Stilllegung Atomanlage Geesthacht: Trotz Druck der Atomaufsicht – Kompromiss für mehr und bessere Informationen für Öffentlichkeitsbeteiligung

Stilllegung Atomanlage Geesthacht: Trotz Druck der Atomaufsicht – Kompromiss für mehr und bessere Informationen für Öffentlichkeitsbeteiligung

Nach „kontroversen Diskussionen“ mit der Genehmigungsbehörde in Schleswig-Holstein startet heute mit einem erweiterten Informationsangebot die öffentliche Auslegung der Antragsunterlagen für die Stilllegung der ehemaligen Atomforschungsanlage GKSS in Geesthacht, östlich von Hamburg. Das teilen das am konsensorientierten „HZG-Dialog“ beteiligte Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG, heutiger Betreiber der Atomanlagen) und die Begleitgruppe in einer Presseerklärung mit. Auf Drängen der Kieler Atombehörde werden zum Start der Öffentlichkeitsbeteiligung weniger Informationen bereitgestellt, als Betreiber und Begleitgruppe im HZG-Dialog geplant hatten, aber mehr und bessere Unterlagen, als es bislang in anderen Verfahren der Fall war. Der HZG-Dialog und die grün geführte Genehmigungsbehörde in Kiel verständigten sich kurz vor Beginn der Auslegungsfrist auf einen Kompromiss. Einwendungen können bis zum 6. Februar erhoben werden. Der Erörterungstermin soll bereits am 21. März 2017 im Sachsenwaldforum Reinbek stattfinden. (*, siehe unten)

An allen Atomstandorten kritisieren Anti-Atom-Initiativen die mangelhafte Bereitstellung von Unterlagen für die Öffentlichkeitsbeteiligung bei den Stilllegungsverfahren für die Atommeiler.

Der HZG-Dialog greift die bisherige Kritik an den laufenden Stilllegungsverfahren in der heutigen Presseerklärung (siehe vollständig unten) auf: „Am 05. Dezember 2016 beginnt mit der Auslegung der Antragsunterlagen der rechtlich vorgeschriebene Teil der Bürgerbeteiligung im Zuge der Stilllegung der Atomanlagen auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums-Geesthacht. Um den generellen Umfang dieser Unterlagen gab es bei allen bisherigen Rückbauprojekten in Deutschland Kritik aus der Bevölkerung. Umweltverbände und AnwohnerInnen bewerteten die Unterlagen als nicht ausreichend, um ihre mögliche Betroffenheit durch die geplanten Maßnahmen zu beurteilen.“

Bislang weichen die zuständigen Genehmigungsbehörden von dieser Linie einer begrenzten Informationsbereitstellung und vergleichsweise unkonkreten Vorhabensbeschreibungen trotz aller Vorwürfe nicht ab. Vor diesem Hintergrund muss das jetzt beginnende Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung zur Stilllegung der ehemaligen Atomforschungsanlage GKSS bewertet werden.

  • Die Genehmigungsbehörde in Schleswig-Holstein hat die anlaufende Öffentlichkeitsbeteiligung mit dieser PM angekündigt. Einen Hinweis auf die „kontroverse Diskussion“ mit dem HZG-Dialog enthält die PM nicht.
  • Der Grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz äußert sich hier zum Verfahren. Der NDR berichtet hier.

