Klima vergiftet: Das Kohle-Heizkraftwerk Wedel und die Schadstoffe
Das Heizkraftwerk Wedel wird länger als bislang geplant am Netz bleiben. Eine Folge der Planungsfehler von Vattenfall, an deren Wärme-Gesellschaft die Stadt als Minderheitsbeteiligter mit 25,1 Prozent bislang nichts ändern konnte. Nun stellt sich raus, dass die Schadstoffemissionen aus dem Kohle-Kraftwerk möglicherweise viel zu hoch sind. Der BUND Hamburg verlangt Nachrüstungen (Abendblatt), die Initiativen in Wedel eine unabhängige Überwachung. Denkbar wäre auch, den Betrieb des Heizkraftwerks Wedel einzuschränken und durch Wärme aus dem neuen Heizwerk Haferweg zu kompensieren.
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- Rot-Grünes Hamburg: Wenig Klima-Ambitioniert – Kohle-Werk Wedel länger am Netz
Die Wogen schlagen hoch in Wedel und wiedereinmal fühlen sich BürgerInnen von Betreiber Vattenfall und der Politik hintergangen. „Es geht um die Konzentration der Giftstoffe, die aus dem Schornstein täglich über Wedel aufsteigen, es geht darum, wer den Ausstoß überprüft und vor allem um mehr Transparenz, die die Bürgerinitiative aus Anwohnern mit Blick auf Hamburger Verhältnisse einfordert“, schreibt das Abendblatt auf seiner Regionalseite.
Eine Studie von ÖkoPol im Auftrag der Grünen hatte vor wenigen Tagen festgestellt, dass die Emissionen von Quecksilber in vielen deutschen Kohlekraftwerken viel zu hoch seien. Das vergleichsweise kleine Heizkraftwerk in Wedel befindet sich in der Spitzengruppe derjenigen Kraftwerke, die besonders schlecht abschneiden. Vattenfall versucht die Ergebnisse schön zu reden. Während die Studie auf Daten von 2013 und vorher basiert, betont das Unternehmen, dass die Quecksilber-Werte in 2014 deutlich herunter gegangen wären.
- Über die Studie von ÖkoPol berichtet die Süddeutsche hier.
Nach den Daten von Ökopol bzw. dem Umweltbundesamt (siehe SHZ) wurden in Wedel im Jahr 2013 insgesamt 62,3 Kilogramm Quecksilber in die Umwelt gepustet, 2012 sogar 82 Kilogramm. Nach Angaben von Vattenfall sollen es in 2014 dann aber überraschenderweise nur noch 27,5 Kilogramm gewesen sein.
Das Abendblatt berichtet, dass die Initiativen vor Ort nicht wirklich beruhigt sind. Denn: „“Wir sind die Letzten, die sich nicht darüber freuen, wenn der Quecksilbergehalt runtergeht“, sagt Kerstin Lueckow als Sprecherin der BI. Aber von 82 auf 27 Kilogramm, und das in zwei Jahren? „Die Verbesserung erschließt sich für uns nicht“, so Lueckow. Im Unterschied zum Kraftwerk Moorburg, wo die Schadstoffe täglich gemessen und veröffentlicht werden, tappen die Betroffenen in Schleswig-Holstein deutlich mehr im Dunklen. Hier gibt es einmal im Jahr einen Wert. „Für ein so altes Kraftwerk, das in Studien negativ auffällt, ist das zu wenig“, so Lueckow. „Bei Quecksilber handelt es sich um ein Nervengift. Je nach Kohle schwankt der Quecksilbergehalt stark. Wir fordern deshalb tägliche Messungen.““
Pikant ist sicherlich: Während Betreiber Vattenfall und die zuständige Aufsicht im Kieler Energieministerium beteuern, dass regelmäßig (!) gemessen würde und alles unterhalb der Grenzwerte liege (ohne zu erwähnen, dass in den USA derartige Werte als zu hoch angesehen werden), widersprechen sie sich bei den möglichen Ursachen für die angebliche Absenkung des Emissionswertes. Die Kieler Behörde, deren Chef der grüne Robert Habeck ist, spricht laut Abendblatt von neuen Filteranlagen. Davon aber weiß Vattenfall-Sprecher Hillmer nichts: „“Es wurden kleinere technische Änderungen durchgeführt“, so Hillmer. Zudem hätte man andere Kohle gefahren.“
Schon erstaunlich, dass Aufsichtsbehörde und Betreiber sich in einer derart wichtigen Frage nicht einig sind und offenbar lediglich Spekulationen von sich geben. Da könnten einige weitere ergänzt werden: Möglicherweise waren – durch technische Störungen – die Betriebszeiten in 2014 geringer? Entscheidend bei den Abgabewerten ist ja, wie das Kraftwerk in Wedel gefahren wird: Dort wird Strom und Wärme erzeugt. Wird die Wärme nicht benötigt, wird diese an die Elbe abgegeben, dennoch könnte Strom erzeugt und verkauft werden. Je nachdem, wie Vattenfall also die Anlage betreibt oder technische Probleme auftreten, verändern sich die Werte unter Umständen deutlich. (Siehe dazu unten mehr!)
