Die Kosten der „Endlagerung“: Stand der Dinge und Kostenplan 2017

Was kosten die Atommülllager-Projekte Schacht Konrad, Morsleben, ASSE und Gorleben? Das erfährt ein Bundestagsabgeordneter zumindest teilweise jährlich im Rahmen der Haushaltsberatungen, wenn die Bundesregierung in überaus dicken Schwarten ihre Entwürfe für das jeweils nächste Jahr vorlegt. Das Bundesumweltministerium nennt diesen Entwurf „Grünbuch“ und beschreibt hier den Stand der Dinge in Sachen „Endlager“-Projekte und die Kostenentwicklung. Wie bereits im letzten Jahr stellt der LINKEN-Abgeordnete Hubertus Zdebel auch in diesem Jahr Auszüge aus dem Grünbuch online, um diese Informationen einem geneigten Kreis von Interessierten leichter zugänglich zu machen.

Noch nicht enthalten in den Entwürfen zum Haushalt in Sachen Atommüll sind die Kosten für den beschlossenen Aufbau des Bundesamts für kerntechnische Entsorgung und das nun anlaufende Suchverfahren für ein Lager für hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz. Dies soll – so ist dem Bericht zu entnehmen – erst im Beratungsverfahren nachgeholt und im Rahmen der „Bereinigungssitzungen“ kurz vor  Abschluss der Haushaltsberatungen erfolgen.
Wichtige Arbeitsbereiche, die derzeit noch zum BfS gehören, werden dem neuen Bundesamt zugeordnet. Parallel steht auch noch die Novellierung des  Standortauswahlgesetz auf Basis des Berichts der „Endlager“-Kommission sowie die Umsetzung der Empfehlungen der „Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs“ (KFK) an.

Rund 40 Millionen Euro sollen im kommenden Jahr zusätzlich für den Schacht Konrad eingesetzt werden. Für das Projekt im maroden Salzstock der ASSE müssen im nächsten Jahr zusätzliche 11 Mio. Euro in den Etat eingestellt werden. Zwar nur 1,5 Mio. Euro mehr braucht es demnach für das „Endlager“ Morsleben, aber deutlich wird in der Beschreibung des Sachstands, dass es massive Probleme mit den erforderlichen Sicherheitsnachweisen für die geplante Stilllegung gibt und sich das Verfahren weiter verzögert. Auch Gorleben hat immer noch einen Haushaltstitel: Obwohl dort 10 Millionen Euro weniger als im laufenden Jahr veranschlagt werden, heißt es in einer Fußnote, dass der Bedarf aber wie in 2016 ebenfalls bei rund 30 Mio. Euro liegen wird. Allerdings holt man sich diesen Mehrbedarf aus der „Titelgruppe 2“, weil es hier eine „besehende Deckungsfähigkeit“ gäbe.

  • Hinweis: Obwohl in den Atommülllagern ASSE und Morsleben überwiegend leicht- und mittelaktiver Atommüll der Atomkonzerne aus dem Betrieb ihrer AKWs lagert, werden diese Konzerne nicht an den Kosten beteiligt (siehe dazu jeweils unten). Die Gesamkosten für die Rettungsaktion in der ASSE werden derzeit auf ca. fünf Milliarden Euro geschätzt. Für Morsleben werden derzeit 2,4 Mrd Euro veranschlagt, allerdings sind hier die Kosten für den Stilllegungsbetrieb noch nicht berücksichtigt. Mit Blick auf die derzeit laufenden Beratungen der Bundesregierung auf Basis der Empfehlungen der o.g. „Kommission Finanzierung Kernenergieausstieg“ (KFK) die Atomkonzerne von weiteren Kosten der Atommülllagerung zu befreien, sollten diese schon auf die SteuerzahlerInnen verlagerten Kosten nicht übersehen werden!

Schacht Konrad – Mehr Kosten und „erhebliche Unsicherheiten“
Für den Schacht Konrad sind laut Grünbuch für Planung und Errichtung von 1977 bis 2015 rund 2 Mrd. Euro ausgegeben worden. Nach neueren Schätzungen sollen sich die Kosten für die Errichtung des „Endlagers“ Schacht Konrad auf rund 3,4 Mrd. Euro belaufen. Frühere Schätzungen aus den 1980er und 1990er Jahren gingen von Kosten für die Errichtung in Höhe von „lediglich“ 1,6 Mrd. Euro aus. Das BfS geht derzeit von einer Inbetriebnahme im Jahr 2022 aus, verweist aber selbst auf „erhebliche Unsicherheiten“ sowie „Herausforderungen und Risiken“ und schreibt: „Diese liegen in der Erstmaligkeit der Aufgabe und der Tatsache begründet, dass die Errichtung eines Endlagers nach aktuellen atomrechtlichen Maßstäben in einem ehemaligen Gewinnungsbergwerk erfolgt.“

Gorleben: Keine Erkundung mehr – aber Offenhaltung
Gorleben wird zwar nach Standortauswahlgesetz nicht weiter erkundet, aber es müssen nach diesem Gesetz alle erforderlichen Maßnahmen finanziert werden, die den Standort für eine weiterhin mögliche spätere Nutzung erhalten. Dieser Offenhaltungsbetrieb soll bis Ende 2017 abgeschlossen sein. Bislang hat das Projekt Gorleben in der Zeit von 1977 bis Ende 2015 Kosten in Höhe von 1.784 Mio. Euro verursacht, wobei die in diesem Betrag enthaltene Summe für die Bundesbehörden lediglich geschätzt wurde.

