Atommüll und Castoren: Vollklatsche für Atomforschungszentrum Jülich – Gutachter kritisiert Betreiber

Sonntagsspaziergang Jülich
Atommüll in Jülich. Selbst der TÜV protestiert gegen die Schlampigkeiten der Betreiber. Foto Andreas Conradt, publiXviewinG

Das ehemalige Atomforschungszentrum in Jülich hat sich einen weiteren schweren Rüffel eingefangen. Die vorgelegten Konzepte, wie mit 152 Castor-Behältern voll mit hochradioaktivem Atommüll weiter umgegangen werden soll, hat jetzt der TÜV Nord im Auftrag der NRW-Atomaufsicht bewertet und kritisiert den Betreiber schwer. Natürlich klingt das im Gutachter-Deutsch alles irgendwie netter, aber man kann das getrost als Vollklatsche bezeichnen. Da ist von „nicht weiter belegte(n) Annahme(n)“ die Rede, von „zu optimistischen“ Annahmen und so weiter. Klar ist mit Blick auf die TÜV-Bewertung: Die Wunsch-Option der Jülicher Atomabteilung, den ganzen hochradioaktiven Atommüll am besten in die USA abzuschieben, dürfte es nun deutlich schwerer haben. Denn der TÜV kritisiert, dass der Betreiber hier allzu optimistische Aussagen gemacht hätte. Man könnte als Nicht-Gutachter sagen: Sie haben versucht, sich die Wirklichkeit dorthin zu biegen, wo man sie gern haben will.

Der Betreiber in Jülich setzt seine Schlampigkeiten in jedem Fall nun mit TÜV-Zertifikat fort. Das Land NRW hatte mit Blick auf die Lagerung der 152 Castor-Behälter vor etwas mehr als einem Jahr die Räumung der Lagerhalle angeordnet. Zuvor hatte die Atomaufsicht zwei Mal eine Verlängerung der ausgelaufenen Lagergenehmigung bewilligt. Dennoch war der Betreiber nicht in der Lage, die erforderlichen Unterlagen für den Genehmigungsantrag beim Bundesamt für Strahlenschutz vorzulegen. Unter anderem geht es dabei um den ausreichenden Erdbebenschutz, der bis heute nicht abschließend bewertet werden kann.

Im vergangenen Herbst hat dann das FZJ endlich ein „Detail-Konzept“ vorgelegt, wie es mit dem hochradioaktiven Atommüll weiter gehen kann. Drei Optionen stehen zur Auswahl: Neues Lager am Standort Jülich, Auslagerung in Richtung Zwischenlager Ahaus und der Export des Atommülls in die USA. Dabei machten die Betreiber auch Angaben über die geschätzten Zeitabläufe, die schon bei Bekanntwerden für einige Verwunderung sorgten. So sollten der Export in die USA zeitlich die mit Abstand beste Variante sein, obwohl der Transport von 152 Castoren sowohl rechtlich als auch logistisch eine nicht unbedingt übersichtliche Aufgabe ist. Allein einen Hafen für den Umschlag zu finden, der dieses hochradioaktive Zeug auf Schiffe verlädt, stellt ein echtes Politikum da. Abgesehen von ganz praktischen Dingen.

Das stellt nun amtlich auch der TÜV Nord im Auftrag des Atomministeriums in NRW fest, wenn in einer Zusammenfassung (PDF) u.a. zu lesen ist: „Die vom Forschungszentrum Jülich angesetzten Zeitbedarfe für die einzelnen Verfahrensschritte wurden aus juristischer Sicht der Sachverständigen vor allem bei der Variante 3 als optimistisch beurteilt“. Oder: „Die Sachverständigen schätzen die vom Forschungszentrum Jülich nicht weiter belegte Annahme als optimistisch ein, dass die in den USA derzeit stattfindende Umweltverträglichkeits-Vorprüfung für die Annahme, Bearbeitung und Lagerung der AVR-Brennelemente zu dem Ergebnis kommt, dass eine detaillierte Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich sein wird.“

  • Es wäre eine überaus gute Maßnahme, würde das Ministerium in Düsseldorf nicht nur die erwähnte Zusammenfassung, sondern die ganze TÜV-Studie veröffentlichen!

Das Wirtschaftsministerium in NRW als Atombehörde hat hier mit einer Presseerklärung zum TÜV-Bericht Stellung genommen.

Der TÜV gibt dem FZJ nun einige Handlungsempfehlungen mit auf den Weg, deren Bearbeitung sicherlich einige Monate dauern werden. Wie absurd die Lage in Jülich im Grunde ist: Der Nachweis über eine ausreichende Erdbebensicherheit fehlt, selbst wenn es einen anderen Lagerort gäbe, könnte die derzeitige Lagerhalle nicht geräumt werden, weil auch die vorhandene Krananlage nicht mehr ausreichend genehmigt ist und umgebaut werden muss. Fertigstellung soll erst Ende 2016 sein – wenn alles gut geht!

Und selbst wenn das klappt. Dann schreiben wir Anfang 2017 und in NRW wird ein neuer Landtag gewählt, im Herbst dann der Bundestag. Da mag man gar nicht fragen, welcher Spaßvogel in dieser Zeit 152 Castorbehälter mit hochradioaktivem Atommüll entweder quer durch NRW von Jülich in das Zwischenlager Ahaus oder gar bis an einen norddeutschen Seehafen Richtung USA auf den Weg bringen will. Schon das sollte klar machen: Sicherheit muss vor Ort in Jülich geschaffen werden und zwar schnell. Dazu muss endlich ein Antrag für ein neues, deutlich besseres Zwischenlager auf den Tisch. Alles andere ist ein unverantwortlicher Umgang mit dem hochradioaktiven Atommüll.

Dirk Seifert

2 Gedanken zu “Atommüll und Castoren: Vollklatsche für Atomforschungszentrum Jülich – Gutachter kritisiert Betreiber

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