Bemerkenswert aber auch: Während in Hamburg das Kohlekraftwerk Moorburg rund um die Uhr überwacht wird und zahlreiche Werte im Internet jederzeit abrufbar sind, werden in Wedel nur in größeren Abständen Emissionswerte veröffentlicht. Bislang gestattet die Kieler Aufsichtsbehörde dieses betreiberfreundliche Modell per Ausnahmegenehmigung. Da könnte sich die grüne Aufsicht in Kiel unter Robert Habeck sicherlich noch steigern, jedenfalls verlangen das die örtlichen Initiativen.
Handlungsbedarf besteht ohnehin, nachdem das Kohle-Heizkraftwerk deutlich über das bisher vorgesehene Datum hinaus noch bis ca. 2021 oder gar länger am Netz bleiben soll. Ab Januar 2019 werden die Grenzwerte gesetzlich reduziert und dann müsste Wedel eigentlich mit neuen Filteranlagen ausgestattet werden. Eigentlich! Denn auch ein befristeter Weiterbetrieb per Ausnahmegenehmigung wäre denkbar.
Alternativen müssen her – Andere Einsatzstrategie der Vattenfall-Anlagen
Eigentlich müsste unter Hochdruck gerade von Grüner Seite – immerhin sind sie in beiden Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein maßgeblich beteiligt – an einem schnellen und klimafreundlichen Ersatz für das marode Kohlewerk Wedel gearbeitet werden. Doch erst im Laufe 2016 sollen in Hamburg die Weichen für den Wedel-Ersatz gestellt werden. Mit der Konsequenz, dass Menschen, Klima und Umwelt noch bis mindestens 2021 belastet werden könnten.
Eine Variante, die die Umwelt- und Klimabelastung von Wedel auch kurzfristig reduzieren könnte, wäre eine andere Einsatzstrategie der vorhandenen Vattenfall-Anlagen. So wäre künftig eine stärkere Einbindung des neuen Heizwerk am Haferweg denkbar, das Vattenfall demnächst in Betrieb nehmen wird. Mit Gas wird hier heißes Wasser hergestellt und soll als Spitzenlast-Heizwerk gefahren werden. Technisch aber wäre mehr denkbar, denn von der Leistung her ist das neue Heizwerk fast in der Lage, das gesamte veraltete Heizkraftwerk Wedel zu ersetzen.
Da Haferweg aber mit Gas befeuert wird, würde das Folgen für die Fernwärmekosten haben. Konkrete Betrachtungen, wie genau diese Folgen aussähen, liegen bislang nirgends vor oder sind öffentlich nicht zugänglich. Genau hier wäre aber angesichts der Möglichkeit, die Schadstoffe für Mensch und Klima sofort deutlich zu reduzieren, von den Grünen im Hamburger Senat deutlich mehr zu erwarten als bislang.
Matthias Ederhof, Vorstand der EnergieNetz Hamburg eG fordert sogar, Wedel auf eine Betriebszeit von lediglich 300 Stunden pro Jahr zu begrenzen. Dann könnte die Nachrüstung teurer Filteranlagen vermieden werden. „Gemäß § 11 Abs. 2 BimschV verschärfen sich die Quecksilber-Grenzwerte ab 1.1.2019 von 0,03 mg/m3 auf 0,01. Dazu sind teure Filter notwendig. Egal wieviel zig Miollionen, es ist ökonomisch unsinnig für die Stadt Hamburg. Denn: § 11 Abs. 4 erlaubt den Weiterbetrieb mit dem jetzigen Grenzwert 0,03 auch nach dem 1.1.2019, wenn die Betriebsstundenzahl 300 h pro Jahr nicht überschreitet und das Kohlekraftwerk ausschließlich dem Spitzenlastbetrieb dient.“
Der EnergieNetz-Genosse hält daher eine „Umkehrung der Einsatzreihenfolge Wedel und Haferweg für notwendig und sinnvoll, weil damit gleich mehrere Probleme gelöst werden könnten. „Die Jahresfrachten für Quecksilber sowie sämtliche andere Schadstoffe wie Arsen, Blei und CO2 würden sich trotzdem verringern gegenüber der heutigen Jahresfracht und die Stadt Hamburg als zukünftige Eigentümerin des KoKW UND über die VWH auch Vertragspartnerin für den Wärmeliefervertrag zwischen VWH und dem KoKW Wedel müsste indirekt 2019 keine teure Filternachrüstung bezahlen. Hier können wir nur an den Senat appellieren, dies ökonomischen Rahmenbedingungen dieser Veränderung genau auf den Prüfstand zu stellen.“
Belastbare Aussagen und Prüfungen zu einer solchen oder auch anderen veränderten Einsatzstrategie seitens der Umweltbehörde unter Senator Jens Kerstan gibt es bislang schlicht nicht. Das sollte sich dringlich ändern.
Bedeutsam dürfte sein: Solange Vattenfall den Strom aus Wedel zusätzlich zur Wärme verkaufen kann, sind das Erlöse, die der wirtschaftlich schwer angeschlagene Konzern nicht aufgeben will. Und dafür ist er bereit, Klimaschäden und Gifte in die Umwelt zu blasen. Zum Schaden der Menschen. Die Frage ist: Lassen Hamburger und Kieler Behörden das zu oder erhöhen sie den Druck für mehr Klima- und Gesundheitsschutz?
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