Atommüll: „Hauptproblem Zwischenlagerung“ – Georg Milbradt: „Nicht hinnehmbar, dass 60 Jahre das Zeug auf dem Acker steht, mehr oder weniger ungeschützt.“

GeorgMilbrandt-CDU„Es ist nicht hinnehmbar, das 60 Jahre das Zeug auf dem Acker steht, mehr oder weniger ungeschützt.“ Das sagte Georg Milbradt, ehemaliger CDU-Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und Vertreter der Katholischen Kirche in der „Endlager“-Kommission in der Sitzung am 13. Mai 2016. Gemeint ist die oberirdische Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle an den Atommeilern. Es ging in der Kommissions-Debatte um die Frage, wie lange die Suche nach einem „Endlager“ brauchen wird. Niemand rechnet damit, dass ein solches Lager im Jahr 2050 in Betrieb gehen wird, wie es im derzeitigen Standortauswahlgesetz steht. Dies ist eine „politische Jahreszahl“, heißt es unisono in der Kommission. Doch wenn die Suche nach einem solchen Lager länger dauert, dann darf man die Zwischenlagerung nicht als „Randproblem“ bezeichnen, sagte Milbradt: „Nein, das ist meines Erachtens das Hauptproblem“.

  • Die Aussagen von Milbradt sind unten in vollem Umfang dokumentiert. Das Wortprotokoll der Sitzung wird wie üblich noch längere Zeit brauchen, bis es online verfügbar ist. Im Video der Kommissions-Sitzung vom 13. Mai können die Zitate allerdings überprüft werden. Die Debatte zum Thema „Zeitbedarf“ der „Endlager“-Suche begann um ca. 15 Uhr (siehe die Einblendungen im Video). Milbradt äußert sich beim Zeitindex 4.18.00 und dann wenige Minuten später noch einmal.
  • Zur mangelnden Sicherheit der Zwischenlager siehe hier: Atommüll-Zwischenlagerung: Sicherheitskonzept CASTOR ist gescheitert

Immer wieder hatten Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände vor dem Beginn der Arbeit der „Endlager“-Kommission und in der Debatte um das Standortauswahl-Gesetz gefordert, auch die Zwischenlagerung hochradioaktiver und anderer Abfälle aufzunehmen. Nicht nur, weil es hier zahlreiche Sicherheitsprobleme gibt, die auf dem Weg zu einem „gesellschaftlichen Konsens“ bei der Atommülllagerung von Bedeutung sind, sondern auch weil die Suche nach einem „Endlager“ erheblich länger dauern werde, als im Standortauswahl-Gesetz mit den Daten 2031 (Standortentscheidung) und 2050 (Inbetriebnahme) genannt wird. Forderungen, die jedoch sowohl bei einer Mehrheit im Bundestag (Ausnahme die Linksfraktion) als auch in der Kommission, weitgehend abgelehnt wurden.

Häppchenweise musste sich die Kommission zwischenzeitlich korrigieren, ohne allerdings ernsthaft die Konsequenzen zu ziehen. Erstmals Anfang 2015, nachdem das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Genehmigung für das Castor-Zwischenlager am AKW Brunsbüttel aufhob. Und dann vor allem nach der Vorlage des Nationalen Entsorgungsprogramms (NaPro) durch die Bundesregierung im August 2015. Zähneknirschend musste die Kommission einräumen, was Anti-Atom-Initiativen vorher gesagt hatten: Im NaPro sprach die Bundesregierung erstmals öffentlich von einem Eingangslager für den hochradioaktiven Atommüll, weil bis zur Einrichtung eines Endlagers die Genehmigungen für die bestehenden Zwischenlager ausgelaufen sein würden und es also Handlungsbedarf gäbe. Von einem Eingangslager für möglicherweise 500 Castoren war dort die Rede. Ein solches Lager aber, das war klar, würde die Debatte um einen Endlager-Standort und die Akzeptanz der Bevölkerung maßgeblich beeinflussen.

