Tihange und Uranfabriken stilllegen – Greenpeace-Aktion in Lingen – Gesetzentwurf für Hendricks vorgelegt
Mit Fässern blockieren Greenpeace-AktivistInnen die Zufahrt von Areva in Lingen und fordern die Stilllegung der Urananlage, aus der unter anderem marode Atommeiler wie in Tihange mit Brennstoff versorgt werden. Darüber berichtet z.B. die NOZ. Auf der Greenpeace-Homepage heißt es: „Wir können – wenn wir wollen!“ Nachdem schon die Ärzteorganisation IPPNW mit einem Rechtsgutachten auf die Möglichkeit hingewiesen hat, dass die Bundesregierung diese Ausfuhren nach Atomgesetz stoppen könnte, hat Greenpeace nun parallel zur Aktion in Lingen einen Gesetzentwurf an die Bundesumweltministerin übergeben (PDF), mit dem die Stilllegung der Uranfabriken in Gronau und Lingen möglich wäre. Am kommenden Mittwoch ist das Thema wegen eines Antrags der Bundestagsfraktion DIE LINKE (PDF) voraussichtlich auf der Tagesordnung des Umweltausschusses. (Fotos: (c) Chris Grodotzki/Greenpeace)
Immer noch sind die deutschen Uranfabriken in Lingen und Gronau vom Atomausstieg ausgenommen. Die Folge: Die Uranfabriken versorgen weltweit Atommeiler mit dem erforderlichen Brennstoff, darunter auch die besonders riskanten Alt-Meiler Tihange, Doel (beide Belgien) oder auch Fessenheim (Frankreich). Nachdem die internationale Ärzteorganisation IPPNW per Rechtsgutachten der Anwältin Cornelia Ziehm dargelegt hat, wie die Bundesregierung per Atomgesetz derartige Uranbrennstofflieferungen untersagen könnte, legt Greenpeace nun mit einem Gesetzentwurf für die Stilllegung der beiden Anlagen nach.
Auf der Homepage von Greenpeace heißt es: „Analog zum Atomausstieg könnte ein Gesetz erlassen werden, das sowohl der Urananreicherungsanlage in Gronau als auch der Brennelementfabrik in Lingen schrittweise das Herstellen von Atombrennstoff untersagt. Dazu müsste Paragraph 7 des Atomausstiegsgesetzes erweitert werden. „Unser Rechtsgutachten zeigt ganz klar, ein Ausstieg aus der Brennelementeproduktion wäre verfassungskonform, europarechtlich unbedenklich und darüber hinaus juristisch wasserdicht begründbar“, erklärt Heinz Smital, Greenpeace-Experte für Atomkraft. Würde der Ausstieg aus der Brennelementherstellung dabei schrittweise und mit Übergangsfristen erfolgen, wäre er auch den Betreibern zumutbar, sprich: es müssten nicht einmal Entschädigungszahlungen geleistet werden.“
- Auch die Kritische Aachener Zeitung berichtet über die Aktion.
Bislang erklärte die Bundesregierung immer wieder, dass eine Stilllegung der deutschen Uranfabriken nicht vorgesehen wäre. Vor kurzem aber reagierte endlich das Bundesumweltministerium, das selbst die maroden AKWs in Doel und Tihange als nicht ausreichend sicher bezeichnet und die Stilllegung gefordert hat, per Rechtsgutachten zu prüfen, wie die Stilllegung der Uranfabriken rechtlich möglich wäre. Diese Arbeit – so könnte man sagen – hat Greenpeace mit einem Gesetzentwurf aus der Feder des Anwalts Ulrich Wollenteit dem Ministerium nun abgenommen (siehe unten). So soll künftig mindestens verhindert werden, dass deutsche Atomanlagen den Betrieb von AKWs in anderen Staaten absichern.
Zu den Gefahren, die von den grenznahen Alt-Meilern ausgehen, schreibt Greenpeace: „Tihange, ein belgischer Altmeiler, der immer wieder wegen Rissen im Druckbehälter für Aufregung sorgt, liegt nur 70 Kilometer westlich von Aachen. Und den Ruhrpott mit Millionen Einwohnern trennen gerade einmal 200 Kilometer Luftlinie vom Pannenmeiler Doel. Den Druckbehälter dieses belgischen Atomkraftwerks durchziehen über 13.000 Risse. Wegen der unkalkulierbaren Risiken hatte 2016 selbst die Bundesregierung ein Abschalten der beiden Schrottreaktoren gefordert.
Experten rechnen damit, dass bei einem Atomunfall die radioaktive Belastung noch 600 Kilometer vom Unfallort so hoch sein kann, dass Evakuierungen notwendig sein könnten. „Somit ist ein Ausstieg aus der Herstellung von Atombrennstoff nicht nur möglich, sondern sogar geboten. Auch aus rechtlicher Sicht“, so Smital.“
Eine besondere Gefahr geht von den belgischen Atomkraftwerken Tihange (65 Kilometer entfernt von Aachen) und Doel aus, an deren Reaktordruckbehältern tausende Risse gefunden wurden. Experten des Bundesumweltministeriums sind daraufhin zu dem Schluss gekommen, dass die Sicherheit der belgischen Reaktoren nicht ausreichend nachgewiesen worden sei. Ein Super-Gau kann bis zu einer Entfernung von 600 Kilometern um den Reaktor Evakuierungen notwendig machen. Im Fall der belgischen Reaktoren und des französischen AKW Fessenheim (20 Kilometer entfernt von Freiburg) wären Millionen Menschen auch in Deutschland betroffen. Die Atomindustrie ist für solche Unfälle weder ausreichend versichert noch gibt es umsetzbare Konzepte, wie auf einen solchen Super-Gau reagiert werden kann. (Eine Studie zur Atomhaftung finden Sie hier: http://bit.ly/2qvAWGE)
Die Schließung der Kernbrennstoffwerke in Deutschland ist rechtlich möglich.
Die Fabrik in Lingen ermöglicht den Betrieb von Atomreaktoren europaweit und gefährdet mittelbar auch das Territorium der Bundesrepublik Deutschland. Die Brennelementproduktion verursacht zudem zusätzlichen Atommüll dessen Entsorgung bisher ungelöst ist. „Vor diesem Hintergrund muss das Gesetz zum Atomausstieg in Deutschland auf die Brennelementproduktion und die Urananreicherung erweitert werden“, fordert Smital. „Der hierfür nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erforderliche ‚legitime Zweck‘ liegt vor.“ Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat heute die Rechts-Expertise zur Schließung von Atomfabriken in Deutschland von Greenpeace bekommen.
Achtung Redaktionen: Rückfragen bitte an Heinz Smital Tel. 0171-8780803 oder Pressesprecher Björn Jettka Tel. 0171-8780778. Fotos erhalten Sie unter 040-306185377 Videomaterial unter 0175-5891718. Den Gesetzentwurf finden Sie hier: http://gpurl.de/xbD7V Greenpeace-Pressestelle: Telefon 040-30618-340, Email presse@greenpeace.de; Greenpeace auf Twitter: http://twitter.com/greenpeace_de, auf Facebook: www.facebook.com/greenpeace.de.