Wohin mit dem Castor-Atommüll aus Jülich? In Ahaus wächst Widerstand – Export-Verbot im Bundestag

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Was wird aus dem hochradioaktiven Atommüll in Jülich? Foto: Betreiber

Was soll mit den 152 Castor-Behältern mit hochradioaktivem Atommüll in Jülich geschehen? Das dortige Lager verfügt über keine Genehmigung mehr, die Räumung ist vom Land NRW angeordnet. Die Betreiber würden die Brennelemente aus dem Versuchsreaktor am liebsten in die USA exportieren. Doch dagegen hat sich die „Endlager“-Kommission ausgesprochen und ein entsprechender Antrag kommt diese Woche von der Fraktion DIE LINKE in den Bundestag. Genehmigt ist die Einlagerung in das Zwischenlager Ahaus. Doch nach der Stadt Ahaus hat nun auch der Kreis Borken sein Veto gegen diesen Plan eingelegt und angekündigt, rechtliche Schritte gegen die vor einigen Wochen erteilte Einlagerungs-Genehmigung zu prüfen. Eine Transportgenehmigung steht aber noch aus. Den Neubau einer sicheren Zwischenlagerhalle in Jülich fordern nicht nur Anti-Atom-Gruppen, sondern nun auch der Kreis Borken. Obwohl diese Möglichkeit offiziell als Variante bezeichnet wird: Konkrete Planungen sind bis heute nicht angelaufen.

Dokumentation der Resolution des Kreises Borken zur Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll aus Jülich im Zwischenlager Ahaus:

Gemeinsame Resolution zu möglichen Transporten der AVR-Brennelemente aus Jülich in das Zwischenlager Ahaus – Einstimmiger Beschluss des Borkener Kreistages in seiner Sitzung am 22.09.2016

In seiner Sitzung am 22.09.2016 hat der Borkener Kreistag einstimmig nachfolgende gemeinsame Resolution zu möglichen Transporten der AVR-Brennelementen aus Jülich in das Zwischenlager Ahaus beschlossen:

Der Kreistag des Kreises Borken fordert:

1. Der Kreistag des Kreises Borken schließt sich der Resolution der Stadt Ahaus aus dem Jahre 2011 insbesondere dahingehend an, dass die Sicherheit der Bevölkerung oberste Priorität haben muss, dass die Information und Kommunikation des Forschungszentrums Jülich bzw. der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH und der beteiligten Behörden deutlich zu verbessern ist. Der Kreistag des Kreises Borken lehnt die geplanten Transporte der Castorbehälter ab, weil er sie nach den derzeit vorliegenden Informationen für unnötig erachtet.

2. Der Kreistag des Kreises Borken fordert alle Beteiligten, insbesondere das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen (MWEIMH) als atomrechtlich zuständige Aufsichtsbehörde auf, die weiteren Optionen insbesondere die weitere sichere Lagerung der AVR-Brennelemente am Standort Jülich intensiv zu prüfen und ggf. zu ermöglichen, um unnötige Transporte zu vermeiden.

Begründung:

Von 1967-1988 wurde von der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH (AVR) der sogenannte AVR-Reaktor in unmittelbarer Nähe des Forschungszentrums in Jülich betrieben. Bereits vor der Einstellung des Reaktorbetriebes begann auch die Diskussion um den Rückbau des Reaktors und die Unterbringung der AVR-Brennelemente, die derzeit in 152 Castor-Behältern in einem Zwischenlager auf dem Campus-Gelände des Forschungszentrums Jülich (FZJ) lagern (so genanntes AVR-Behälterlager).

Dabei rückten im Laufe der Zeit drei Alternativen in den Mittelpunkt:

1. Transport der Brennelemente in das Herkunftsland USA

2. Neubau eines Zwischenlagers am Standort Jülich

3. Transport in das Brennelemente-Zwischenlager nach Ahaus

Alle drei Alternativen sollten gleichrangig behandelt werden. Für die Option Ahaus wurde im Jahre 2009 eine Aufbewahrungsgenehmigung für die 152 Castor-Behälter für das Brennele-mente-Zwischenlager in Ahaus beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) beantragt.

In einer Pressekonferenz im November 2011 erklärte der FZJ-Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Huthmacher, dass eine Verlagerung der AVR-Brennelemente „aus Imagegründen“ nach Ahaus erfolgen soll. Nicht zuletzt aufgrund dieser Aussage und aufgrund mangelnder Kommunikation mit der Stadt Ahaus hat der Rat der Stadt Ahaus am 20.12.2011 folgende einstimmige Resolution gefasst:

1. Der Rat der Stadt Ahaus hat wiederholt beschlossen, dass die Sicherheit der Ahauser Bevölkerung oberste Priorität hat.

