ASSE II – Atommüll-Rückholung und Begleitprozess in Gefahr

Asse-RadladerSchon seit längerer Zeit „ruckelt“ es an allen Ecken und Enden rund um die per Gesetz geregelte Rückholung und Sicherung des Atommülls in der ASSE II und den damit verbundenen Begleitprozess, an dem in unterschiedlichen Gremien lokale, regionale und Bundes-VertreterInnen teilnehmen. War das Bundesamt für Strahlenschutz als Nachfolger des vorhergehenden Betreibers Helmholtz-Zentrum-München zunächst überaus begrüßt worden, hat sich das inzwischen zumindest bei Teilen ins Gegenteil verkehrt. Auch die Änderung der Rechtsbasis, nach der die Atommüllkippe ASSE II Jahrzehnte lediglich nach Bergrecht und mit dem Betreiberwechsel unter das strengere Atomrecht gestellt wurde, führt oftmals zu Spannungen. Das Problem: Einerseits soll das BfS laut Gesetz den zusammenbrechenden Salzstock der ASSE II stabilisieren. Dazu müssen Verfüllungen der Hohlräume erfolgen und technische Sperren eingebaut werden. Andererseits soll das BfS die Rückholung der Abfälle durchführen. Dass diese Konstellation angesichts der Komplexität der Aufgabe nahezu automatisch zu Konflikten führt, liegt auf der Hand. Aber auch unter den Initiativen und regionalen Beteiligten häufen sich Auseinandersetzungen. Umso mehr sind die Akteure gefordert. Aktueller Streit: Die Verfüllung eines Bereichs auf der 750 Meter-Sohle. Eine Maßnahme, die aus Sicht regionaler VertreterInnen die Rückholung der radioaktiven Abfälle massiv gefährden könnte, die das BfS zur Stabilisierung der ASSE aber für unerlässlich ansieht.
Moratorium gegen die von BfS geplante Verfüllung der 750 Meter Sohle gefordert
Gegen die vom BfS geplante und inzwischen vom Landesamt LBEG genehmigte Verfüllung eines Streckenabschnitts auf der 750 Meter Sohle regt sich massiver Widerstand: Weil mindestens eine deutliche Erschwerung der Rückholbarkeit der Abfälle befürchtet wird, brauche es ein Moratorium, forderte im September die ASSE-2-Begleitgruppe (A2B) (pdf) und teilte wenige Tage später mit (pdf): „Bei einer Sitzung am letzten Freitag lehnten die  beteiligten Bundes- und Landesbehörden, darunter das federführende Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), eine solche Aussetzung ab.“ (Mitglieder A2B etc. – Version bei archive.org, ohne Fotos)

  • Zusätzlich besteht der A2K, der Asse-II-Koordinationskreis, in dem sich laut eigener Darstellung „verschiedenste Gruppen, Vereine, Parteien und Organisationen vernetzt“ haben. (Allerdings: Auf der Homepage wird darauf verwiesen, dass die Seite seit 2013 (!) nicht mehr ernsthaft aktualisiert wird und stattdessen wird ASSE-Watch empfohlen.)
  • Der Umweltausschuss des Deutschen Bundestags befasste sich um die Jahreswende 2014/15 zweimal mit den wachsenden Problemen im ASSE-Verfahren. Dort wurde von einer „schwierigen Phase“ gesprochen, in dem sich der Prozess befände. Darüber berichtet der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel mehrfach und mit vielen Links auf seiner Homepage (hier und hier und hier).

Auch der A2K fordert ein solches Moratorium und kritisiert das BfS scharf. Die Helmstedter Nachrichten berichten aktuell unter der Überschrift: „Kritiker befürchten Flutung der Asse“ (kostenpflichtiger Artikel) aus Anlass einer (heutigen) Veranstaltung. Ebenso kritisiert die AG Schacht Konrad, die aufgrund erheblicher Differenzen nicht mehr im A2K vertreten ist (siehe unten), die geplanten Maßnahmen und sieht eine Gefährdung der Rückholung.
In seiner Pressemitteilung zur Genehmigungserteilung durch das LBEG teilt das BfS mit Blick auf die bestehende Kritik mit: „Die geplanten Maßnahmen sind seit 2012 mit der Asse-Begleitgruppe diskutiert worden. Eine weitere Offenhaltung der Bereiche im Umfeld der Einlagerungskammern, wie sie die Begleitgruppe fordert, ist nicht mit den Sicherheitszielen vereinbar. Dies ergab abschließend eine Analyse, in der Experten alle Vor- und Nachteile der geplanten Sicherungsmaßnahmen aufgezeigt und abgewogen haben. Über die Notwendigkeit der Notfallplanung verständigten sich zudem Experten verschiedener Institutionen auf einem Fachworkshop, den das BfS im Jahr 2012 organisiert hatte.“
Dabei kritisiert auch der Wissenschaftlerkreis, die AGO, dass das BfS auf viele der vorgebrachten Vorschläge und geforderten weiteren Nachweise nicht ausreichend geantwortet hat (siehe gleich unten die Links zu den Gutachten).
Die AG Schacht Konrad und andere verweisen auf ein Grundproblem des laufenden Verfahrens: „Das Grundproblem ist, dass die Planung und Durchführung der Notfallmaßnahmen schon sehr weit fortgeschritten sind, während auf der anderen Seite ein Masterplan für die Rückholung – auch fast sieben Jahre nach dem Ende des Optionenvergleichs – immer noch nicht vorliegt. So kann eine konkrete Abwägung, auf welche Weise und in welchem Ausmaß bestimmte Maßnahmen die Rückholung beeinflussen, gar nicht vorgenommen werden.“

