Bürgerdialog oder Quasi – Atommüll in der Debatte

Fotos von den Atommüll-Veranstaltungen gibt es hier: www.publixviewing.de
Fotos von den Atommüll-Veranstaltungen gibt es hier: www.publixviewing.de

Atommülllagerung in der Debatte. Erstmals hat nach einem Jahr des Arbeitens die vom Bundestag eingesetzte Atommüll-Kommission seine Form einer Bürgerbeteiligung durchgeführt. Im Zentrum stand dabei ein Dialog über das vorgelegte Konzept, wie die Öffentlichkeit bei dem zu erstellenden Bericht der Kommission einbezogen werden kann, welche Themen dabei berücksichtigt und welche Mitwirkungsrechte es geben soll. Als „Quasi-Dialog“ kritisierten Atomkraft-Inititiativen diese Tagung auf einer eigenen Gegenveranstaltung ebenfalls in Berlin. Die zahlreichen Vorfestlegungen, die die Arbeit der Kommission durch das Standortauswahlgesetz festlegen, so die Kritik, würden einen angestrebten gesellschaftlichen Konsens verhindern. Zentral dabei: Ein Neustart mit Gorleben im Verfahren einer Suche nach einem langfristig möglichst sicheren Atommülllager kann nicht gelingen.

Sowohl die Atommüllkommission als auch die Gegen-Veranstalter haben mit Presseerklärungen ihre wesentlichen Aspekte benannt, die hier im folgenden vollständig dokumentiert werden. Eine Darstellung des Verlaufs der Veranstaltung der Initiativen inkl. des Referats von Ulrike Donat, Anwältin und Mediatorin, ist hier bei der BI Lüchow Dannenberg zu finden. Mit-Veranstalter .ausgestrahlt berichtet hier.
PM der Gegen-Veranstaltung:Protest gegen Beteiligungs-Simulation der Atommüll-Kommission: Atomkraftgegner machen eigene Atommüll-Tagung parallel zum angeblichen „Bürgerdialog“ der Kommission, Publiziert 20. Juni 2015
Mit Protest vor der Tür der Veranstaltung der Atommüll-Kommission und danach mit einer eigenen parallelen Atommüll-Tagung reagierten Atomkraftgegner auf den vorgeblichen „Bürgerdialog“ in Sachen radioaktive Abfälle. Vor der Berliner Jerusalemkirche, in der heute die Atommüll-Kommission des Bundestages einen sogenannten „Bürgerdialog“ veranstaltet, demonstrierten die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg und .ausgestrahlt gegen die fehlende Ernsthaftigkeit in der Bürgerbeteiligung.
An einem Traktor aus dem Wendland war auf einem großen Plakat zu lesen: „Niemand hat die Absicht, in Gorleben ein Endlager zu errichten.“ Vor dem Eingang der Kirche stand eine große Mülltonne mit einem Schild: „Sie haben ein ernsthaftes Anliegen? Bitte hier zur Endlagerung abgeben! Ihre Atommüll-Kommission“. Demonstranten hielten ein Banner mit der Aufschrift: „Bürgerbeteiligung bedeutet nicht Beteiligung an den Kosten, sondern an den Entscheidungen“ und ein weiteres, auf dem zu lesen war: „Wir fordern echte Mitbestimmung statt Pseudo-Bürgerdialog“. Im Anschluss an die Protestaktion begann im Tagungszentrum Pfefferberg in Berlin die Tagung der Atomkraftgegner „Atommüll ohne Ende“.
Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg:
„Die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Endlagersuche ist für die Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen eine Leimrute: Wir sollen beteiligt werden, um uns gleichzeitig ruhig zu stellen. Man wird uns sagen, ihr konntet doch mitreden, es gab sogar einen Standort-Vergleich und nun schluckt Gorleben als Endlager. Das ist hinterhältig und nicht verantwortungsbewusst, denn die Frage, wie die Gesellschaft mit dem Atommüll umgeht und umgehen sollte, lässt sich nicht mit der Festlegung auf einen einzigen und dann noch ungeeigneten Standort, nämlich Gorleben beantworten. Man muss über das gesamt Atommüllproblem reden. Man muss über den Atomausstieg reden. Dass es keinen wirklich neuen Kurs in der Endlagersuche gibt, sieht man vor allem an der fehlenden Bereitschaft, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, deshalb setzen wir auf die Eigenständigkeit und arbeiten weiter wie die Detektive, um alle Ungereimtheiten im Umgang mit dem Atommüll aufzudecken.“
Jochen Stay, Sprecher von .ausgestrahlt:
„Was soll ein angeblicher Bürgerdialog, wenn die Kommission weder willens noch in der Lage ist, die Bevölkerung wirklich mit einzubeziehen. Im November 2011 wurde der Neustart in der Atommüll-Politik verkündet. Das ist bald vier Jahre her. Es war also alle Zeit der Welt, die betroffenen Bürgerinnen und Bürger mit einzubeziehen. Doch verhandelt wurde von Anfang an in Berliner Hinterzimmern. Und selbst die eigentlich öffentlich tagende Atommüll-Kommission hat sich inzwischen intransparente Kungelrunden geschaffen, die bereits am Abschlussbericht arbeiten, während heute Bürgerbeteiligung simuliert wird.“
Themen der Atommüll-Tagung der Umweltorganisationen sind:

  • Atommüll-Kommission – eine Zwischenbilanz: Mathias Edler (Greenpeace), Martin Donat (BI Lüchow-Dannenberg), Jochen Stay (.ausgestrahlt)
  • Demokratische Atommüllpolitik oder Zustimmungsmanagement und simulierte gesellschaftliche Verständigung. Eine kritische Wahrnehmung der Arbeit der Kommission. Reinhard Ueberhorst, freiberuflicher Berater, Planer und Dozent
  • Aktuelle Erfahrungen mit der Atommüll-Politik: Ursula Schönberger (AG Schacht Konrad), Claudia Baitinger (BUND NRW), Wolfgang Ehmke (BI Lüchow-Dannenberg)
  • „Wer nicht aufräumt, kann nicht anfangen – Beteiligung der BürgerInnen geht nur mit einer Neubewertung der Vergangenheit“, Ulrike Donat, Rechtsanwältin und Mediatorin“

 
Pressemitteilung der Atommüll-Kommisson, Berlin, 20. Juni 2015, Nr. 13/2015
„Bürgerinnen und Bürgern fordern faire und transparente Standortsuche
Dialog-Veranstaltung der Endlager-Kommission mit 200 Teilnehmern
Mehr als 200 Bürgerinnen und Bürger haben  am Samstag in Berlin mit der Endlager-Kommission über eine faire und transparente Suche nach einem Standort zur Lagerung hoch radioaktiver Abfälle diskutiert. Die Teilnehmer des ganztätigen ,,Bürgerdialogs Standortsuche“ formulierten in Fokusgruppen Vorschläge zur Beteiligung der Öffentlichkeit an der neu-en Standortsuche, zur Finanzierung der Entsorgung und debattierten über den sichersten Entsorgungsweg. Die beiden Vorsitzenden der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfall-stoffen, Ursula Heinen-Esser und Michael Müller, sicherten den Bürgern eine Aufnahme der Vorschläge in den Endbericht des von Bundestag und Bundesrat eingesetzten Gremiums zu.
In einer Fokusgruppe zur verursachergerechten Finanzierung verlangten die Dialogteilnehmer, dass die Mittel zur Atommüllentsorgung ,,über einen Fonds oder eine Stiftung bestmöglich abgesichert“ werden. Eine weitere Gruppe plädierte mehrheitlich für ein Endlager, aus dem radioaktive Abfälle auch wieder zurückgeholt oder geborgen werden können. Den best-möglichen Standort für dieses Endlager könne man nur im Vergleich verschiedener infrage kommender Standorte finden, stellte die Fokusgruppe fest. Eine dritte Gruppe plädierte dafür, bei Endlagerprojekten und in der deutschen Endlagerforschung erworbenes Wissen oder dort erworbene Qualifikationen langfristig zu erhalten.
Sehr kontrovers und ausführlich diskutierten die Veranstaltungsteilnehmer in mehreren Formaten über die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Standortsuche und an der weiteren Arbeit der Endlagerkommission, die ja die Kriterien und Regeln für diese Suche entwickeln soll. Die Teilnehmer des Bürgerdialogs sprachen sich für die Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit aus. Die Bürger müssten zudem möglichst früher eingebunden werden. Angesichts der schwierigen Thematik müsse es leicht verständliche Informationen für Bürger und niedrigschwellige Angebote zu deren Beteiligung geben.
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, der der Kommission als Vertreter der Gesellschaft angehört, bezeichnete es zum Abschluss der Veranstaltung als Herausforderung, das schwierige Thema  Standortsuche allgemein verständlich zu behandeln. ,,Redet kurz, redet klar, redet anschaulich“, appellierte er an alle mit dem Thema befasste Experten. Der Landes-bischof sprach zugleich den ,,vielen hoch informierten und hoch kompetenten Teilnehmer des Bürgerdialogs“ seinen Dank aus. Auch mit den Teilnehmern einer Gegenveranstaltung, die parallel in Berlin stattfand, werde die Kommission weiter den Dialog suchen, sagte er.
Der Kommissionsvorsitzende Michael Müller bezeichnete die Produktion von hoch radioaktiven Abfällen als ein Beispiel für einen falschen Umgang mit Technik. ,,Wir haben technologische Prozesse in Gang gesetzt, ohne deren langfristige Folgen zu bedenken“, sagte er. Aufgabe der Endlager-Kommission sei es auch, ohne Schuldzuweisungen Lehren aus solchen Fehlern der Vergangenheit für einen besseren Umgang mit Technik zu ziehen.
Die Kommissionsvorsitzende Heinen-Esser rief zu Beginn der Veranstaltung zur Beteiligung an der Arbeit der Endlager-Kommission auf. ,,Helfen Sie mit, die neue Standortsuche fair und transparent zu gestalten“, sagte sie. Es liege im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger, dass bei dieser Suche tatsächlich der Standort gefunden werde, der bestmögliche Sicherheit für die Lagerung hoch radioaktiver Abfälle gewährleiste.
Die von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Endlager-Kommission bereitet die neue Suche nach einem Standort zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe vor und erarbeitet dazu einen Bericht mit Anforderungen an den Standort und mit Kriterien und Regeln für die Standortsuche. Der Bundestag will die Empfehlungen der Kommission in das Standortauswahlgesetz aufnehmen.“
Anfragen von Medienvertretern beantwortet: Jürgen Voges – Pressereferent – Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe, Tel: +49 30 227-31316, Mail: juergen.voges(at)bundestag.de

Dirk Seifert

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