2. Der Rat der Stadt Ahaus kritisiert die völlig unzureichende Informationspolitik des Forschungszentrums Jülich wie auch des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Entscheidungen, die für unsere Stadt bedeutsam sind, aus der Presse erfahren zu müssen, ist vor allem vor dem Hintergrund, dass der Stadt mehrfach eine frühzeitige In-formation zugesichert worden ist, nicht zu akzeptieren.

3. Der Rat der Stadt Ahaus muss zur Kenntnis nehmen, dass in den vergangenen drei Jahren offensichtlich nicht, wie bisher öffentlich dargestellt, mehrere Alternativen zur weiteren Lagerung der Brennelemente aus dem AVR-Kugelhaufenreaktor geprüft wurden, sondern sich das Prüfverfahren ausschließlich auf den Transport nach Ahaus erstreckt hat. Schon aus diesem Grund fordert der Rat der Stadt Ahaus das Forschungszentrum Jülich auf, schnellstmöglich auf der Grundlage des Genehmigungsantrages von 2007 alle rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, die Brennelemente im Rahmen einer zunächst vorläufigen und später endgültigen Zwischenlagerungsgenehmigung weiterhin in Jülich zu lagern.

4. Insbesondere vor diesem Hintergrund stellt der Rat der Stadt Ahaus fest, dass die Verantwortung für die 152 Castorbehälter im Falle einer Reparaturbedürftigkeit und zur Endlagerungskonditionierung weiterhin beim Forschungszentrum Jülich bleibt.

5. Ein Transport von abgebrannten Brennelementen aus dem Forschungszentrum Jülich in das Zwischenlager Ahaus aus Imagegründen lehnt er deshalb ab.

6. Durch das Verhalten von Forschungszentrum, Bundesministerium für Bildung und Forschung wie auch der NRW-Landesregierung und der daraus resultierenden öffentlichen Auseinandersetzung ist bereits beträchtlicher Schaden für den Wirtschaftsstandort Ahaus entstanden. Zur Begrenzung sind alle Beteiligten gefordert, eine sichere, transparente und konsensfähige Lösung zu finden.

Im Jahr 2012 erklärt der Aufsichtsrat des FZJ, dass der Transport in die USA favorisiert, eine Verlängerung der Lagerung in Jülich beantragt und das Ahaus-Verfahren ruhend gestellt werden würde. Die USA-Option wurde als Entsorgungsvorsorgenachweis vom Bundesumweltministerium und vom Wirtschaftsministerium NRW akzeptiert.

Am 30.6.2013 lief die atomrechtliche Genehmigung für das Zwischenlager in Jülich aus. Am 2. Juli 2014 verfügte das Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen (MWEIMH) als atomrechtlich zuständige Aufsichtsbehörde, dass das FZJ als Betreibergesellschaft des AVR-Behälterlagers verpflichtet wird, die AVR-Brennelemente unverzüglich aus Jülich zu entfernen. Damit ist der Betreiber in der Pflicht sich um eine alternative Lagerungsmöglichkeit zu kümmern, da er sich u.U. strafrechtlich zu verantworten hätte, wenn er Kernbrennstoffe ohne Erlaubnis lagert.

Das Genehmigungsverfahren für die Einlagerung in Ahaus wurde nach dieser Entscheidung wieder aufgenommen.

Das BfS erteilte im Juli 2016 die Genehmigung zur Zwischenlagerung der AVR-Brennelemente in Ahaus (7 Jahre nach der ursprünglichen Beantragung). Eine Transportgenehmigung ist damit nicht verbunden.

In seiner Sitzung am 30. August 2016 hat der Stadtrat in Ahaus einstimmig beschlossen, mögliche rechtliche Schritte gegen das BfS aufgrund dieser Genehmigung zu prüfen.

Die Jülicher Entsorgungsgesellschaft Nuklearanlagen Gmbh (JEN), die seit 2015 verantwortlich für den Reaktorrückbau und den Umgang mit den AVR-Brennelementen ist, erklärt auf ihrer Hompage (www.avr-brennelemente.de) zu dem Sachverhalt u.a. (Stand: 20.9.2016):

„(…)Parallel werden auch die Optionen einer Rückführung der AVR-Brennelemente in die USA und ein möglicher Neubau eines Zwischenlagers am Standort Jülich weiterhin geprüft. Bis zur abschließenden Klärung, welche der drei Optionen am schnellsten realisiert werden kann, ist es das Ziel der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN) als Besitzerin der AVR-Brennelemente, alle Optionen offen zu halten und weiter zu konkretisieren. Die tatsächliche Entscheidung über den weiteren Verbleib der AVR-Brennelemente trifft die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN) in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium NRW als zuständige Atomaufsicht.“

Dirk Seifert

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