Atommülllager: Gorleben in Mecklenburg-Vorpommern?

BGR_Ber_Wirtsgest_karte_g„Grünen-Fraktionschef Suhr hat Mecklenburg-Vorpommern als möglichen Standort für ein Atom-Endlager bezeichnet. SPD-Fraktionschef Nieszery findet das „unverantwortlich““. So ist es im August im Nordkurier zu lesen. Hintergrund der Äußerungen ist die Arbeit der Atommüll-Kommission, die im Rahmen des Standortauswahlgesetzes die Suche nach einem Atommülllager für „insbesondere“ hochradioaktiven Abfall vorbereitet. Die Suche nach einem solchen Standort soll ergebnisoffen und wissenschaftsbasiert ablaufen, allerdings ist Gorleben als einziger benannter Standort in diesem Verfahren enthalten. Ziel der neuen Standortsuche ist, auf Basis der von der Kommission zu entwickelnden Kriterien Regionen zu identifizieren und einige dann miteinander zu vergleichen, um den bestmöglichen Standort zu finden. Dies soll unter intensiver Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgen.
Der Nordkurier berichtet im Sommer: „Grünen-Landtagsfraktionschef Jürgen Suhr hat Mecklenburg-Vorpommern als möglichen Standort für ein Atommüll-Endlager bezeichnet. „Die Suche ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, der sich alle Bundesländer stellen müssen“, sagte Suhr der „Ostsee-Zeitung“. Es gebe auch in Mecklenburg-Vorpommern Gesteinsformationen, die „auf den ersten Blick geeignet“ schienen. Diese gebe es aber in nahezu jedem Bundesland. Die Endlager-Suchkommission müsse „vorbehaltlos prüfen können“.
Allerdings hält Suhr die Errichtung eines Endlagers in einem anderen Bundesland für gerechter, weil das Land durch das Zwischenlager am früheren Kernkraftwerksstandort Lubmin bereits Lasten trage. Als Endlager sei der Ort wegen seiner Lage aber von vornherein ungeeignet. Auch müssten bei der Suche die Belange des Tourismus berücksichtigt werden.“

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  • Eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hatte bereits vor einigen Jahren eine Untersuchung über mögliche Formationen für eine Atommülllagerung vorgelegt. Mit tatsächlichen Standortuntersuchungen oder Eignungsfragen, hatten diese Untersuchungen schon angesichts fehlender Kriterien nichts zu tun. Mecklenburg-Vorpommern ist in diesen Karten mit ausgedehnten Tonsteinformationen nördlich der Elbe enthalten. Diese ziehen sich vor allem westlich und östlich von Schwerin hin (hier die Grafik der BGR). Siehe mehr zur BGR-Studie hier mitsamt einer entsprechenden Karte: Atommüll-Kommission will reden: Mit Atommüll-Regionen, Endlager-Regionen und – nur wie – mit „kritischen Gruppen“
  • 2013 berichtete der Spiegel auch über diese Untersuchungen. Dort ist im Zusammenhang mit Tongesteinen zu lesen: „Ein Band zieht sich durch Deutschland. Auf einer Karte haben die Forscher der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Formationen von Tongestein eingezeichnet, die bei der Suche nach einem atomaren Endlager interessant sein könnten. Konkrete Orte werden in der im Jahr 2007 veröffentlichten sogenannten Tonstudie nicht benannt, doch eines fällt auf: Rund drei Viertel der untersuchenswerten Regionen liegen in Niedersachsen, vom Emsland und der Grafschaft Bentheim im Westen des Landes bis zur Region Braunschweig im Osten. „Die Wirtsgesteine sind so verteilt, dass eine freie Suche unter Ausschluss Niedersachsens nicht vorstellbar ist“, sagt Gerhard Enste von der BGR im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE – und meint damit neben den Ton- auch die Salzgesteine. Außerdem verzeichnet seine Behörde Formationen rund um Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern, bei Potsdam in Brandenburg und im Norden von Sachsen-Anhalt. Dazu kommen kleine grüne Tupfer auf der Schwäbischen Alb, im Allgäu und im Münsterland. Auch hier zeigt sich: Süddeutschland hat kaum etwas zu befürchten, könnte einer neuen Endlagersuche also eigentlich ganz gelassen entgegensehen.“