In der PM des HZG-Dialogs heißt es dann weiter: „Vor diesem Hintergrund wurde im HZG-Dialog bereits frühzeitig über eine Erweiterung der Unterlagen diskutiert, die im offiziellen Verfahren ausgelegt werden. Vereinbart war, zusätzlich zu den Unterlagen, die von der Genehmigungsbehörde öffentlich ausgelegt werden, weitere Informationen auf der Homepage von „HZG im Dialog“ bereit zu stellen. Die Genehmigungsbehörde hatte zunächst Bedenken, die Auslegung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen um weitere Informationen, die nicht im offiziellen Verfahren sind, zu ergänzen. Daher bedurfte es in der letzten Woche einer weiteren Klärung.“
Am Ende stand ein Kompromiss mit der Genehmigungsbehörde, der zwar mehr Informationen ermöglicht, diese aber nicht zum Bestandteil des atomrechtlichen Verfahrens macht: „In einer zum Teil sehr intensiven Diskussion haben sich Begleitgruppe, Betreiber und Genehmigungsbehörde daraufhin auf einen Kompromiss geeinigt: Die betreffenden Informationen werden in einem als Entwurf gekennzeichneten Bericht auf der Homepage des HZG zur Verfügung gestellt. Sie sind damit nicht Teil des atomrechtlichen Verfahrens und können keine Grundlage für eine mögliche Einwendung bilden. Als Ergänzung der offiziellen Unterlagen können sie aber die BürgerInnen bei der Bewertung der geplanten Maßnahmen unterstützen.“
Ergebnis der Diskussionen der im HZG-Dialog beteiligten Betreiber und Begleitgruppe sind aber auch an vielen Stellen verbesserte Antragsunterlagen, die jetzt zur offiziellen Auslegung kommen.
Der Physiker Wolfgang Neumann von der Intac hatte diese Unterlagen für den HZG-Dialog-Prozess auf Wunsch der Begleitgruppe wenige Tage vor der Ankündigung der beginnenden Antragsauslegung geprüft. Seine Bewertung, in der er diese Unterlagen auch mit Blick auf andere Genehmigungsverfahren vergleicht und bewertet, ist vom HZG-Dialog heute ebenfalls veröffentlicht und online gestellt worden (PDF). Darin betont er an einigen Stellen qualitative Verbesserungen, hält aber auch die Herausgabe weiterer Unterlagen für erforderlich.
Neumann schreibt in seiner Zusammenfassung: „Im Vergleich zu Sicherheitsberichten in anderen Genehmigungsverfahren, werden im Sicherheitsbericht von HZG die Vorgehensweise beim Abbau, die Reihenfolge beim Abbau und der Einsatz von Einrichtungen und Geräten zum Abbau konkret beschrieben und damit auch konkret beantragt. Die nach Atomrecht erforderliche Bestimmtheit ist damit gegeben.
Insgesamt bieten die Sicherheitsberichte und die Umweltverträglichkeitsuntersuchung des HZG eine bessere Grundlage zur Beurteilung von Betroffenheit, als dies durch Sicherheitsberichte in anderen Genehmigungsverfahren gegeben ist.
