„Bürgerbeteiligung“ und die dunkle Seite der Macht – Dobrindt macht Tempo
Ein neuer Bundesverkehrswegeplan, Laufzeit 2016 bis 2030, Investitionsvolumen mehrere Hundert Milliarden Euro, ist das fachpolitische Großprojekt des Dobrindt-Ministeriums (im Unterschied zum parteipolitischen und CSU-internen Kräftemesssen bei der Maut). Der Bundesverkehrswegeplan, kurz BVWP, ist der Masterplan aller Verkehrspolitik. Darin steht, wie viel Geld für welche Fernstraßen, Schienen und Wasserwege verbaut wird.
Noch gi
lt der von 2003 bis 2015 laufende Plan. Untergliedert in drei „Investitionsrahmenpläne“ ist der BVWP Grundlage des Jahresetats vom Verkehrsministerium und für die Bedarfsgesetze im Wegebau. Lange schien es so, als schiebe Dobrindt den Großauftrag aus dem Koalitionsvertrag auf die lange Bank. Doch nun geht es hopplahopp, bis Ende des Jahres soll der Plan stehen. Im November 2012 hatte Dobrindts Amtsvorgänger und CSU-interner Konkurrent Ramsauer – im Abglanz der Geißlerschen Schlichtung – mit großem Tamtam ein „Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung“ an großen Verkehrsprojekten präsentiert. Robin Wood im Netzwerk Solidarische Mobilität setzte das darin vorgesehene Verfahren in Szene: Straßenbaubürokraten zerreißen alle Eingaben und Alternativvorschläge der Bürger_innen und Umweltverbände und werfen sie in den Papierkorb. Denn Bürgerbeteiligung ohne Rechtsanspruch auf Transparenz und Mitwirkung ist eine Pseudobeteiligung, eine Farce.

Dobrindt macht aus der Farce nun eine Tour de Force für seine Bürokratie: Im „Oktober und November“ dürfen sich Bürger_innen sechs Wochen lang schriftlich zu rund zweitausend verschiedenen Verkehrsprojekten äußern – von der Ortsumgehung für Kleinkleckersdorf bis zur Y-Trasse. Zu den 81 Millionen Bürger_innen kommen die Umwelt- und Verkehrsministerien sowie Staatskanzleien der 16 Länder und die Umwelt- und sonstigen in die Gesetzgebung zu involvierenden Verbände.
Diese potenziell (81 Millionen * 2000) + (16 * 3 * 2000) + (xy * 2000) Äußerungen werden von der Dobrindt-Bürokratie in atemberaubendem Tempo in einem Bericht zum Konsultationsverfahren zusammenfassend behandelt. Wird trotz des hohen Verarbeitungstempos eine Stellungnahme aufgespürt, die „sinnvoll“e „fachlich-inhaltliche oder rechtliche Gründe“ anführt, wird der BVWP sofort überarbeitet. Die überarbeitete Fassung ist Grundlage für einen „Kabinettsbeschluss Ende 2015″!
Wow, vom Beginn der Bürgerbeteiligung bis zum fertigen Kabinettsbeschluss in nur drei Monaten. Da kann niemand eine ausführliche Antwort auf seine Stellungnahme erwarten, wie das Ministerium schon jetzt einfühlsam Enttäuschungen vorbeugt. Schließlich nimmt sich auch im Ministerium niemand Zeit für einen besinnlichen Advent. Zum Glück weiß Dobrindt die dunkle Seite der Macht hinter sich …
https://youtu.be/gxeagZkL6aE