Hallo-Wach in der „Endlager“-Kommission über einen Bericht zum nicht durchsetzbaren „Erkundungsbergwerk Gorleben“

Atommuell-Kommission03112014-03Gorleben und eine „Endlager“-Kommission. Der umstrittene oder gar „verbrannte“ Standort für ein Lager für hochradioaktive Brennelemente ist allgegenwärtig, aber so gut wie kein Thema in der Kommission. Letzte Woche nun wurde ein Entwurf über die „Erfahrungen mit Gorleben“ für den Endbericht der Kommission vorgelegt, wie er als Abschnitt in der Gliederung des Berichts seit langem ausgewiesen ist. Heute sollte er erstmals in der Kommission behandelt werde. Dazu aber kam es nicht, denn bereits in der Adhoc-AG Leitbild führte der Entwurf zu einem Eklat. Das aber ging nur im Flurfunk rum, ohne dass darüber in der Kommission berichtet wurde. Der CDU-Abgeordnete Steffen Kanitz sorgte dafür, dass das Gremium und damit auch die Öffentlichkeit kurz vor Sitzungsende erfuhr, warum das Thema vorerst abgesetzt war.  Hallo-Wach hieß es dann.
In der Adhoc-AG Leitbild, die direkt vor der Kommission tagte, hatte es am Morgen Riesen-Zoff um den Entwurf gegeben. Die CDU hatte sich schwer empört, weil der 15-seitige Berichtsentwurf nach einer umfangreichen Darlegung auch eine Schlussfolgerung enthielt: Mindestens mit Blick auf die vielen Mängel der Öffentlichkeitsbeteiligung in der Vergangenheit hätte Gorleben keine Chance auf einen Konsens in der Zukunft. Daher könnte das Papier so nicht in die Kommission. Berichten der Teilnehmenden zufolge soll Kanitz dabei in dieser Sichtweise auch Unterstützung von der Grünen Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl erhalten haben. Damit war die Sache also einstweilen von der Tagesordnung der Kommission gestrichen. „Nur“ wurde versäumt, diese auch zu informieren.

  • Die Drucksache K-Drs. AG4-27 mit dem Entwurf zu „Erfahrungen Gorleben“ ist hier als PDF online.

Stein des Anstoßes in dem Text sind Aussagen, die der NDR so zusammenfasst: „Die mittlerweile eingestellte Erkundung des Salzstocks Gorleben, bei der klare Eignungskriterien, eine formelle Bürgerbeteiligung und ein heutigen Anforderungen entsprechender Standortvergleich fehlten, habe in der betroffenen Region auf Dauer Vertrauen zerstört, schreibt die Arbeitsgruppe in ihrem Entwurf. Dieses lasse sich nach Auffassung der Kommission auch durch ein gutes Verfahren nicht wiederherstellen.“
Erst kurz vor Ende der Kommissionssitzung sprach der CDU-Abgeordnete Steffen Kanitz dann das von der Tagesordnung versenkte Thema an und sorgte damit zumindest für eine offizielle Unterrichtung der Kommission und damit auch der Öffentlichkeit. „Hallo-Wach“ hieß es dann für eine runde halbe Stunde. Auch wenn er das Papier in der Weise ablehne, so müsse doch in der Kommission angesprochen werden, wie es zu dem Papier gekommen sei und wie es in der Adhoc-AG am Morgen besprochen wurde, so Kanitz.
Die Grüne Sylvia Kotting-Uhl pflichtete ihm bei, verwies darauf, dass Gorleben nun mal im Standortauswahlgesetz enthalten sei und dass keine Mehrheitsverhältnisse vorhanden wären, dies nachträglich nun in der Kommission zu ändern. Der Bundestag und Bundesrat würden das ohnehin wieder kassieren, so Kotting-Uhl. Das wiederum sorgte für heftigen Widerspruch durch den niedersächsischen Umweltminister Stefan Wenzel, ebenfalls von den Grünen. Die Themen müssten auf den Tisch und müssten debattiert werden und man werde sehen, was dann dabei raus komme und wie es weiter ginge.
UPDATE 19/04: Der BUND schreibt zu der Kommissionssitzung und dem Bericht: „Es war lange geplant, dass die Kommission sich in dem Berichtsabschnitt „nationale Erfahrungen“ auch zum Standort Gorleben äußern will. Dennoch sorgte die Vorlage in der Kommission für heftige Proteste. Dies gipfelte in der Forderung, die Vorlage aus dem Netz zu nehmen. Der BUND begrüßte die Vorlage ausdrücklich. Eine echte inhaltliche Debatte fand nicht statt. Diese soll mit einer überarbeiteten Vorlage in der nächsten Kommissionssitzung stattfinden.“ (Erscheint hier) Die BI Lüchow Dannenberg kommentiert heute per PM die gestrigen Ereignisse. Hubertus Zdebel, Bundestagsabgeordneter der LINKS-Fraktion und Mitglied der Kommission begrüßt das Papier und erklärt: „Die Erfahrungen aus Gorleben können in der Kommission nicht ignoriert werden. Daher braucht es ein solches Papier und es braucht eine Konsequenz. Gorleben ist im Konsens nicht machbar.“ Miriam Staudte, Grüne Landtagsabgeordnete aus Lüneburg und für Gorleben „zuständig“ sagte: „Ein kritischer Gorleben-Teil, ohne dass Konsequenzen daraus gezogen werden, hätte nur die Folge, dass die Gorleben-Kritiker in der Kommission sich besser fühlen mit dem fatalen Gesamtbericht.“ (*, siehe unten)

