Keine Eile beim Hamburger Atomtransporte-Stopp: Rot-grüner Senat überlegt noch
Atomtransporte im Hamburger Hafen stoppen? Steht im rot-grünen Koalitionsvertrag. Ansonsten gilt: Immer langsam mit den jungen Pferden. Zwar finden jährlich so um die 160 Atomtransporte durch Hamburg statt, die fast alle dazu dienen, Atomkraftwerke in Betrieb zu halten. Aber man wird ja noch mal überlegen dürfen, wie das, was man in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, denn eigentlich umgesetzt werden soll. So ungefähr steht es in der Antwort des rot-grünen Senats auf eine Kleine Anfrage des linken Bürgerschaftsabgeordneten Stephan Jersch, der sich zum Thema Atomtransporte über die Umsetzung des Koalitionsvertrags informieren wollte.
In seiner Antwort teilt der Senat mit, dass der Koalitionsvertrag gilt. „Im Übrigen sind die Überlegungen hierzu noch nicht abgeschlossen“ (Drucksache 21/3428, PDF). Der Senat spricht aber davon, dass die „zuständige Behörde“ Kontakt mit den Unternehmen im Hafen aufnehmen“ werde, um darauf hinzuwirken, „dass sie auf den seeseitigen Transport und Umschlag von radioaktiven Stoffen zum Zwecke als Kernbrennstoff im und durch den Hamburger Hafen verzichten“ (siehe dazu unten mehr, die Frage ist auch: Ist die Umweltbehörde zuständig, die die Kernbrennstoff-Transporte überwacht oder die Wirtschaftsbehörde?).
Tatendrang sieht irgendwie anders aus. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Debatte über ein Verbot von Atomtransporten durch den Hafen schon einige Zeit vor dem Koalitionsvertrag aus dem letzten Frühjahr die Bürgerschaft intensiv beschäftigt hatte. Nach dem Vorbild des rot-grünen Senats in Bremen hatte die Links-Fraktion bereits im Mai 2011 per Antrag (Hamburger Hafen für Atomtransporte sperren!, PDF, 2011) vom damaligen allein regierenden SPD-Senat gefordert, den Umschlag von Atomtransporten im Hamburger Hafen zu untersagen.
Mit dem Antrag befassten sich sowohl der Wirtschafts- und der Umweltausschuss der Bürgerschaft in der Zeit von Mai 2011 bis Mai 2014 (siehe hier). Im Februar 2012 beschäftigten sich die Ausschüsse sogar im Rahmen einer Anhörung mit dem Antrag (PDF). Während die SPD das ablehnte, schlugen die Hamburger Grünen statt einer gesetzlichen Regelung wie in Bremen einen freiwilligen Verzicht der Hafenunternehmen vor.
Auch das Großfeuer auf der „Atlantic Cartier“ im Mai 2013 – bei dem sich neben Munition auch radioaktive Stoffe an Bord befanden – änderte an der Haltung der Hamburger Grünen zu einer Verbotsregelung wie in Bremen nichts. In einem Antrag forderte die Fraktion lediglich verstärkte Kontrollen und mehr Transparenz und: „Im Fall einer positiven Entscheidung des Bremer Staatsgerichtshofs über das Verbot von Atomtransporten der Bürgerschaft einen Gesetzentwurf für ein dauerhaftes Verbot des Umschlags von Kernbrennstoffen im Hamburger Hafen vorzulegen“.
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Der Bremer Gerichtshof befasste sich im Juni 2013 mit dem dortigen Verbot der Kernbrennstofftransporte. Das Urteil war zwar nicht eindeutig positiv, aber indem sich das Gericht als nicht zuständig erklärte, blieben die Bremer Verbotsregelungen bis heute in Kraft. Im Juli 2014 schließlich sorgte das Bremer Verwaltungsgericht dafür, dass aufgrund von Rechtsunklarheiten das Bundesverfassungsgericht angerufen wurde. Der Grund dafür sind Zweifel daran, ob das Bundesland Bremen seine Landeshäfen für Atomtransporte sperren darf oder ob dies als Bundesaufgabe unzulässig wäre. Statt aber nun die Bremer Grünen bzw. den rot-grünen Senat zu unterstützen, haben sich die Hamburger Grünen gegen diesen Weg entschieden und sich für eine freiwillige Vereinbarung ausgesprochen, die sich nun seit dem Frühjahr 2015 im Koalitionsvertrag wiederfindet.
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- Atomtransporte Bremen: Verbot bleibt vorerst bestehen – Staatsgerichtshof Bremen erklärt sich für nicht zuständig.
Im Koalitionsvertrag (PDF) heißt es in etwas schwierigem Deutsch: „Transport und Umschlag von radioaktiven Kernbrennelementen: Der Transport und der Umschlag von radioaktiven Stoffen aus Zwecken oder für Zwecke als Kernbrennstoff ist bundesrechtlich abschließend geregelt und kann deshalb von Senat oder Bürgerschaft nicht einseitig beschränkt werden. Die neue Regierung wird allerdings bei relevanten Unternehmen darauf hinwirken, im Wege der Selbstbeschränkung auf den Umschlag und seeseitigen Transport derartiger Stoffe im und durch den Hamburger Hafen zu verzichten.“
Abgesehen davon, dass die Hamburger Grünen trotz der Auseinandersetzungen in Bremen schon mal ein Urteil fällen und bestreiten, dass es eine Handlungskompetenz auf Länderebene mit Blick auf die landeseigenen Hafenanlagen gibt: Die kryptische Formulierung, radioaktive Stoffe „aus Zwecken oder für Zwecke als Kernbrennstoff “ wirft irgendwie die Frage auf, was genau untersagt werden soll. Atomtransporte sind in die Kategorien Kernbrennstoffe und sonstige radioaktive Stoffe unterschieden. Kernbrennstoffe sind diejenigen, die angereichertes Uran enthalten. Natürliches Uran mit einem Gehalt von ca. 0,7 Prozent des spaltbaren Uran235 gelten als sonstige radioaktive Stoffe. Diese müssen nicht mit einer atomrechtlichen Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz versehen werden. In Bremen umfasst das dortige Verbot lediglich die Kernbrennstofftransporte.
Die Aussage im Hamburger Koalitionsvertrag dürfte aber bedeuten, dass alle Atomtransporte gemeint sind. Denn: z.B. Uranerzkonzentrat wird über den Hamburger Hafen zur Weiterverarbeitung transportiert und später in entsprechenden Anlagen wie z.B. in Gronau angereichert, damit es in AKWs eingesetzt werden kann. Insofern wären also auch Uranerztransporte (radioaktive Stoffe) „aus Zwecken oder für Zwecke als Kernbrennstoff “ anzusehen.
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