In der Kritik am fehlenden „Masterplan“ liegt nicht nur ein Problem für die konkrete Beurteilung, ob die jetzt geplanten und genehmigten Maßnahmen zur Verfüllung sinnvoll bzw. notwendig sind oder nicht. Es trifft auch den Kernbereich der Vertrauensbildung, ohne die ein Begleitprozess insgesamt kaum möglich ist. Spätestens seit Anfang 2015 gibt es – wenn man es positiv sagen will – eine wachsende Sprachlosigkeit zwischen den Beteiligten auf allen Ebenen.
Konflikte im A2K: Wie bitte geht’s zum Zwischenlager?
Bereits im Dezember 2014 hieß es auf der Homepage der Wolfenbütteler AtomAusstiegsGruppe (WAAG Wolfenbüttel, die nicht direkt in den Begleitgremien beteiligt ist): „Es knirscht im Gebälk des Begleitprozesses.  Differenzen zwischen den Beteiligten im Begleitprozess gibt es nicht nur in der Standortfrage für das Langzeitlager. Auch die Verfüllmaßnahmen/Betonierungen auf der 750 m – Sohle, auf der Einlagerungskammern liegen, stehen seit rund zwei Jahren in der Diskussion.“

Was die WAAG hier als „Langzeitlager“ betitelt, wird vom BfS als „Zwischenlager“ bezeichnet und wird für den Fall einer erfolgreichen Bergung der radioaktiven Abfälle aus der ASSE benötigt. Das BfS hatte frühzeitig im Begleitprozess auf die Erfordernis eines solchen Lagers hingewiesen, das möglichst standortnah an der ASSE gebraucht würde.
Nicht nur gegenüber dem BfS kam es in dieser Frage zu Auseinandersetzungen. Immer mehr Gruppen zogen sich in dieser Debatte schließlich aus der Arbeit des A2K zurück. Der Grund: Aus dem Kreis des A2K kam immer mehr die Forderung auf, auch ein weiter von der ASSE entferntes Zwischenlager müsse als Option geprüft werden (was angesichts der dann erforderlichen Atomtransporte im Grundsatz zu erhöhten Risiken führen würde).
Z.B. die AG Schacht Konrad hatte diese Orientierung aus dem Spektrum der Initiativen kritisiert. Auf der Homepage der AG Schacht Konrad ist zum A2K mit Blick auf die Zwischenlager-Debatte zu lesen (nachdem schon frühere Konflikte benannt wurden): „Ab Anfang 2015 gab es zunehmend inhaltliche Differenzen zu der Frage der Standortsuche für ein Zwischenlager für den zu bergenden Müll. Die Zusammensetzung der Treffen veränderte sich (es gibt keine festen Delegierten; jedeR Anwesende hat eine Stimme) und die Mehrheit entfernte sich von der Position, die eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe noch im Februar 2014 erarbeitet hatte. Von einigen Mitgliedern wurde sogar explizit die Forderung „Kein Zwischenlager an der ASSE“ erhoben.“
In einer PM des A2K (PDF) ist denn auch nachzulesen: „„Ein Zwischenlager für den Atommüll aus der Asse muss mitnichten an der Asse errichtet werden,“ so Andreas Riekeberg, Mitglied des Asse II-Koordinationskreises, „denn Störfälle können vielfältige Ursachen haben und Transporte stellen nicht die einzige Gefahr für Kontaminationen durch Radionuklide dar. Der Betreiber sollte den am wenigsten unsicheren Ort suchen.“ Auch auf der Homepage der oben genannten WAAG finden sich Aussagen zu einem Zwischenlager, dass nicht in der Nähe der ASSE sein soll.
Die Konsequenz aus dieser Kritik: Die AG Schacht Konrad zog sich aus der Arbeit im A2K zurück, beließ aber ihren Vertreter im A2B. Das wiederum wollte der verbleibende Kreis im A2K nicht akzeptieren, der sich (ohne echte Grundlage) als „Delegations-Organ“ versteht.
A2K gegen A2B und Landrätin – Gefährdung des Begleitprozesses
Wie heftig die Konflikte innerhalb der Initiativen und regionalen VertreterInnen laufen, macht die AG Schacht Konrad im weiteren deutlich: „Die Aktivitäten des A2K erschöpften sich im gesamten Jahr 2015 im Wesentlichen in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Vorsitzenden der a2b, Landrätin Christiana Steinbrügge. Manche Maßnahmen der  Landrätin fand auch die AG kritikwürdig; die öffentliche Auseinandersetzung schadete jedoch der Begleitgruppe insgesamt. Parallel wurden Positionen per Mehrheitsentscheidung durchgedrückt, obwohl die ursprüngliche Aufgabe des A2K lediglich war, die Aktivitäten zu koordinieren. In der Folge traten AG, Sickter BASA und die GRÜNEN KV Wolfenbüttel aus dem A2K aus und setzen zukünftig ihre ASSE-Arbeit außerhalb des A2K fort.“

  • Zu den Auseinandersetzungen mit dem A2B und der Landrätin seitens des A2K gibt es diverse Infos auf der oben genannten Seite ASSE-Watch, samt einiger PMs und Erklärungen.

Weiter teilt die AG Schacht Konrad mit: „Die AG wird versuchen, neue Formen der Zusammenarbeit, auch mit dem restlichen A2K zu finden. Der A2K hat nach dieser Entwicklung aus Sicht der AG  kein Alleinvertretungsrecht in Sachen „ASSE“ mehr. Die AG hat deshalb im Oktober 2015 einen eigenen Sitz (der 4 Sitze, die laut Satzung für „Vertreter der BIs“ vorgesehen sind) im a2b beantragt. Eine endgültige Antwort steht noch aus.“

Dirk Seifert

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