Jenseits von der hier vorgenommenen Bewertung ist es grundsätzlich für die Transparenz, die Nachvollziehbarkeit und die Beurteilbarkeit der Betroffenheit sinnvoll, neben den zur Auslegung vorgeschriebenen Unterlagen, weitere erläuternde Unterlagen zu allen Themen des Sicherheitsberichts auszulegen. Dadurch können potenziell betroffene Person, die eigene Fachkompetenz in einem bestimmten Gebiet haben oder Sachverständige hinzuziehen, ihre Betroffenheit auch mit mehr Detailinformationen beurteilen. Dies kann zu einem Sicherheitsgewinn für die beantragten Maßnahmen führen.
Diese auch von HZG angestrebte Vorgehensweise ist im Rahmen des hier durchgeführten Genehmigungsverfahrens bisher nicht durchsetzbar.“
In einer Fußnote zu diesen Aussagen ergänzt der Gutachter: „Nachträgliche Information: Nach Information von Peter Schreiner (HZG) haben sich Begleitgruppe, Betreiber und Genehmigungsbehörde auf folgenden Kompromiss geeinigt: Die Informationen zu Störfallanalyse sowie Reststoffen und Abfällen werden in einem als Entwurf gekennzeichneten Bericht auf der Homepage der HZG zur Verfügung gestellt. Sie sind damit nicht Teil des atomrechtlichen Verfahrens und können keine Grundlage für eine mögliche Einwendung bilden. Als Ergänzung der offiziellen Unterlagen können sie aber die BürgerInnen bei der Bewertung der geplanten Maßnahmen unterstützen.“
Die Begleitgruppe betrachtet den ausgehandelten Kompromiss mit der Genehmigungsbehörde zwar als „positiv“, kritisiert aber dennoch das gesamte atomrechtliche Verfahren: „Als Begleitgruppe bewerten wir den Kompromiss sehr positiv.“ erklärt Bernd Redecker als Sprecher der Begleitgruppe. „Er stellt einen deutlichen Gewinn für eine umfangreiche Information der betroffenen Bevölkerung dar. Generell wäre aber aus seiner Sicht eine Änderung der Verfahrensvorschriften wünschenswert, denn es kann nicht sein, dass es in einem Prozess der Jahrzehnte dauert nur eine einzige offizielle Anhörung zur Bürgerbeteiligung vorgesehen ist. Hier fordert die Begleitgruppe eine Änderung des Verfahrens, sodass immer wieder Haltepunkte eingeführt werden, an denen BürgerInnen über die laufenden Maßnahmen informiert werden und darauf Einfluss nehmen können. Der HZG-Dialog bietet hier einen möglichen Ansatz, stellt aber keinen rechtlichen Rahmen dar. Diesen zu schaffen ist die Politik gefordert.“
Für den freiwilligen konsensorientierten Dialog haben Betreiber HZG und die Begleitgruppe in Verbindung mit einer unabhängigen Moderation sich jeweils auf ein Selbstverständnis im Verfahren verständigt und daraus die Grundzüge ihrer Zusammenarbeit entwickelt. Dazu gehört auch, die jeweilige Rolle, die Unterschiedlichkeiten und Perspektiven in einem solchen Verfahren und einem solchen Dialog-Prozess zu beschreiben. Wichtige Aspekte sind u.a.: Ziel ist es, Konsense miteinander über die Stilllegungsschritte zu erreichen, Konsense und Konflikte werden jeweils gemeinsam öffentlich dargestellt, die Begleitgruppe hat die Möglichkeit, externe Gutachter ihres Vertrauens zu beteiligen etc.

