Atomrecht: Bundestag beschließt Atomgesetzänderung zum Nationalen Entsorgungsprogramm

paragraphenAm gestrigen 15. Oktober hat der Bundestag die 14. Novelle zum Atomgesetz mehrheitlich beschlossen. Mit der Novelle wird das von der EU per Richtlinie geforderte „Nationale Entsorgungsprogramm“ (NaPro) in nationales Recht überführt. Der Bericht samt seiner Anlagen ist bereits im August an die Kommission übermittelt worden, erst jetzt erfolgte im Nachklapp die atomrechtliche Anpassung. Gegen den Bericht hatte es 70.000 Einsprüche gegeben. Auswirkungen hat das NaPro vor allem auch für die Atommüll-Kommission, die sich in der verbleibenden Arbeitszeit bis Ende Juni 2016 nun vor gravierenden neuen Aufgaben sieht. Am 16. Dezember wird es auf Antrag der Linken außerdem im Umweltausschuss des Bundestags ein Fachgespräch zum NaPro geben.

Um einen Überblick über die gestrige Debatte zu geben, dokumentiert umweltFAIRaendern.de gleich hier unten den Bericht samt dem Link zum Video von der Homepage des Bundestags.
Einige der Punkte aus dem Bericht zum Nationalen Entsorgungsprogramm sind äußerst brisant für die weitere Atommülldebatte. Einerseits geht es um rund 300.000 Kubikmeter leicht- und mittelradioaktiven Atommüll aus der ASSE und aus der Uranverarbeitung in Gronau. Für diese Abfälle gibt es derzeit keine Planungen hinsichtlich einer dauerhaften Lagerung. Zwar hat das Bundesumweltministerium erwogen, diese künftig zusätzlich im Schacht Konrad zu versenken. Nach massiven Protesten hat die Bundesregierung nun aber beschlossen, dass die Atommüll-Kommission einen Vorschlag erarbeiten soll, wie mit diesen radioaktiven Abfällen umzugehen ist. Außerdem spricht der Bericht von einem „Eingangslager“.  Im kleingedruckten Anhang ist davon die Rede, dass hier bis zu 500 Castor-Behälter untergebracht werden sollen. Das Lager soll errichtet werden, sobald die erste Teilerrichtungsgenehmigung für das zu findende „Endlager“ erteilt ist. Faktisch läuft das auf ein neues großes Zwischenlager hinaus, welches nach derzeitigen Planungen irgendwann in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre in Betrieb gehen könnte.

Für die Atommüll-Kommission stellen die im NaPro enthaltenen neuen Aufgaben nun eine Zerreißprobe dar. Schon vor diesen neuen Anforderungen war klar, dass die verbleibende Restlaufzeit der Kommission kaum ausreichend sein würde, um eine vernünftige Öffentlichkeitsbeteiligung sicherzustellen. Nun steht sie vor einer gewaltigen neuen Aufgabe. Wie die zu erledigen ist, ist noch Thema in der Kommission.

Hier nun die Dokumentation zur Debatte im Bundestag anlässlich der 14. AtG-Novelle:
„Atommüll-Entsorgung soll sicherer werden

