Atommüll-Gemeinden ASKETA – Bürgermeister fordern: Weg mit Atommüll, rein ins Nationale Begleitgremium und Entschädigung, bei längerer Zwischenlagerung
Zu einer Homepage, auf der sie informieren, haben sie es noch nicht geschafft. Jetzt aber wollen die Bürgermeister der Zwischenlager-Standorte mit hochradioaktiven Abfällen in das Nationale Begleitgremium. Doch das NBG soll eigentlich eine Art unabhängiger Wächter über die Durchführung der anlaufenden Suche nach einem „Endlager“ sein, dessen neue Spielregeln im Sommer im Standortauswahlgesetz festgelegt wurden. Von Interessenvertretung ist da keine Rede, eher das Gegenteil. Damit die Zwischenlagerstandorte nicht zu Endlagern werden, fordern die in ASKETA zusammengeschlossenen Bürgermeister bei ihrer zweitägigen Sitzung in Neckarwestheim außerdem ein zentrales Zwischenlager für 500 Castoren, damit der Atommüll vor Ort weg kommt – oder aber die Gemeinden müssten entschädigt werden.
Die Main-Post berichtet aus einer Gemeindesitzung in Grafenrheinfeld, in der die Bürgermeisterin Sabine Lutz die Ratsmitglieder über die letzte ASKETA-Sitzung informierte. Insgesamt fünf zentrale Forderungen haben die Bürgermeister vereinbart.
Neben den Forderungen für einen Sitz im NBG, heißt es dort: „Die Standortgemeinden fordern, mit Abschluss des Auswahlprozesses für ein Endlager bereits ein zentrales Eingangslager für 500 Castoren einzurichten, und zwar bevor die Genehmigungen für die Standortzwischenlager auslaufen. Sollte dies nicht gelingen, fordern die Standortgemeinden analog zur gesetzlichen Entschädigung für den zukünftigen Endlagerstandort auch eine entsprechende Entschädigung.“
Hochradioaktiv: Weg mit dem Müll (hier) – Her mit einem Eingangslager (anderswo) …
Die Genehmigungen der Standort-Zwischenlager an den Atommeilern laufen etwa um das Jahr 2046 aus. Laut Standortauswahlgesetz soll 2031 die Entscheidung feststehen, wo der Atommüll künftig verbuddelt werden soll. Dann steht das Genehmigungsverfahren an und dann muss das Lager noch gebaut werden. Als Datum für eine Inbetriebnahme des „Endlagers“ wurde immer mal wieder ca. 2050 genannt. Doch beide Termine – 2031 und 2050 – gelten als eher ambitioniert, manche würde das unrealistisch nennen. Bis zum Betriebsende der letzten Atommeiler (2022) werden in Deutschland ca. 1.900 Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll angefallen sein. Selbst im optimistischen Fall bräuchte es ein paar Jahrzehnte, um die Castoren – bzw. den in Endlager-Behälter umpackten Atommüll – unter die Erde zu transportieren.
- Dass es für die derzeitigen Standortgemeinden plus die Zwischenlager in Gorleben, Ahaus und bei Lubmin schlimmer kommen kann, machte jüngst auch erneut Bruno Thomauske in Neckarwestheim deutlich. Thomauske war ehemals Mitarbeiter im Bundesamt für Strahlenschutz (und für die Zwischenlager damit Genehmigungsbehörde), dabei auch sehr für Gorleben engagiert, wechselte dann zu Vattenfall und wurde dort 2007 nach den schweren Störfällen in den AKWs Brunsbüttel und Krümmel gefeuert. Seitdem war er in Aachen als Dozent wissenschaftlich beschäftigt und Mitglied der Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“, die Empfehlungen für das Standortauswahlgesetz erarbeitet hat. In der Heilbronner Stimme.de lesen wir von ihm: „Vor Ende des Jahrhunderts wird es kein betriebsbereites Endlager für hochradioaktive Abfälle geben. Davon ist Professor Bruno Thomauske überzeugt. Der Atom-Experte war selbst Mitglied der Endlagerkommission. Im Interview mit der Heilbronner Stimme macht er deutlich, dass der gesetzlich definierte Zeitplan eine rein politische Zielsetzung sei und den Auswahlprozess der Gefahr aussetzt, „mit dem Makel einer Anfangslüge zu starten“.“ UmweltFAIRaendern berichtete über Thomauskes Beitrag zu diesem Thema in der Kommission: Atommüll: Der lange Marsch zum „Endlager“
- Aus einem weiteren Grund wird über neue Zwischenlager bei Bundes- und Landesbehörden diskutiert: Der ausreichende Anti-Terror-Schutz. In Verbindung mit einer längeren Laufzeit der Zwischenlager und den neuen Terror-Szenarien (die sich noch „dynamisieren“ könnten), gibt es Überlegungen, die Anzahl der derzeitigen Lager auf 3-6 zu reduzieren und diese durch Verbunkerung besser zu schützen. Von „konsolidierten“ Zwischenlagern ist dabei die Rede: Atommüll „konsolidiert“: Das Ende der Zwischenlagerung, wie wir sie kannten und: Hochradioaktiver Atommüll: Zwischenlagerung auf dem Prüfstand.
