gerade einmal noch zehn Kammer-Parlamentarier mit Ja. Damit war die Satzungsänderung schließlich komplett vom Tisch.“
Diese Offenheit führte inzwischen zu weiteren Konflikten, auf die Meyer-Wellmann ein paar Tage später wiederum im Abendblatt eingeht: „Die Gruppe „Die Kammer sind wir“ verhinderte eine Satzungsänderung. Daraufhin eskalierte der Streit in der Handelskammer weiter.“ Da geht es um die Offenlegung von Geschäftsführer-Gehältern und schweren Vorwürfen der Handelskammer-Führung gegen den WIR-Vertreter Tobias Bergmann, dem sie vorwerfen, sich „wissentlich falsch“ und „grob unseriös“ zum Streit geäußert zu haben, selbst von „gezielte(r) Desinformation“ ist die Rede.
Im Blog der WIR-VertreterInnen wird von Annett Nack-Warenycia (Geschäftsführerin Nack Büroeinrichtungen GmbH) trotz der Konflikte trotzdem eine gewisse positive Tendenz beschrieben. „In bezeichnender Weise äußerten sich gestern vornehmlich weibliche Mitglieder des Plenums und stellten die Fragen in den Raum, ob das Scheitern der Satzungsänderung nicht vornehmlich daran liege, dass den „kulturellen“ Problemen im Plenum nicht damit beizukommen sei nur die Satzung zu ändern? Ich finde, das ist eine großartige Entwicklung. Gestern haben wir erkannt, dass wir Mechanismen erlegen sind, die entstehen, weil uns ein unterschiedlicher Normen- und Wertekanon umtreibt. Also wissen wir, woran wir arbeiten können. Fortschritt, also eine – zumeist im positiven Sinne verstandene – Änderung eines Zustandes, wurde immer schon nur erreicht, weil man sich drum bemüht und drum gekämpft hat. Das gesamte Plenum hat gestern, mehr oder weniger freiwillig gezeigt, dass Fortschritt möglich ist und dass Fortschritt nicht aufzuhalten ist. Es bleibt für uns ein langer gemeinsamer Weg. Aber gestern war ein guter Tag. Und es war auch eine sehr gute Plenarsitzung!“
Auf diese Weise erfahre ich erstmalig von der Gruppe ´die Kammer sind WIR´.
Vor wenigen Monaten nahm ich die Gelegenheit wahr, an einer Veranstaltung der ´heiligen´ Hamburger Handelskammer teilzunehmen. Es ging (aus dem Gedächtnis formuliert) um BÜRGERBETEILIGUNG mit der Zielrichtung „Wie können die Investitionsplanungen für Großprojekte gesichert werden?“
Schon damals nahm ich eine erfrischende Richtungsänderung in der Diskussion aber auch aus der Anlage (Organisation) der gesamten Veranstaltung.
Das Ergebnis dieser Halbtagsveranstaltung: Es sollen weitere solcher Veranstaltungen folgen. – Wobei sich ein ´weiches´ Ergebnis dieser Veranstaltung für mich so darstellt, gemäß der Formulierung des eingeladenen Bundespräsidenten a.D. der Schweiz: „Bei Großprojekten müssen 1 bis 2 % der Projektsumme für NGOs eingeplant werden, damit diese VERTRAUENSVOLL ihre Gegenstandpunkte auf Augenhöhe mit den Investoren austauschen können….“