Auch wenn die Kommission diesen Zusammenhang inzwischen zähneknirschend einräumt. Die Konsequenz, bei der künftigen „Endlager“-Suche die Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle einzubeziehen, zieht die Kommission nicht.
Während der Kommissionssitzung am 13. Mai 2016 war der „Zeitbedarf“ für die Endlagersuche erneut Thema. Für viele in der Kommission ist klar, dass ein „Endlager“ nicht 2050, sondern möglicherweise erst ca. 2080 betriebsbereit sein dürfte. Teilweise hänge diese Verzögerung damit zusammen, dass nach dem Desaster um Gorleben und mit Blick auf Anforderungen des EU-Rechts nun eine Öffentlichkeitsbeteiligung nachgeholt werden soll. Das kostet Zeit.
Doch auch unabhängig davon sind die im Standortauswahl-Gesetz genannten Daten nichts weiter als „politische Setzungen“, die nichts mit wirklichen Planungs- und Verfahrensabläufen zu tun haben. Darauf hatte schon früh Bruno Thomauske in der Kommission hingewiesen und damit auch Zustimmung seitens des Bundesamts für Strahlenschutz und anderen bekommen.

Alles das hat massive Auswirkungen für die Zwischenlagerung, die damit von bislang 40 Jahren auf mindestens 80 Jahre und mehr ausgeweitet werden muss. Das schafft eine Vielzahl neuer Probleme.
Vor diesem Hintergrund machte Georg Milbradt in der Kommissions-Debatte am 13. Mai bemerkenswerte Aussagen, die oben bereits zitiert wurden. Er verwies dabei auch darauf, dass er zu Beginn der Kommissions-Arbeit noch eine andere Einschätzung hatte, nun aber seine Auffassung über die Bedeutung der Zwischenlager-Probleme korrigieren müsse.
Hier in vollem Umfang, was Milbradt sagte: „Wir haben hier darüber geredet, dass es um die größtmögliche Sicherheit geht. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Fehler, die wir machen, nicht – das wir ein suboptimales Endlager finden, sondern das der Prozess solange dauert, dass die eigentliche Gefahr für die Bevölkerung das ist, was oben mehr oder minder ungeschützt rumliegt, an unzähligen Standorten.
Wenn man das vor Augen hat, müsste man ja doch überlegen, ist das was wir jetzt optimieren, an Endlager, wirklich das Optimum des Verfahrens, wenn man die tatsächlichen Gefahren hereinrechnet.
Ich habe das am Anfang so nicht gesehen, das ist mir erst im Laufe der Diskussion so gekommen, dass das eigentliche Problem nicht das Endlager ist, sondern was machen wir bis dahin.
Deswegen meine ich, wäre es schon Aufgabe auch dieser Kommission, zu sagen, dass möglicherweise die eine oder andere Schleife, die wir im Sinne der Akzeptanz meinen fahren zu müssen, auch etwas kostet, und zwar in Form von Sicherheit. Deswegen kann man über bestimmte Formulierungen diskutieren, aber man sollte nicht sagen, da gibt es noch ein Randproblem. Nein, das ist meines Erachtens das Hauptproblem.“
Milbradt bekräftigte diese Sicht im Verlauf der Debatte, nachdem Stefan Wenzel und Klaus Brunsmeier zur Frage sprachen, wie Vertrauen in das Suchverfahren für ein „Endlager“ gewonnen werden könnte: „Herr Brunsmeier, dem kann ich folgen, dass es ganz wichtig ist, dass man Bevölkerung mitnimmt. Nur umso wichtiger ist es dann zu sagen, wir brauchen Überlegungen zum Zwischenlager. Und das ist an sich das Hauptproblem. Ich gehe ja davon aus, dass wir die Zeit brauchen und dass 2031 illusionär ist und auch 2040 und 2050 ist illusionär. Aber wenn dem so ist, auch vor den rechtlichen Hintergründen, die kennen wir ja auch bei den Zwischenlagern, müssen wir dann sagen, es ist nicht hinnehmbar, dass 60 Jahre das Zeug auf dem Acker steht, mehr oder weniger ungeschützt. Denn das ist doch die Konsequenz.“ ….

Dirk Seifert

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