Morsleben – Sicherheitsnachweise fehlen immer noch

50 Millionen plant das BfS für die Finanzierung der Arbeiten im „Endlager“ Morsleben („Endlager“ für radioaktive Abfälle Morsleben, ERAM), das seit Jahren stillgelegt werden soll. Morsleben ist als Atomerbe aus der DDR übernommen wurden und diente in den 90er Jahren trotz massiver Sicherheitsbedenken für die westdeutschen Atomkonzerne als billige „Beseitigung“ leicht- und mittelradioaktiver Abfälle. Wie die ASSE handelt es sich bei Morsleben um einen Salzstock, in dem jahrzehntelang zuvor Bergbau betrieben wurde.
Das BfS beschreibt dies mit den Worten: „Das ERAM verfügt nicht in allen Bereichen des stark durchbauten Grubengebäudes über eine geologische Barriere, die den Anforderungen nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht.“ Trotz umfänglicher Baumaßnahmen ist es dem BfS bis heute nicht gelungen, die Wirksamkeit bestimmter technischer Barrieren (als Ersatz für geologische) nachzuweisen.
Die Vielzahl der vorhandenen Probleme fasst das BfS unter anderem so zusammen: „Angesichts der verbleibenden fachlichen und organisatorischen Risiken sowie nicht geklärter Anforderungen kann derzeit der terminkritische Pfad nicht sicher bestimmt werden. Im Ergebnis der Umsetzung der ESK-Empfehlungen unter Berücksichtigung des aktuellen Standes von W & T und der hiermit verbundenen Überarbeitung der Antragsunterlagen ist zu erwarten, dass eine erneute Prüfung der Genehmigungsbehörde einschließlich einer erneuten Prüfung der Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgen wird. Vor dem Hintergrund dieser Situation ist derzeit ein Zeitpunkt für die Vorlage des Planfeststellungsbeschlusses unbestimmt.“
Die bisherigen Gesamtkosten von 1990 bis Ende 2015 beziffert das BfS im Grünbuch des BMUB mit 1.192,8 Mio Euro. Obwohl in dem Atommülllager große Mengen radioaktiver Abfälle von westdeutschen Atomanlagen lagern, werden die Atomkonzerne an den Kosten laut Einigungsvertrag mit der DDR nicht zur Kasse gebeten. Die gesamten Kosten müssen – wie auch bei der ASSE – von den SteuerzahlerInnen übernommen werden.

ASSE II – Sicherung und Stilllegung
Insgesamt 130 Millionen Euro werden laut Grünbuch für die laufenden Arbeiten zur Sicherung und Stilllegung des maroden Salzstocks ASSE II mit leicht- und mittelradioaktivem Atommüll „angesetzt“ . Das sind 11,5 Millionen Euro mehr als im Jahr 2016. Allerdings wird per Fußnote darauf hingewiesen: „Nach dem aktuellen Projekt-
stand muss aber für 2017 mit einem Bedarf in Höhe von bis zu 196,2 Mio. € gerechnet werden. Der den Ansatz überschreitende Mehrbedarf wird im Rahmen der bestehenden gegenseitigen Deckungsfähigkeiten der Titelgruppe 02 und durch Inanspruchnahme vorhandener Ausgabereste finanziert. Die hierfür notwendige Deckung erfolgt aus dem Gesamthaushalt.“
Weil in den maroden Salzstock Wasser eindringt und seine Stabilität nicht mehr gewährleistet ist, sollen die Atomabfälle auf gesetzlicher Basis aus der ASSE II geborgen werden. Gleichzeitig laufen Maßnahmen, um die Stabilität des Salzstocks zu verbessern und um im Falle von „unbeherrschbaren Lösungszutritten“ eine Ausbreitung der Radioaktivität zumindest zu bremsen.
Die ASSE wurde als ehemaliges Salzbergwerk offiziell als staatliches Forschungs-„Endlager“ betrieben, in dem große Mengen Atommüll der AKWs zu vermeintlichen „Versuchszwecken“ eingelagert wurden. Daher werden die Atomkonzerne an den Kosten der Sanierung dieses gescheiterten „Endlagers“ nicht beteiligt. Die Kosten werden gänzlich von den SteuerzahlerInnen getragen.
Im Grünbuch heißt es dazu: „Nach entsprechenden Umbaubauten begann 1967
die Versuchseinlagerung radioaktiver Abfälle. Von 1971 an wurde die Asse II faktisch nicht mehr als Versuchslager, sondern als Endlager genutzt, um hier den Großteil der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle der Bundesrepublik einzulagern. Im Zeitraum zwischen 1967 bis 1978 wurden etwa 47.000 m3 radioaktive Abfälle eingelagert.“
Über die Gesamtkosten zur Sanierung der ASSE und Rückholung der Abfälle kann laut BfS keine belastbare Schätzung vorgelegt werden, – allerdings wird im Nationalen Entsorgungprogramm eine Schätzung vorgenommen, dass diese Kosten bei rund fünf Milliarden Euro liegen könnten. Auch noch höhere Kostenschätzungen gibt es (NDR).  Die bisherigen Kosten seit der Übernahme der ASSE durch das BfS am 1.1.2009 bis Ende 2015 werden auf 648,9 Mio Euro beziffert.

DSe4Zdebel

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