Fraktion DIE LINKE stimmt gegen Standortauswahlgesetz zur Endlagersuche: Zu viele Mängel – Konsens nur mit, nicht gegen die Anti-Atom-Bewegung

Der Bundestag hat mit den Stimmen von Grünen, CDU/CSU und SPD gegen das Votum von Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE heute das Standortauswahlgesetz novelliert. Ein Entschließungsantrag der Linken (PDF) wurde abgelehnt. Mit dem Gesetz sollen die Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Suche nach einem Atommülllager für hochradioaktive Abfälle regeln. 40 Jahre nach dem Start in die unverantwortliche Atomenergie gibt es ein solches Dauerlager bis heute nicht, einziger Standort ist Gorleben und bleibt auch künftig im Suchverfahren. Das Gesetz, dass in erster Fassung 2013 in Kraft trat, wurde von Anti-Atom-Initiativen und Organisationen massiv kritisiert und abgelehnt.

In seiner Rede begründete der für Atomausstieg in der Fraktion DIE LINKE zuständige Abgeordnete Hubertus Zdebel, der auch in der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ mitgearbeitet hatte, die Ablehnung seiner Fraktion an der Gesetzes-Novelle:
Hier die Rede im Video:

Die Rede zum Standortauswahlgesetz im Wortlaut:
Hubertus Zdebel (DIE LINKE):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich heute eines vorweg sagen: Auch wenn es in der Sache gravierende Differenzen gibt – für die faire und kooperative Zusammenarbeit zum Thema „Standortauswahlgesetz und Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ möchte ich bei allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern aus den anderen Fraktionen ausdrücklich ganz herzlich bedanken. Das gilt für Sylvia Kotting-Uhl, für Matthias Miersch, aber auch für Steffen Kanitz.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Es ist ja nicht der Regelfall, dass trotz so unterschiedlicher Auffassungen sachlich gestritten wird.
In der Sache aber stehen wir als Fraktion Die Linke als einzige Opposition im Bundestag einer Koalition aus Grünen, SPD und CDU/CSU gegenüber, und wieder einmal geht es um Atomfragen. Zuletzt haben im Dezember die Grünen gemeinsam mit den Regierungsfraktionen den Atomkonzernen eine milliardenschwere Last abgenommen und die Risiken für die Finanzierung der Atommülllagerung den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland aufgeladen. Jetzt soll ein weiterer vermeintlicher Atomkonsens auf den Weg gebracht werden, der aber nicht hält, was Regierung und die Fraktionen der Grünen, SPD und CDU/CSU versprechen.
Natürlich sind die jetzt zur Abstimmung stehenden Veränderungen eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Gesetz zur Endlagersuche. In der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ haben meine Fraktion und ich selbst in den letzten Jahren aktiv daran mitgearbeitet.
(Beifall bei der LINKEN)
Wichtig ist aber auch: Die grundsätzlichen Mängel an diesem Gesetz werden mit dieser Gesetzesnovelle nicht beseitigt. Wer den jahrzehntelangen Großkonflikt um die Atomenergie und die hochradioaktiven Hinterlassenschaften beenden will, der muss aus der Vergangenheit Konsequenzen ziehen, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.
(Beifall bei der LINKEN)
Dem hier zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf ist das bis heute nicht gelungen. Es sollte doch zu denken geben, dass das Verfahren zu diesem Gesetz und seine Ergebnisse bis heute von nahezu allen Teilen der Antiatombewegung und ihren Organisationen heftig bzw. massiv kritisiert werden. Nur mit ihnen als ein entscheidender Vertrauenspartner, aber nicht gegen sie kann das Ziel eines gesellschaftlichen Konsenses beim Neustart der Endlagersuche gelingen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es mag einen Fraktionskonsens zwischen Grünen, SPD und CDU/CSU geben, aber selbst in Bezug auf diesen wissen wir Linken, dass er sehr brüchig – um nicht gleich „faul“ zu sagen – ist. Dieser Konsens beruht nämlich darauf, dass Gorleben als einziger Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle im Rennen bleibt. Statt hier im Bundestag politisch einen klaren Schlussstrich unter Gorleben zu ziehen und damit ein überzeugendes Signal für einen tatsächlichen Neustart zu geben, wird der Streit um Gorleben erneut in das Verfahren zur Endlagersuche verschoben. Das, meine Damen und Herren, schafft kein Vertrauen, sondern begründet erneut Zweifel. Deswegen lehnen wir Linken dieses Gesetz und diese Novelle weiterhin ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie brüchig bzw. belastet das Vertrauen in der Bevölkerung beim staatlichen Umgang mit den radioaktiven Abfällen ist, können wir auch bei der Umsetzung des Exportverbots sehen. Statt klipp und klar in das Gesetz zu schreiben „Exporte von hochradioaktivem Atommüll aus Jülich in die USA wird es nicht geben“, findet sich im Gesetzentwurf eine derart kryptische Formulierung, dass zu Recht Hintertüren vermutet werden können. Auch das trägt nicht dazu bei, Vertrauen zu schaffen.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Gnadenlosigkeit ist da fehl am Platze!)
Der vorliegende Gesetzentwurf beansprucht, die Empfehlungen der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ eins zu eins umzusetzen. Er greift auch dabei an vielen Stellen noch zu kurz. Die Klagerechte für Bürger bleiben auch nach der Neuregelung unzureichend. Wir sind der Meinung, dass den Bürgerinnen und Bürgern bereits bei der Entscheidung zur Auswahl der obertägig zu erkundenden Regionen eine gerichtliche Prüfung ermöglicht werden muss.
(Beifall bei der LINKEN)
Das soll aber nun nicht erfolgen.
Auch die in der Kommission deutlich benannte Tatsache, dass die nun wieder im Gesetz genannte Frist für eine Standortentscheidung im Jahre 2031 und die Inbetriebnahme eines Endlagers später kommen werden – womit die Zwischenlagerung deutlich, vermutlich über Jahrzehnte, länger dauern wird, als bislang genehmigt -, bleibt weitgehend ausgeblendet. Das ist eines der Kern- bzw. Kardinalprobleme auch der Arbeit in der Kommission gewesen. Diese defizitäre Umsetzung des Kommissionsberichts durch den Gesetzentwurf hat die Fraktion Die Linke während der parlamentarischen Beratungen durch einen Änderungsantrag zu beheben versucht, der aber gestern von den anderen Fraktionen leider abgelehnt wurde.
Für uns ist sonnenklar: Die Halbwertzeit dieser Gesetzesnovelle wird nicht besonders lang sein, denn die Probleme bleiben. Für einen tatsächlichen Neustart bei der Endlagersuche mit dem Ziel eines gesellschaftlichen Konsenses muss das Verfahren vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Es braucht eine möglichst sichere Lösung, und diese muss in Deutschland gefunden werden. Dafür setzen wir Linke uns weiterhin ein.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)

DSe4Zdebel

3 Gedanken zu “Fraktion DIE LINKE stimmt gegen Standortauswahlgesetz zur Endlagersuche: Zu viele Mängel – Konsens nur mit, nicht gegen die Anti-Atom-Bewegung

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