Der NDR hatte eine am Morgen veröffentlichte PM der BI Lüchow-Dannenberg aufgegriffen und über die  Reaktionen jenseits der Tagesordnung berichtet: „Die Vorsitzende der Endlagerkommission, die CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser, hat sich am Montag von einem Papier aus den Reihen der Kommission distanziert. Darin heißt es, der Bau eines Atommüll-Endlagers in Gorleben sei „politisch nicht durchsetzbar“. Dass Gorleben deshalb aus dem Rennen sei, bezeichnete Heinen-Esser gegenüber NDR 1 Niedersachsen als „absoluten Unsinn“. Gorleben bleibe im Prüfverfahren, solange es die Kriterien als Endlager erfülle. Wie ein Kommissionssprecher zudem mitteilte, sei die Formulierung „politisch nicht durchsetzbar“ inzwischen bei einer Beratung der Arbeitsgruppe am Montag gestrichen worden.“
Die BI hatte in ihrer PM zu dem Papier die Hoffnung formuliert, es könnte seitens der Kommission ein Abrücken von Gorleben als Standort für die „Endlager“-Suche geben Darin heißt es: „Die Endlagerkommission will sich offenbar nicht vor dem heißen Eisen “Gorleben” drücken. Das Standortauswahlgesetz (StandAG) , das durch die Kommission evaluiert werden soll, enthält auch den Auftrag, die Kommission solle Stellung nehmen „zu bisher getroffenen Entscheidungen und Festlegungen in der Endlagerfrage“ (StandAG 3, Nr.4). Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (BI) hatte wiederholt darauf gedrängt…“
Weiter heißt es in der PM zu dem Papier: „Minutiös wird nachgezeichnet, dass es politische Gründe waren, die zur Standortauswahl Gorlebens als nukleares Entsorgungszentrum führten und wie die Politik immer wieder in die Fachdiskussion eingriff. Beispielhaft stehen dafür Äußerungen der Fachwelt bei der Wahl des Salzstocks Gorleben als mögliches Atommüllendlager, die bekannten Entscheidungen unter Bundeskanzler Kohl, der das Abteufen der Schächte billigte, obwohl Fachbehörden davor warnten.
Im Textentwurf heißt es dazu wörtlich: „Auch unter Wissenschaftlern wurde die mögliche Eignung des Salzstockes Gorleben zum Endlager schon früh kontrovers diskutiert. Nicht zuletzt gehen der mit der Verabschiedung des Standortauswahlgesetzes eingeleitete Neustart der Endlagersuche und die Einsetzung der Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe auch auf den Dauerkonflikt um den Standort Gorleben zurück.”
Am Ende steht die Empfehlung, Gorleben aus politischen Gründen aufzugeben. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: “Dass Gorleben nicht gestrichen wurde, um bei der Endlagersuche neu zu starten, war ebenfalls ein politischer Kompromiss.”
Leider fehle der wichtige Hinweis, dass es aussichtslos scheint, in der Fachwelt wegen der bestehenden Fronten in der geologischen Beurteilung eine Einigung zu erzielen. Ehmke: “Für einige Behörden wie die Bundesanstalt für Geowissenschaften wäre es ein Gesichtsverlust ohnegleichen, weil sie die Tricksereien mit initiiert und gebilligt haben. Deshalb empfehlen wir die Aufgabe Gorlebens, um endlich unbelastet von der Tricksereien und Lügen der Vergangenheit die Debatte um einen verantwortbaren Umgang mit dem Atommüll führen zu können.”“
Nun soll das Papier in der Adhoc-AG weiter beraten und sicherlich eingedampft werden. Mal sehen, was dann in der nächsten Sitzung der Kommission auf die Tagesordnung kommt.
(*) Der Autor ist Mitglied im BUND und arbeitet für den MdB Hubertus Zdebel.
 

Dirk Seifert

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