- Der BUND (*siehe unten) hat ein Eckpunkte-Papier zur Zwischenlagerung vorgelegt, über das umweltFAIRaendern hier berichtet: Zwischenlagerung hochradioaktiver Brennelemente: BUND fordert mehr Sicherheit
Es ist also vor diesem Hintergrund völlig klar – und das räumt auch die Bundesregierung ein – dass die heute bestehenden Zwischenlager länger betreiben werden müssten, wenn sonst nichts passiert. Bereits im Nationalen Entsorgungsprogramm der Bundesregierung wird daher von einem zentralen Eingangslager am zu findenden Endlager-Standort gesprochen. Nach der Standortentscheidung (vielleicht 2031) solle im Zuge der ersten Baugenehmigung für das „Endlager“ auch mit dem Bau einer solchen oberirdischen Lagerhalle für (ebenfalls) 500 Castoren begonnen werden. Da wären Bundesgesetzgeber und Atommüll-Gemeinden also im Grunde ziemlich einig.
… sonst Entschädigung
Allerdings: Man muss kein großer Rechenkünstler sein, um festzustellen, dass das trotzdem nicht funktionieren kann, wenn alle Zwischenlager um 2046 herum ihre Genehmigungen verlieren, diese dann in das möglicherweise vorhandene nagelneue Eingangslager zu stellen. Insofern darf man den Bürgermeistern schon unterstellen, dass ihre Forderung entweder nicht so ganz zu Ende gedacht ist – oder es aber doch mehr um den Punkt einer finanziellen „Entschädigung“ geht.
Dazu ist ein Artikel der NWZonline über ein Treffen in Würgassen interessant. Neben VertreterInnen aus Brokdorf und Grohnde sind in Würgassen auch die Bürgermeister Klaus Rübesamen (Gemeinde Stadtland AKW Unterweser/Esensham) und Stefan Mohrdieck aus Brunsbüttel dabei. Letzterer ist derzeit Vorsitzender der ASKETA. Ersterer ist noch nicht Mitglied in dem Club. Doch das dürfte sich laut NWZonline ändern, denn: „Aber Klaus Rübesamen will der Einladung zur nächsten alljährlichen Zusammenkunft gerne folgen. Denn für die Zwischenlager am Kernkraftwerk Unterweser bekommt die Gemeinde keine Gewerbesteuern, muss aber zusätzliche Aufwendungen, etwa bei der Feuerwehr, finanzieren. Da kann es nicht schaden, einem größeren Kreis anzugehören, der lautstark Entschädigungen fordern kann.“
- Als Anmerkung am Rande: Nach der Neuordnung der Entsorgungsverantwortung, wie es im Bundestag genannt wurde, wird derzeit der gesamte Atommüllbereich verstaatlicht und die Konzerne sind nach einer Einmalzahlung von 24 Mrd. Euro vollständig aus der finanziellen Haftung für die Kosten befreit. Die Forderung nach Entschädigung richtet sich daher nicht an die Konzerne, die den Müll erzeugt haben, sondern künftig an die Bundesregierung. Das ist Folge des entsprechenden von Grünen, SPD und CDU gegen die Stimmen der LINKEN im Bundestag im Dezember 2016 beschlossenen und inzwischen in Kraft getretenen Gesetzes: Atom-Deal: Grüne, SPD, CDU, CSU zum Vorteil der Konzerne
Der Rest (hier) schnellstens zum Schacht Konrad (anderswo)
Auch bei dem leicht- und mittelradioaktiven Atommüll kennen die Standort-Bürgermeister keinen Spaß. Der solle schnellstmöglich und endgültig im Schacht Konrad in Salzgitter verschwinden. Das dort geplante Endlager verzögert sich jedoch immer wieder. Aktuell wird von einer Inbetriebnahme im Jahr 2022 gesprochen, vielleicht aber auch erst später. Doch auch hier gilt, was für den hochradioaktiven Müll gilt: Es wird Jahrzehnte brauchen, um nach einer eventuellen Inbetriebnahme den leicht- und mittelradioaktiven Atommüll von den Standorten anzuliefern und unter Tage zu bringen. Deswegen wird auch am Schacht Konrad von Behörden immer mal wieder über ein weiteres Eingangslager gesprochen (welches aber nicht am Schacht Konrad gebaut werden soll, weil dann das Planfeststellungsverfahren für den Schacht Konrad neu eröffnet werden müsste und eine Genehmigung nach heutigen rechtlichen Anforderungen in Konrad nicht mehr möglich wäre).