(*) Der Autor dieses Textes ist Mitglied im konsensorientierten HZG-Dialog

Gemeinsame Pressemitteilung der Begleitgruppe „Stilllegung Atomanlagen des HZG (ehem. GKSS)“ und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht vom 5.12.2016

Genehmigungsbehörde und HZG-Dialoggruppe einigen sich über Umgang mit den Antragsunterlagen zum Rückbau der Atomanlagen des HZG

Nach einer zunächst kontroversen Diskussion über den Umfang der auszulegenden Unterlagen für die formelle (atomrechtliche) Öffentlichkeitsbeteiligung für die Stilllegung der ehemaligen Atomforschungsanlage in Geesthacht haben sich der HZG-Dialog und das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) auf eine erweiterte Informationsbereitstellung verständigt. Zusätzlich zu den auszulegenden Unterlagen durch die Genehmigungsbehörde werden vom HZG-Dialog weitere Informationen zum Hintergrund des geplanten Rückbaus veröffentlicht.

Forschungsreaktoranlage Layer

Luftbild der seit 2010 abgeschalteten Forschungsreaktoranlage am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Seit dem 1. Juli 2010 befindet sich der Forschungsreaktor in der Nachbetriebsphase.

Am 5. Dezember 2016 beginnt mit der Auslegung der Antragsunterlagen der rechtlich vorgeschriebene Teil der Bürgerbeteiligung im Zuge der Stilllegung der Atomanlagen auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Um den generellen Umfang dieser Unterlagen gab es bei allen bisherigen Rückbauprojekten in Deutschland Kritik aus der Bevölkerung. Umweltverbände und AnwohnerInnen bewerteten die Unterlagen als nicht ausreichend, um ihre mögliche Betroffenheit durch die geplanten Maßnahmen zu beurteilen.
Vor diesem Hintergrund wurde im HZG-Dialog bereits frühzeitig über eine Erweiterung der Unterlagen diskutiert, die im offiziellen Verfahren ausgelegt werden. Vereinbart war, zusätzlich zu den Unterlagen, die von der Genehmigungsbehörde öffentlich ausgelegt werden, weitere Informationen auf der Homepage von „HZG im Dialog“ bereit zu stellen. Die Genehmigungsbehörde hatte zunächst Bedenken, die Auslegung der gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen um weitere Informationen, die nicht im offiziellen Verfahren sind, zu ergänzen. Daher bedurfte es in der letzten Woche einer weiteren Klärung.
Auf Wunsch des HZG-Dialogs wurde daher kurzfristig der unabhängige Sachverständige Wolfgang Neumann beauftragt, die gesetzlich auszulegenden Unterlagen auf Umfang und inhaltliche Tiefe zu bewerten. Grundsätzlich kommt er bereits zu einem positiven Ergebnis. „Insgesamt bieten die Sicherheitsberichte und die Umweltverträglichkeitsuntersuchung des HZG eine bessere Grundlage zur Beurteilung von Betroffenheit, als dies durch Sicherheitsberichte in anderen Genehmigungsverfahren gegeben ist.“
Um diese Unterlagen für potentiell betroffene Dritte noch nachvollziehbarer zu machen, empfiehlt Neumann, zumindest die zusätzliche Auslegung weiterer Informationen zur Störfallanalyse und zum Reststoff- und Abfallkonzept. Er weist allerdings darauf hin, dass für eine detaillierte Beurteilung der eigenen Betroffenheit von Dritten die Auslegung aller erläuternden Unterlagen erforderlich wäre. „Dies kann zu einem Sicherheitsgewinn für die beantragten Maßnahmen führen“, beurteilt Neumann.
In einer zum Teil sehr intensiven Diskussion haben sich Begleitgruppe, Betreiber und Genehmigungsbehörde daraufhin auf einen Kompromiss geeinigt: Die betreffenden Informationen werden in einem als Entwurf gekennzeichneten Bericht auf der Homepage des HZG zur Verfügung gestellt. Sie sind damit nicht Teil des atomrechtlichen Verfahrens und können keine Grundlage für eine mögliche Einwendung bilden. Als Ergänzung der offiziellen Unterlagen können sie aber die BürgerInnen bei der Bewertung der geplanten Maßnahmen unterstützen.
„Als Begleitgruppe bewerten wir den Kompromiss sehr positiv.“ erklärt Bernd Redecker als Sprecher der Begleitgruppe. „Er stellt einen deutlichen Gewinn für eine umfangreiche Information der betroffenen Bevölkerung dar. Generell wäre aber aus seiner Sicht eine Änderung der Verfahrensvorschriften wünschenswert, denn es kann nicht sein, dass es in einem Prozess, der Jahrzehnte dauert, nur eine einzige offizielle Anhörung zur Bürgerbeteiligung vorgesehen ist.
Hier fordert die Begleitgruppe eine Änderung des Verfahrens, sodass immer wieder Haltepunkte eingeführt werden, an denen Bürgerinnen und Bürger über die laufenden Maßnahmen informiert werden und darauf Einfluss nehmen können. Der HZG-Dialog bietet hier einen möglichen Ansatz, stellt aber keinen rechtlichen Rahmen dar. Diesen zu schaffen, ist die Politik gefordert.“

Hintergrund


2012 hat das Helmholtz-Zentrum Geesthacht Bürgerinnen und Bürger und Anti-Atom-Initiativen eingeladen, die geplante Stilllegung und den Abbau der kerntechnischen Anlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums in einem konsensorientierten Dialog-Prozess durchzuführen.
Dieser – bundesweit ungewöhnliche – Vorschlag des HZG wurde nach einer Auftaktveranstaltung im Herbst 2012 positiv aufgegriffen und inzwischen hat sich auf dieser Basis eine Begleitgruppe „Stilllegung Atomanlagen des HZG (ehem. GKSS)“ gebildet. Der Dialogprozess strebt an, im Konsens zwischen Begleitgruppe und HZG unter Beachtung der gesetzlichen Rahmenbedingungen einvernehmliche Lösungen zu entstehenden Anforderungen und Maßnahmen zur Stilllegung des FRG1 sowie dem Abbau der kerntechnischen Anlagen des ehemaligen GKSS-Forschungszentrums zu finden.

Links

 

Dirk Seifert

Ein Gedanke zu “Stilllegung Atomanlage Geesthacht: Trotz Druck der Atomaufsicht – Kompromiss für mehr und bessere Informationen für Öffentlichkeitsbeteiligung

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