Die Entsorgung von Atommüll in Deutschland soll sicherer werden. Mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen und bei Enthaltung der Linksfraktion nahm der Bundestag am Donnerstag, 15. Oktober 2015, einen von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes (18/5865) in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung (18/6234) an. Damit setzt Deutschland die im Juli 2011 von der Europäischen Union beschlossene Entsorgungsrichtlinie um, die unter anderem die Erstellung eines Nationalen Entsorgungsprogramms (NaPro) vorsieht.
Regierung: Hohes Sicherheitsniveau bei der Entsorgung
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), betonte, die Novelle solle künftig ein hohes Sicherheitsniveau bei der Entsorgung abgebrannter Brennelemente gewährleisten. Die Bundesregierung habe ihr nationales Entsorgungsprogramm (18/5980) bereits erstellt und an die EU-Kommission übermittelt.
Sie habe dabei zahlreiche Einwendungen berücksichtigt, etwa die Kritik an der Option, das Endlager Schacht Konrad zu erweitern. Im NaPro sei nun festgelegt, dass sich die Endlagerkommission des Bundestages im Rahmen ihrer Arbeit bis Mitte 2016 auch mit der Planung für die rückzuholenden Abfälle aus der Schachtanlage Asse und die Rückstände aus der Urananreicherungsanlage Gronau befassen soll.
CDU/CSU: Herzstück der Entsorgungsstrategie
Steffen Kanitz (CDU/CSU) bezeichnete das Nationale Entsorgungsprogramm als „Herzstück der Entsorgungsstrategie in Deutschland“ und sieht in der Novelle des Atomgesetzes einen Beschluss von „historischer Qualität“. Auch er lobte, dass es keine Erweiterung Konrads „über die Hintertür“ geben werde. Vielmehr solle die Endlagerkommission nun darlegen, wie die Abfälle aus der Asse und Gronau konditioniert werden müssen, um zusammen mit hochradioaktiven Abfällen entsorgt werden zu können.
Kanitz wies jedoch darauf hin, dass die hoch radioaktiven Abfälle, obwohl sie nur zehn Prozent aller Abfälle ausmachten, für 90 Prozent der Radioaktivität verantwortlich seien. Die Suche nach einem Endlager für diese besonders gefährlichen Abfälle sollte daher Priorität haben und nicht durch die Klärung anderer Fragen verzögert werden. Er machte klar, dass hoch radioaktive Abfälle und mittel und schwach radioaktive Abfälle aus der Asse und Gronau aufgrund ihrer unterschiedlichen Anforderungen an das Wirtsgestein nicht ohne Weiteres zusammen gelagert werden können.
Linke: Inakzeptables Vorgehen
Eva Bulling-Schröter (Die Linke) urteilte in der Debatte, auch nach 40 Jahren Atomenergie seien „grundsätzliche Fragen einer sicheren und dauerhaftem Atommülllagerung nicht geklärt“. Zwar sei es gut, dass vorerst darauf verzichtet werde, die „enorme Menge Strahlenmüll aus der Asse und Gronau“ in den „ungeeigneten Schacht Konrad zu verfrachten“, doch gebe es weitere „gewaltige Probleme“, die der Bericht nicht darstelle.
Bulling-Schröter kritisierte zudem, dass das Nationale Entsorgungsprogramm bereits im Sommer dieses Jahres fertiggestellt worden sei, aber erst jetzt die gesetzliche Grundlage geschaffen werde, die Details des Programms regeln soll. „Umgekehrt wäre es besser gewesen“, urteilte sie. Außerdem kritisierte die Linke-Abgeordnete, dass im „Kleingedruckten“ des Programms plötzlich von einem „Eingangslager für Castorbehälter mit hochradioaktiven Abfällen“ die Rede sei. Darin sollen 500 Castoren für Jahrzehnte zwischengelagert werden. „Warum verstecken Sie diese Information?“, fragte Bulling-Schröter, die dieses Vorgehen als „vollkommen inakzeptabel“ bezeichnete.
Grüne: Eingangslager nicht ungenehmigt betreiben
Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete Atommüll als das „Gefährlichste und Langlebigste, was die Menschheit je produziert hat“. Sie warnte davor, das Eingangslager für Castoren schon in Betrieb zu nehmen, bevor es überhaupt genehmigt worden sei, so wie es das NaPro festlege.
Außerdem stellte sie klar, dass die Endlagerkommission in ihrem Bericht, den sie Mitte 2016 vorlegen soll, die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Abfälle aus der Asse und Gronau im selben Standort gelagert werden können, nicht beantworten können werde. Dies müsse ein Nachfolgegremium tun. (joh/15.10.2015)“
 

Dirk Seifert

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