Nicht nur in Grafenrheinfeld (BR), wo man nach Jahrzehnten AKW-Betrieb mit Steuereinnahmen den Atommüll nicht länger vor der Tür haben will, wird der Schacht Konrad herbeigesehnt. Auch in Würgassen und anderenorts wird darauf gesetzt, wie in dem bereits erwähnten NWZonline-Text über eine Besichtigung der Rückbauarbeiten in Würgassen von KommunalpolitikerInnen auf Einladung von E.on/PreussenElektra berichtet. Denen erklärte der Betriebsleiter des bereits in vielen Teilen zurück gebauten AKWs mit Blick auf den Schacht Konrad: „Dieses Endlager sollte den Planungen zufolge seit 2011 zur Verfügung stehen, aber eine Genehmigung ist nach wie vor nicht in Sicht. Sie wird jetzt für die Jahre 2023 bis 2029 erwartet. Solange sie nicht vorliegt, kann der gesamte Gebäudekomplex nicht abgerissen werden. Dieser Schritt wird jetzt für 2030/31 erwartet, sagt Markus Wentzke.“
Falsche Adresse: Nationales Begleitgremium
Die Bürgermeister streben nun auch danach, mit einem Sitz im Nationalen Begleitgremium vertreten zu sein. Derzeit besteht es aus neun Mitgliedern, im nächsten Jahr soll es auf 18 erweitert werden. (Federführung für die Benennung der Personen, die noch Mitglied werden sollen, wird dem Bundesrat zugemessen, denn die erste Teilbesetzung wurde weitgehend vom Bundestag festgelegt. Die Bundesumweltministerin bestätigt am Ende die Mitglieder – außer die „Zufallsbürger“, die in einem eigenständigen Verfahren ausgewählt wurden/werden.)
Wer da drin sein darf und was das Gremium soll, wird im Paragraph 8 des Standortauswahlgesetzes beschrieben. Nur einige Worte sollen hier rausgegriffen werden: es geht um ein „pluralistisch zusammengesetztes“ Gremium, welches eine „vermittelnde und unabhängige Begleitung“ des Suchverfahrens leisten soll, in dem die Mitglieder „weder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch der Bundes- oder einer Landesregierung angehören“ und die „keine wirtschaftlichen Interessen in Bezug auf die Standortauswahl oder die Endlagerung im weitesten Sinne haben“ dürfen. So plausibel es also auf den ersten Blick erscheinen mag, dass die Bürgermeister an der Endlagersuche irgendwie beteiligt sind (und das sind sie in anderen Gremien nach Standortauswahlgesetz): Im Nationalen Begleitgremium laut StandAG haben sie in Verbindung mit gewissen wirtschaftlichen Interessen also nicht wirklich was zu suchen.
Wer Wie Was – wieso weshalb warum: ASKETA?