Zwischen dem Grünen Fraktionsvorsitzenden und seinem SPD-Kollegen kam es über diese Äußerungen zum Schlagabtausch. SPD-Fraktionschef Norbert Nieszery hatte die Äußerungen von Suhr kritisiert: „Verantwortung ja, aber kein offensives Anbieten Mecklenburg-Vorpommerns als atomares Endlager„, hieß es in einer PM und weiter: „Zu den Äußerungen des GRÜNEN-Fraktionschefs Jürgen Suhr bezüglich eines möglichen atomaren Endlagers erklärt der Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Dr. Norbert Nieszery:
„Die Äußerungen des Grünen-Fraktionschefs Jürgen Suhr in der heutigen Ostseezeitung, dass Mecklenburg-Vorpommern ein möglicher Kandidat für ein atomares Endlager ist, halte ich für denkbar unglücklich. Selbstverständlich kann sich das Land der Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort nicht verweigern, jedoch bereits vorab ohne entsprechende Prüfergebnisse davon zu reden, dass bestimmte Gesteinsformationen als Endlager geeignet seien, halte ich für leichtfertig bis unverantwortlich und schädlich für den Prozess einer geordneten Suche nach dem wirklich sichersten und umweltverträglichsten Standort in der gesamten Bundesrepublik.
Mecklenburg-Vorpommern leistet mit dem Zwischenlager Lubmin bereits einen wesentlichen Beitrag zum Atomausstieg und hat hier bereits Verantwortung für atomare Altlasten aus anderen Bundesländern übernommen. Insofern sollte die Suche nach einem geeigneten Endlager bei gleicher Eignung auch den Aspekt der Gerechtigkeit und des Verursacherprinzips berücksichtigen. Bundesländern mit teilweise noch aktiven Atomkraftwerken, die sich der Endlagersuche gänzlich verweigern wollen, nun auch noch offensiv anzubieten, deren atomare Hinterlassenschaften dauerhaft einzulagern, ist vorsichtig gesagt politisch unklug.
Ich fordere die Grünen auf, dem Land mit derartig unüberlegten Äußerungen keinen Schaden zuzufügen. Verantwortung ja, offensive Angebote nein“
Suhr erwiderte hier ebenfalls mit einer PM: „Der Fraktionsvorsitzende der bündnisgrünen Landtagsfraktion, Jürgen Suhr weist die Vorwürfe von SPD-Fraktionschef Norbert Nieszery in Bezug auf Äußerungen zur Endlagersuche in scharfer Form zurück:
„Die Äußerungen von SPD-Fraktionschef Norbert Nieszery, der die Behauptung in den Raum stellt, ich habe Mecklenburg-Vorpommern als Standort für ein atomares Endlager offensiv angeboten, entbehren jeder Grundlage. Herr Dr. Nieszery arbeitet hier mit unwahren Unterstellungen. Dies ist ein politischer Stil, den ich für völlig inakzeptabel halte. Meine Äußerungen sind für Jeden, der sich seriös informieren will in der Online-Ausgabe der Ostsee-Zeitung nachzulesen. Wörtlich habe ich gesagt:
‚Lubmin ist definitiv kein sicherer Endlagerstandort, allein schon weil es ein oberirdischer Standort ist. Es darf aber auch kein Zwischenlager mit Endlagercharakter werden. Deshalb ist es sehr wichtig, jetzt dafür zu kämpfen, dass zum Beispiel kein Müll aus dem englischen Sellafield dort gelagert wird. Kurzum: Keine weiteren Transporte und keine weitere Einlagerung in Lubmin. Was die Endlagerfrage betrifft, sage ich aber auch: Die Suche ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, der sich alle Bundesländer stellen müssen. Es gibt ja die unterschiedlichsten Gesteinsformationen, die für eine Endlagerung in Frage kommen und da hat auch MV Vorkommen, die auf den ersten Blick geeignet scheinen, die hat aber nahezu jedes Bundesland. Ich habe großes Vertrauen in die Endlager-Suchkommission, dass sie den richtigen Standort findet. Nochmal zum Thema Verantwortung: Es darf sich kein Bundesland entziehen, übrigens auch Bayern nicht! Ich sage aber gleichzeitig, wenn man sich die Lastenverteilung anschaut: Wir haben schon einen relevanten Teil von Verantwortung mit dem Zwischenlager Lubmin – das ist einer der Standorte mit den meisten Castoren – übernommen.‘
Auf die Frage der OZ ‚Aber wäre es denn überhaupt zu verantworten, ein Endlager in einem Bundesland zu positionieren, das zu beträchtlichem Teil vom Tourismus lebt?‘ habe ich dann weiterhin geantwortet: ‚Noch einmal: Die Endlager-Suchkommission muss vorbehaltlos prüfen können, das gilt für jedes Bundesland! Meine persönliche Meinung: Es darf natürlich keinen Endlagerstandort geben, der touristisch relevante Bereiche berührt.’““

Dirk Seifert

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