Wie gesagt: Eine gemeinsame Homepage der Atom(müll)-Standortgemeinden gibt es nicht und so ist es nicht wirklich einfach, sich ein Bild von dem zu verschaffen, was der Zusammenschluss ASKETA genau ist und macht. In den Medien finden sich nur spärliche Informationen. Soviel lässt sich aus unterschiedlichen Berichten und Meldungen zusammenfassen:
Vorsitzender ist seit Anfang 2016 der Bürgermeister Stefan Mohrdieck aus Brunsbüttel. Im Vorstand sind außerdem Felix Kusicka (Gemeinde Biblis) und Josef Klaus (Gemeinde Niederaichbach bei Ohu/Landshut). So jedenfalls teilt es Vattenfall unter dem gleich folgenden Link mit. Und UmweltFAIRaendern berichtete dazu: Atommüll-Bürgermeister fordern mehr Beteiligung und neues zentrales Castor-Lager.
Während Vattenfall nur davon spricht, dass insgesamt 15 Atom(müll)-Gemeinden bzw. deren Bürgermeister als ASKETA im Austausch miteinander sind, berichtet Florian Kohl auf dieser Seite im März 2012: „Die ASKETA – Arbeitsgemeinschaft der Standortgemeinden kerntechnischer Anlagen in Deutschland wurde 1994 in Grafenrheinfeld gegründet und vertritt derzeit 25 Kommunen mit kerntechnischen Anlagen, darunter 15 Kernkraftwerksstandorte mit 9 „aktiven“, 8 nach Fukushima abgeschalteten und 3 stillgelegten Kernkraftwerksblöcken, Standorte mit Zwischenlagern für radioaktive Reststoffe und auch Standorte mit Forschungseinrichtungen.“
Genaueres ist mir bei meiner Internetrecherche leider nicht untergekommen. (Wikipedia zeigt hier eine unverantwortliche Lücke :-)) Ein Nordlicht Steinburg (dort liegt das AKW Brokdorf) berichtet mit dem Hinweis „Text: ASKETA“ aus vermutlich 2012 über ASKETA und die bisherigen Vorsitzenden. Dort bekommt man auch ein gewisses Bild davon, was die von der Stilllegung der AKWs nach Fukushima betroffenen Gemeinden bzw. ihre Bürgermeister umtrieb: „Im Rahmen der Zusammenkunft wurde der seit 2010 als 2. Vorsitzender amtierende Bürgermeister von Neckarwestheim, Mario Dürr, zum ersten Vorsitzenden gewählt. Dürr tritt damit die Nachfolge von Gundremmingens Erster Bürgermeister a. D. Wolfgang Mayer an, der die ASKETA seit 2004 führte.“ Weiter: „Die Stellvertreterposten werden für die kommenden zwei Jahre durch Bürgermeister Stefan Mohrdieck aus Brunsbüttel und Erster Bürgermeister Josef Klaus aus Niederaichbach bekleidet.“ Den Ausstieg nach Fukushima wolle man nicht mehr in Zweifel ziehen, aber: „Fakt ist, dass in Deutschland die weltweit sicherste Kernenergienutzung und -handhabung aus politischer Motivation aufgegeben wird. Der Rückbau der Anlagen und die sichere Entsorgung wird die ASKETA noch Jahrzehnte beschäftigen. Bis dato wird der hohe Verlust an Arbeitsplätzen rund um die Kerntechnik öffentlich nicht diskutiert.“
Der schon erwähnte Florian Kohl schreibt 2012 bei Revista (siehe oben) weiter: „Die ASKETA ist Mitglied der GMF (Group of European Municipalities with Nuclear Facilities), in der sich zahlreiche europäische Standorte mit kerntechnischen Anlagen zu einer Interessensvertretung auf EU-Ebene zusammengeschlossen haben.“ Außerdem ergänzt Kohl die heute wohl „geschichtlich“ zu nennende Perspektive: „Die ASKETA hat sich zum Ziel gesetzt, die Position der Standortgemeinden in Deutschland zu stärken, die „visionär“ geprägte Energiedebatte auf die Ebene von Wirklichkeit und Sachlichkeit zu führen und in der GMF mitzuarbeiten. Sachargumente sollen helfen, neben den ökologischen Gesichtspunkten die Ökonomie wie auch die Versorgungssicherheit nicht (ganz) außer Acht zu lassen. Deshalb strebt die ASKETA eine objektive Bewertung aller Energieträger an, die im Zuge der der verkündeten „Energiewende“ ihren Beitrag für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung leisten können und sollen.“
* Dies ist mein privater Blog, aber der Autor dieses Artikels ist Mitglied im BUND und stellvertr. Sprecher des BAK Atomenergie und Strahlenschutz.
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